Christine Aschenberg-DugnusFDP - Organspende
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Solms hat es gerade schon gesagt, und ich finde, man kann es auch wiederholen: Was uns alle hier heute im Plenum eint, ist doch der Wunsch, dass die Zahl der Organspenden in Deutschland massiv steigt. Denn hinter jedem benötigten Organ steckt ein individuelles Schicksal. Wir alle haben uns in den letzten Monaten damit beschäftigt. Jeder kennt Fälle, auch ich persönlich aus meiner eigenen Familie. Als Mitinitiatorin der Entscheidungslösung trage ich selbstverständlich seit über 20 Jahren einen Organspendeausweis bei mir, weil ich mich freiwillig, selbstbestimmt und nach eingehender Befassung mit dem Thema ganz bewusst dafür entschieden habe.
Unsere Gruppe, die Gruppe der Entscheidungslösung, hat sich genau damit befasst und sich die Frage gestellt: Was hindert Menschen daran, sich zu entscheiden? Wenn wir dann hören, dass fast die Hälfte der Deutschen sich bei dem Thema Organspende und bei dem Thema Hirntod nicht ausreichend informiert fühlt, dann müssen wir auch selbstkritisch feststellen, dass wir in der Vergangenheit die falschen Informationen geliefert haben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)
Genau das wollen wir jetzt mit unserer Gesetzesvorlage ändern. Den Hausärzten kommt dabei eine ganz wichtige Rolle bei der Aufklärung zu. Herr Solms, nicht die Mitarbeiter der Bürgerämter sollen informieren – das steht in unserer Vorlage überhaupt nicht –, sondern wir fragen: Wer hat das Vertrauen in Deutschland? Das sind unsere Hausärzte. Diese werden für diese Information auch vergütet.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In einer Situation, wo viele Bürger Unsicherheit verspüren, wo sie Ängste haben – das hat, Frau Schmidtke, nichts mit Bequemlichkeit zu tun; sie haben Angst; sie wissen nicht, wie sie sich entscheiden sollen –, kann man doch Schweigen nicht als Zustimmung werten, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das missachtet – ich rede gar nicht einmal von Paragrafen und Recht – unseren gesellschaftlichen Konsens, den wir alle haben, nämlich dass Schweigen niemals als Zustimmung gewertet werden kann.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir setzen lieber auf die freiwillige und informierte Entscheidung; denn diese ist wesentlich nachhaltiger. Und – das wurde schon gesagt – wir ermöglichen den Bürgerinnen und Bürgern ein niederschwelliges Angebot, ihre dann getroffene Entscheidung auch in ein Onlineregister eintragen zu können, entweder auf den Ämtern oder online zu Hause. Das wird dazu führen, dass das in einer großen Anzahl passieren wird. Die Bürgerinnen und Bürger werden auch wesentlich mehr und regelmäßiger auf dieses Thema angesprochen.
Lassen Sie mich bitte noch auf einen Punkt zu sprechen kommen. Es wurde in letzter Zeit gerade in den Medien und auch hier wieder ein Zusammenhang zwischen den Ländern, die die Widerspruchslösung haben, und einer hohen Organspenderzahl bzw. Organtransplantationszahl hergestellt. Wir alle hier wissen doch, dass das überhaupt nicht stimmt.
(Beifall der Abg. Hilde Mattheis [SPD] und Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Die Kollegin Baerbock hat das schon gesagt: In vielen Ländern geht es nach dem Herztod. Natürlich hat man dann viel mehr Organspender. Außerdem: Spanien wendet die Widerspruchslösung doch überhaupt nicht an. Das haben wir doch gehört, und das wissen wir alle doch.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um noch etwas anzuführen: Bulgarien zum Beispiel hat die Widerspruchslösung und dennoch viel schlechtere Zahlen als wir. Diesen vermeintlichen Zusammenhang hier als Grund anzuführen, ist doch nun wirklich daneben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Wichtig sind die Organisationsstrukturen; das wurde schon gesagt. Auch die Zahl wurde schon genannt. Leider wurden in der Vergangenheit nur unter 10 Prozent der Hirntoten gemeldet. Da müssen wir ansetzen. Wir hoffen, dass unser Gesetz nach der Verabschiedung dort wirkt. Wenn es nicht wirkt, müssen wir eben da nachbessern.
Nun komme ich noch zu einem Argument, das mir sehr wichtig ist. Herr Spahn, Sie haben immer wieder betont, Ihre Widerspruchslösung zur Spende sei keine Pflicht, aber eine Verpflichtung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ja, das ist richtig. Aber was ist denn in der Zeit, in der man noch überlegt? Man braucht doch Zeit dafür. Ich selber konnte meine Entscheidung auch nicht innerhalb eines Tages treffen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dazu braucht man Zeit. In dieser Zeit, wo man sich mit dem Thema beschäftigt und sich noch nicht endgültig entschieden hat, ist man nach Ihrer Widerspruchslösung automatisch Organspender, und das kann nicht sein.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Warum ist mir das so wichtig? In dieser Woche hat ein Transplantationschirurg oft versucht, mich anzurufen. Ich habe ihn dann zurückgerufen und mit ihm gesprochen. Es war ihm sehr wichtig, mir Folgendes zu sagen – ich darf zitieren –:
Wenn die Widerspruchslösung kommt, müsste ich bei der Organentnahme einen mir unbekannten Willen umsetzen; denn ich weiß nicht, ob eine Zustimmung vorliegt. Dabei habe ich ein schlechtes Gefühl.
Meine Damen und Herren, genau das ist der Punkt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir finden, es gebietet der Respekt vor der individuellen Entscheidung eines jeden Einzelnen, dass gerade bei dem wichtigen Thema Organspende eine ausdrückliche Zustimmung Voraussetzung ist. Sonst nehmen wir den Menschen das Selbstbestimmungsrecht über ihren eigenen Körper und verstoßen gegen die Menschenwürde. Aber die Menschenwürde ist unantastbar.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Georg Nüßlein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7413954 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Organspende |