16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 7

Georg NüßleinCDU/CSU - Organspende

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Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! In meinem engsten Umfeld prüft gerade die zweite Ehefrau, ob sie ihrem Mann eine Niere spenden kann. Eine andere hat die Prozedur der Lebendspende bereits hinter sich. Sie werden jetzt wahrscheinlich denken: Ein grandioser Liebesbeweis! Ich sage Ihnen: Ja, ein Liebesbeweis, aber ein unnötiger. Denn Fakt ist: Wir haben in diesem Land zu wenige Spenderorgane. Uns alle eint der Wille, daran etwas zu ändern. Die einen sagen: Wir machen ein bisschen mehr an Information. Die anderen sagen: Wir wollen einen Paradigmenwechsel, wollen einen großen Schritt gehen, etwas komplett ändern.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Natürlich stimmt das, was hier vorgetragen wird. Die Misere in Deutschland hat mehrere Ursachen. Die organisatorischen Themen sind ein Teil davon. Diese haben wir in dieser Bundesregierung in der Tat adressiert und verändert. Ich bin guter Dinge, dass auch das etwas ändern wird. Aber ich weiß auch, dass es zu wenig sein wird; denn bei vielen, die in diesem Land leider den Hirntod erleiden, ist nicht zu ermitteln, ob sie tatsächlich als Spender infrage kommen. Im letzten Jahr waren es 24 Prozent, bei denen man in die Bredouille geraten ist, weil man einerseits nicht ermitteln konnte, was der Betroffene selber wollte, und weil die Angehörigen widersprochen haben.

Worum geht es uns also? Es geht darum, den eigenen Willen ordentlich zu dokumentieren, aber auch eine Entscheidung herbeizuführen. Angesichts dessen, was wir hier diskutieren und worum es auch den Betroffenen geht, nämlich um ihr eigenes Leben, wird man doch verlangen können, dass man sich in diesem Land entscheidet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Wenn ich Sie nun frage, meine Damen und Herren, wenn Sie selber betroffen sind oder eines Ihrer Kinder betroffen ist, wenn Sie nur noch durch eine Organspende überleben können: Was wollen Sie dann? Der Normalfall wird sein: Dann möchte ich ein Spenderorgan. – Wenn es der Normalfall ist, dass man dann ein Spenderorgan will, dann muss es doch auch der Normalfall sein, dass man spendebereit ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Das ist ein Zusammenhang, den man bei keiner ethischen Betrachtung aufheben kann.

Dann macht es auch Sinn, von der Spendenbereitschaft aller als Normalfall auszugehen und nur den Widerspruch zu dokumentieren. Da hat der Kollege Solms vollkommen recht. Das ist ein Recht auf Widerspruch. Die Freiwilligkeit bleibt genauso erhalten. Ich kann überhaupt nicht erkennen, wie man den Menschen an dieser Stelle die Freiwilligkeit zur Spende abnimmt, im Gegenteil. Wir sagen nur: Du musst dich entscheiden. – Das halte ich für durchaus angemessen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das entspricht übrigens auch – genauso wie das, was ich als Normalfall beschrieben habe – der Realität in Deutschland. Wir haben schon gehört: 83 bzw. 84 Prozent der Menschen sind grundsätzlich spendebereit. Es ist uns nur noch nicht gelungen, ein ordentliches Dokumentationssystem zu finden.

Wie geht das nun mit der Widerspruchslösung, über die wir diskutieren? Am einfachsten und am niedrigschwelligsten dadurch, dass Sie einem Familienmitglied sagen: Ich will das nicht. – Sie müssen sich noch nicht einmal registrieren. Das ist die doppelte Widerspruchslösung. Ich möchte ganz besonders herausstellen: Sie müssen nicht zum Amt. Sie können auch, Frau Kollegin Aschenberg-Dugnus, einem Verwandten sagen: Ich bin noch in der Überlegungsphase. Ich habe mich noch nicht entschieden. – Auch das geht. Sie können auch im Register anmelden, dass Sie es für sich selber nicht entscheiden können und dass im Ernstfall beispielsweise der Sohn entscheidet.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das geht gar nicht!)

– Natürlich können Sie das festlegen. Doch! Lesen Sie die Änderung dazu! Ich beschreibe gerade unseren Vorschlag. Da können Sie doch nicht sagen: Das geht gar nicht! – Das ist unser Vorschlag. Wenn Sie ihm zustimmen, werden Sie sehen, dass das auch geht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Ansonsten können Sie dort ein Ja vermerken. Sie können auch ein eingeschränktes Ja vermerken, bezogen auf bestimmte Organe, genauso wie im Organspendeausweis. Sie können natürlich auch ganz klar Nein sagen.

Ich sage den Juristen, die das alles ganz furchtbar finden: Ich zitiere hier nicht BGB und HGB. Das wäre unangemessen. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Aber es gibt schon eine Parallele. Wenn Sie heute keine Patientenverfügung machen, meine Damen und Herren, dann müssen Sie mit der Folge klarkommen, gegebenenfalls lebenserhaltende Maßnahmen zu erdulden. Hier führt das Schweigen zu einer sehr weitreichenden Konsequenz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Das ist in der Tat ein Paradigmenwechsel. Ich sage den Statistikern unter Ihnen: Und wäre es nur ein Menschenleben, das wir mit unserer Entscheidung am heutigen Tage retten könnten, hätte sich die ganze Angelegenheit rentiert.

Ich bitte herzlich um Zustimmung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat das Wort die Kollegin Kathrin Vogler.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7413955
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Organspende
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