16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 7

Thomas RachelCDU/CSU - Organspende

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Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer noch sterben in Deutschland drei Menschen pro Tag, weil sie vergeblich auf ein Spenderorgan warten. Deshalb sind wir uns im Ziel alle einig: Wir brauchen mehr Organspender in Deutschland. Was aber ist ethisch und politisch der richtige Weg, um die Zahl der Organspenden tatsächlich zu erhöhen? Die Antwort kann für mich nur in der Stärkung der freiwilligen Entscheidungsbereitschaft eines jeden Einzelnen liegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Deshalb müssen wir die Bürgerinnen und Bürger noch intensiver aufklären, befragen und dazu ermutigen. Leider gibt es hierfür keine ethisch überzeugende Abkürzung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt keine Rechtfertigung dafür, das Recht auf körperliche Unversehrtheit unter Vorbehalt zu stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gemeinsam haben die evangelische und die katholische Kirche gegen die vorgeschlagene Widerspruchsregelung erheblichste rechtliche, ethische und auch seelsorgerische Bedenken geäußert. Diese Bedenken teile ich. Denn im europäischen Vergleich zeigt sich, dass Staaten mit Widerspruchslösung nicht automatisch mehr Organspender haben als Länder mit Zustimmungslösung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die eigentlichen Zugewinne bei Spenderzahlen in Spanien und Belgien wurden durch Struktur- und Organisationsverbesserungen erreicht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Dort wird jedoch auch nach dem Herztod explantiert. Die deutsche Rechtslage ist hier – wie ich finde: richtigerweise – anders.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zu Recht kritisieren unsere christlichen Kirchen, dass die Widerspruchsregelung die ganz wichtige Rolle der Angehörigen vernachlässigt, gerade im emotionalen Ausnahmezustand des Sterbeprozesses.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein eklatanter Wertungswiderspruch, wenn das Recht auf Selbstbestimmung über meine eigenen Daten künftig höher bewertet wird als mein Recht auf die körperliche Unversehrtheit.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Es ist zutiefst problematisch, wenn die Verfügungshoheit über die eigene körperliche Unversehrtheit erst und nur durch einen Widerspruchsakt zurückgewonnen werden kann. Das verändert das Verhältnis zwischen Staat und Bürger grundlegend, meine Damen und Herren.

Die Organspende verdient aus christlicher Perspektive höchste Anerkennung als Akt der Nächstenliebe und Solidarität über den Tod hinaus. Nächstenliebe kann aber – das ist eigentlich jedem klar – nicht staatlich eingefordert werden, sondern sie gedeiht nur da, wo es auch Freiheit gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wie der Begriff „Organspende“ schon sagt, sollte diese Entscheidung freiwillig getroffen werden. Eine Spende, die nicht dem freien Willen entspringt, ist keine Spende.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wissen Sie, die Entscheidung für oder auch gegen eine Organspende ist wahrlich eine sehr persönliche Entscheidung über das eigene Sterben. Da der Mensch seine Würde im Sterben und im Tod behält, darf die Freiheit bei dieser sensiblen Entscheidung durch den Staat eben nicht beschnitten werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Würde des Menschen ist dadurch gekennzeichnet, dass sie jeder Verfügung durch andere Menschen oder staatliche Kräfte entzogen ist. Unsere kulturelle Prägung wie unsere Rechtsordnung sagen: Die Durchsetzung auch von nachvollziehbaren Interessen endet an der Grenze, die durch die Integrität und die Freiheit der anderen Person bestimmt ist. -

Insofern sind die Organentnahme und die Verlängerung des Sterbeprozesses nur dann gerechtfertigt, wenn sie dem ausdrücklichen Willen des Sterbenden entsprechen. Für seine Zustimmung dürfen und wollen wir werben, können sie aber nicht stillschweigend voraussetzen. Schweigen darf nicht als Zustimmung gelten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ausgehend vom christlichen Bild des selbstbestimmten Menschen soll jeder und jede in Freiheit und in Verantwortung vor Gott und seinen Mitmenschen über sein oder ihr Leben, über seinen oder ihren Körper Entscheidungen treffen können. Deshalb setze ich mich für den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende ein und bitte hierfür um Ihre Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gitta Connemann.

Personen

Dokumente

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7413959
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Organspende
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