16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 8

Alexander ThromCDU/CSU - Finanzielle Lasten der Migrationspolitik

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um was geht es der AfD eigentlich?

(Martin Hebner [AfD]: Um Zahlen!)

Nach außen hin um Zahlen, um angebliche Transparenz. Aber in der Tat geht es Ihnen doch eigentlich nur darum, den Keil noch ein bisschen tiefer in unsere Gesellschaft hineinzuklopfen, die einen, die Inländer, gegen die anderen, die Ausländer, auszuspielen und damit Ihr politisches Spiel zu betreiben.

(Martin Hebner [AfD]: Nennen Sie doch einfach nur die Zahlen!)

In der Tat: Sie brauchen derartige Anträge, und Sie brauchen diese Spaltung in der Gesellschaft für Ihr Politikmodell.

(Abg. Martin Hebner [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

(Zurufe von der SPD: Nein!)

Nein. Jetzt lassen Sie mich doch erst mal ein bisschen ausführen, und dann können wir darauf gerne zu einem späteren Zeitpunkt zurückkommen.

(Ute Vogt [SPD]: Nein! Keine Minute zu viel für die! – Gülistan Yüksel [SPD]: Es hat doch keinen Zweck!)

Der Antrag spricht ausschließlich von den Lasten der Migration, nicht aber vom möglichen Nutzen, den die Migration durchaus auch hat. Und Sie schreiben nicht nur von den Kosten der Flüchtlingspolitik, sondern Sie schreiben ausdrücklich auch von den finanziellen Lasten der Migrationspolitik. Diese umfasst aber deutlich mehr als nur die Bereiche Asyl und Flucht, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben. Deswegen sollten wir etwas differenzierter an die Sache herangehen, ohne die Scheuklappen, die Sie ganz offensichtlich aufgesetzt haben.

Migration ist nämlich in erster Linie Arbeitsmigration. Diese haben wir in den 70er-Jahren mit den sogenannten Gastarbeitern von uns aus, von Deutschland aus initiiert. In den letzten Jahren sind allein über 2,7 Millionen EU-Ausländer nach Deutschland gekommen und tragen hier mit ihrer Arbeit zur Sicherung und Stärkung unseres Wirtschaftsstandorts bei.

Egal auf welche Branche wir momentan schauen, wir hören immer vom Fachkräftemangel. Deswegen haben wir letztes Jahr das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Auch das trägt zum Nutzen und zur Stärkung unserer Wirtschaft bei; denn nur, wenn wir entsprechende Fachkräfte in Deutschland haben, wenn wir eine gewisse Arbeitsmigration haben, auch im nicht ganz hochqualifizierten Bereich, können wir den Wohlstand für zukünftige Generationen sichern. Dann kommen die Menschen, die wir brauchen, und nicht nur die Menschen, die uns brauchen. Also, wir sollten das durchaus differenzierter betrachten.

Sie haben natürlich Ihre Klientel im Blick, deren Vorurteile Sie mit Ihrem Antrag bedienen. Sie sagen: Den Deutschen wird etwas genommen, weil sehr viele Flüchtlinge gekommen sind. – Das ist ein sehr durchschaubares Spiel. Ja, natürlich hat Migration auch Lasten zur Folge. Das sind aber keineswegs Lasten, die ausschließlich durch die Flüchtlinge, die kommen, schutzberechtigt oder nicht, entstehen; vielmehr werden Integrationskurse, Sprachkurse und vieles andere auch für Menschen aus den EU-Staaten angeboten, genauso für reguläre Arbeitsmigranten oder Spätaussiedler. Insofern lässt es sich nicht eins zu eins aufrechnen.

Dann gibt es diejenigen, die zu uns kommen, weil sie verfolgt werden, weil sie aus einem Kriegsland kommen, weil sie Schutz brauchen, Schutz suchen. Man kann, glaube ich, nicht alles in Euro und Cent ausrechnen, nicht überall eine Bilanz ziehen und den volkswirtschaftlichen Nutzen herausrechnen; vielmehr ist eines gefragt, was Ihnen offensichtlich komplett abgeht, und das ist Humanität.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wir, die übrigen Fraktionen hier im Parlament, haben diese Humanität, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen, was Detailfragen betrifft. Aber wir sind uns im Grundsatz einig, dass wir denjenigen, die Schutz brauchen, diesen auch gewähren,

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

ja, auch dann, wenn er für unseren Staat Lasten und Kosten verursacht.

(Abg. Martin Hebner [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Viele derer, die in den letzten Jahren gekommen sind – das ist angesprochen worden –, tragen inzwischen durch ihre Arbeit zum volkswirtschaftlichen Nutzen bei. 40 000 junge Menschen aus den Hauptherkunftsländern der Asylbewerber machen eine Ausbildung. Rund 360 000 Schutzberechtigte gehen einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach. Das ist mehr, als wir erwartet haben, aber – das sage ich ganz offen – noch nicht so viel, dass wir uns aufs Ruhekissen legen können. Es gibt noch knapp 600 000 Menschen, die erwerbsfähig sind, die als Flüchtlinge anerkannt sind, aber im SGB-II-System leben. Da müssen wir durchaus mehr machen. Diese müssen wir motivieren; wir müssen sie besser an die Arbeit heranführen, etwa auch, indem wir für diesen Personenkreis in einem gewissen Umfang verpflichtende praktische Einheiten einführen, wie es beispielsweise in ähnlicher Form in Schweden und anderswo auch schon gemacht wird.

Ich würde mir von Ihnen konstruktive Vorschläge wünschen und nicht eine solche Debatte, die Sie hier heute vom Zaun brechen, einfach nur, um den Zwiespalt in unserer Gesellschaft noch mehr zu schüren. Konstruktive Vorschläge sind von Ihnen nicht zu erwarten. Alles, was Sie hier schreiben, beantragen, aber und auch ausgeführt haben, ist ohne weiteren Erkenntniswert. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist für die FDP-Fraktion der Kollege Christoph Meyer.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7413984
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Finanzielle Lasten der Migrationspolitik
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