Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum müssen wir uns im Jahre 2020 mit den Nachwirkungen der Monarchie beschäftigen?
(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Das frage ich mich auch! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gute Frage!)
Ja, das ist eine gute Frage, da wir ja alle wissen und das auch breit gefeiert haben, dass erfreulicherweise mit der Revolution von 1918 die Monarchie hinweggefegt wurde, wofür wir den Revolutionärinnen und Revolutionären heute noch dankbar sein können.
(Beifall bei der LINKEN)
Denn Monarchie ist natürlich qua Konstitution das Gegenteil von Demokratie, das Gegenteil von Herrschaft der Bevölkerung.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist Quatsch, Herr Korte! – Weitere Zurufe von der AfD)
– Mit Lehren aus der Geschichte haben Sie es nun wirklich nicht. Das wissen wir. Deswegen sind Sie bei dieser Frage erst einmal grundsätzlich raus.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber es geht um Folgendes, um etwas ganz Handfestes:
Erstens. Die Familie, die sogenannte Erbengemeinschaft der Hohenzollern, möchte eine Entschädigung haben für Enteignungen, die es nach 1945 umfangreich gegeben hat. Denn damals schätzte die sowjetische Militäradministration – wie auch später die DDR – den deutschen Adel ein als zutiefst verstrickt in den Nationalsozialismus und sah in ihm mit eine der Hauptursachen dafür und hat ihn deswegen in ihrem Geltungsbereich vollständig enteignet. Diese Entscheidung, um es hier einmal klar auszusprechen, war historisch und moralisch durch und durch richtig, bei allen anderen Fehlentscheidungen, die es damals gegeben hat.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Es geht – das wird alles gleich zusammengefasst – um noch etwas anderes. Die besagte Erbengemeinschaft möchte dazu eine Rückgabe sehr vieler Kulturgüter. Die bizarrste Forderung, die selbst der Staatsministerin, die auch anwesend ist, irgendwann zu bunt wurde, war die Forderung des sogenannten Hauses Hohenzollern nach einem unentgeltlichen Wohnrecht im Schloss Cecilienhof, im Schloss Lindstedt oder in der Villa Liegnitz.
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Frechheit!)
Das ist natürlich so dermaßen abgedreht – wenn man sich das überlegt –, überhaupt so etwas zu formulieren. Deswegen muss ich leider feststellen, dass die Hohenzollern mental offenbar noch nicht in der Republik angekommen sind.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Korte, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung des Kollegen Post von der SPD-Fraktion?
Bitte schön.
Danke, Herr Kollege Korte, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade explizit die Haltung der damaligen DDR-Regierung angeführt und auch die ursprünglich erhobene Forderung der Hohenzollern genannt, ein Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof zu erlangen. Diese Forderung wurde mittlerweile fallen gelassen, aber sie wurde – das stimmt – ursprünglich erhoben.
Meine Frage: Ist Ihnen bekannt, dass Erich Honecker am 3. Mai 1988 einen Brief unterzeichnet hat, in dem explizit steht, dass den Hohenzollern ein Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof eingeräumt werden sollte, wenn im Gegenzug die Särge der verstorbenen Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. wieder zurück nach Potsdam überführt würden?
(Lachen bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist ja eine katastrophale Fehleinschätzung. Das ist eine weitere der grundsätzlichen Fehleinschätzungen von Erich Honecker. Da sind wir doch völlig einer Meinung.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber das macht die heutige Forderung doch nicht besser, dass es dort Fehlentscheidungen gegeben hat.
Nur, Herr Kollege Post, Sie müssen eines sehen – das ist noch die Antwort –: Ich habe von den Enteignungen nach 1945 gesprochen, und zwar von den flächendeckenden. Da stimmen Sie mir doch insbesondere als Sozialdemokrat zu, wenn ich das Stichwort „Revolution von 1918 und Ausrufung der Republik“ nenne, woran ja auch Ihre Partei einen gewissen Anteil hatte, wenn man so will.
(Martin Rabanus [SPD]: Maßgeblichen! Maßgeblichen!)
Wir sind doch einer Meinung, dass das richtig gewesen ist. Wenn Honecker auch da völlig falsch entscheidet, kann ich nichts dafür, aber ich kann feststellen, dass das falsch ist, wenn es so ist, wie Sie sagen. Sorry, so sieht das aus.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Gehen wir weiter und nähern uns dem Ganzen juristisch. Es gibt in dem Gesetz von 1994, in dem diese Entschädigungsfragen geregelt sind, folgenden Passus, dass nämlich Entschädigungszahlungen dann ausgeschlossen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn, wie in diesem Fall, die Familie Hohenzollern dem Nationalsozialismus – wörtliches Zitat – „erheblichen Vorschub geleistet“ hat. Dazu gibt es jetzt alle möglichen Gutachten, die dank des Satirikers Böhmermann allgemein zur Verfügung gestellt wurden – da kann man auch einfach mal Danke sagen –, sodass alle das nachlesen können.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Juristisch und politisch stellt sich die Frage: Haben die Hohenzollern und besonders Kronprinz Wilhelm dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet? Ich möchte Ulrich Herbert, einen, glaube ich, unumstrittenen, exzellenten Historiker, zitieren, der auf diese Frage Folgendes geantwortet hat:
Ja – gewiss nicht weniger, aber wohl auch nicht mehr als all die anderen hochrangigen Vertreter der vaterländischen Verbände, der deutschnationalen Parteien, der Clubs und „Ringe“ der rechtsradikalen Intellektuellen, der Großagrarier und der Großindustrie, die die Republik zerstören und das neue Reich der Rechten aufbauen wollten, ohne Parlament, ohne Gewerkschaften und ohne Juden – allerdings unter der Voraussetzung, dass sie selbst dabei irgendeine wichtige Rolle spielen durften.
(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Hört! Hört!)
Aber wenn selbst die es nicht waren, die „Vorschub leisteten“, dann war es eben keiner. Wie gehabt.
Das ist der Kern der geschichtspolitischen Auseinandersetzung, die wir führen. Das macht übrigens – entgegen dem ganzen Humbug, der erzählt wurde – noch einmal deutlich, warum die Weimarer Republik zerstört worden ist, nämlich im Bündnis von Großindustrie, von Rechtsradikalen und den deutschnationalen konservativen Parteien. Das hat die Weimarer Republik zerstört. Das möchte ich hier angesichts all des Unsinns, der sonst erzählt wurde, klar aussprechen.
(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der AfD)
– Ja, das ist die Traditionslinie, in der Sie stehen.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist Ihr Geschichtsverständnis!)
Zum Vierten. Es geht hier natürlich auch ganz schlicht um Geld. Es geht hier nicht um Tradition – oder was weiß ich, was alles erzählt wird – von irgendwelchen Adelshäusern. Es geht schlicht um Kohle. Das kann ich auch belegen. Gucken wir einmal auf die Versteigerung der Hohenzollern im Jahre 2017 im Auktionshaus Sotheby’s.
Bevor wir uns dies angucken, darf ich noch mal fragen: Erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung, diesmal des Kollegen Hampel, AfD?
(Dagmar Ziegler [SPD]: Nein! Das ist so schön so!)
Nein. – Bei Sotheby’s wurde im Jahr 2017 Folgendes verscherbelt: ein vergoldetes Trinkgefäß von Friedrich I. im Wert von 2,6 Millionen Euro und fünf Gemälde, unter anderem mit Ansichten vom Berliner Stadtschloss, inklusive Einrichtungsgegenstände. – Das ist das Stadtschloss, für dessen Wiederaufbau mehr oder minder aufgeklärte bürgerliche Kreise wahnsinnigerweise sehr viel Geld gesammelt haben;
(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Irre!)
aber das ist eine andere Diskussion. Diese Gegenstände wurden dort jedenfalls verscherbelt. Staatsministerin Professor Grütters hat natürlich durch und durch recht, wenn sie sagt, dass national wertvolle Kunstwerke – Zitat – natürlich in ein Museum gehören und der Allgemeinheit zugänglich gemacht und nicht auf den internationalen Kunstmärkten verramscht werden sollen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Fünftens. Jenseits der ganzen Frage der Verstrickung in den Nationalsozialismus gibt es noch einiges andere, was man mal aufarbeiten könnte; das will ich schon noch mal sagen. Ganz grundsätzlich: In der Geschichte des Adels und der Monarchie beruhte natürlich der wesentliche Teil des unermesslichen Reichtums der Adelshäuser darauf, dass sie die Bevölkerung oder, klassisch gesagt, das Volk ausgeplündert haben, und nicht auf eigener Hände Arbeit, um das hier auch mal klar zu sagen. Wer hat denn die Schlösser und Burgen gebaut? Das waren nicht die Monarchen, die mit der Maurerkelle Hand angelegt haben. Das waren die Arbeiterinnen und Arbeiter. Daran sollte man vielleicht mal ganz grundsätzlich erinnern.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Im Übrigen: Wenn wir über die Familie Hohenzollern und die Geschichte reden, will ich auch noch mal an die Verbrechen der Kolonialzeit erinnern. Das wäre etwas, das Sie aufarbeiten sollten. Da wurde noch nie über Entschädigungen gesprochen.
Also: Ich kann namens der Fraktion Die Linke nur sagen: Es kann keine Geheimverhandlungen mehr geben, keine außergerichtlichen Absprachen. Hier müssen jetzt die Gerichte entscheiden. Forderungen der ehemaligen Adelshäuser sind für die Zukunft gesetzgeberisch auszuschließen. Denn das ist der Kernbestandteil der Demokratie: die Herrschaft der vielen, die Herrschaft der Bevölkerung und nicht die Herrschaft irgendwelcher selbsternannten Adeligen mit komischen Namen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Jan Korte. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Hampel von der AfD-Fraktion.
(Stefan Gelbhaar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Gauland redet doch gleich!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7414009 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Entschädigung der Erbengemeinschaft Hohenzollern |