16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 10

Alexander GaulandAfD - Entschädigung der Erbengemeinschaft Hohenzollern

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst einmal: Das deutsche Volk hat seine depossedierten Fürsten nach der Katastrophe von 1918 gut behandelt. Friedrich Ebert schickte dem pflichtvergessenen Kaiser 60 Güterwagen mit seiner persönlichen Habe ins holländische Exil nach. Im Haus Doorn kann man sie heute noch besichtigen. Auch bei der Fürstenabfindung 1926 – es ist darüber gesprochen worden – blieben die Herrscherhäuser im Besitz von Schlössern, Gütern, Wäldern und Äckern.

Erst die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, die Maßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht und die Verluste der deutschen Ostgebiete an die Sowjetunion und Polen machten aus den nach 1918 immer noch sehr wohlhabenden Hohenzollern eine fast normale bürgerliche Familie. Für diese gilt – Frau Motschmann hat es gesagt – nach dem Einigungsvertrag wie für alle anderen Geschädigten auch: Rückgabe der beweglichen Habe und Entschädigung für endgültig verlorenen Immobilienbesitz. Wir leben Gott sei Dank in einem Rechtsstaat.

(Beifall bei der AfD)

Die Gespräche zwischen dem Haus Hohenzollern, der Bundesregierung und den Ländern Berlin und Brandenburg laufen noch – sie laufen übrigens schon seit 2014 –, da beginnen sich plötzlich revolutionäre Töne in die Verhandlungen einzuschleichen.

(Lachen der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])

Denn Entschädigung und Rückgabe entfallen, wenn der Geschädigte dem Nationalsozialismus in erheblicher Weise Vorschub geleistet hat.

Genau diesen eigentlich historischen Streit, der ohne Einigung am Ende wohl vor Gericht ausgetragen werden wird, möchte Die Linke vorab politisch entscheiden. Für Sie sind die Hohenzollern schuldig und verdienen keinen Cent Entschädigung.

(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Für jeden Demokraten sind die schuldig!)

Nun besteht kein Zweifel, dass der letzte Kaiser in Doorn, sein ältester Sohn, der frühere Kronprinz, und einige seiner Brüder, besonders Prinz August Wilhelm, weder klug noch leidenschaftliche Demokraten waren, um das Mindeste zu sagen. Ja, und ich weiß: Es gibt die Bilder, auf denen der Kronprinz mit Hitler posiert, zum Beispiel am Tag von Potsdam. Ja, sie hofften auf eine italienische Lösung – Faschismus und Monarchie –, wenigstens einige, eine Lösung, die allerdings für Hitler nie infrage kam.

Da sind wir bei den intellektuellen Fähigkeiten der damaligen Hohenzollern. Sie waren doch sehr bescheiden. Die des Kronprinzen hat schon sein Vater nicht gerühmt.

(Lachen bei der LINKEN – Simone Barrientos [DIE LINKE]: Jetzt wollen Sie mit „Blödheit“ argumentieren!)

Sie waren sehr bescheiden, sodass viel für das Urteil von Christopher Clark spricht. Sie konnten mangels intellektueller und politischer Masse dem Nationalsozialismus nicht in erheblicher Weise Vorschub leisten.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])

Ja, ich weiß, meine Damen und Herren: Man kann das alles auch kritischer sehen – regen Sie sich nicht auf! –, und andere Historiker sehen das auch kritischer. Dass aber ausgerechnet Die Linke sich hier zum Richter aufschwingen will, ist an Heuchelei nicht zu überbieten, Herr Korte.

(Beifall bei der AfD)

Denn es waren doch Ihre geistigen Väter, die Kommunisten, die mit dem Kampf gegen den Sozialfaschismus, also die Sozialdemokratie,

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Yasmin Fahimi [SPD]: Ho, ho, ho!)

eine Abwehrfront gegen die Nazis verhinderten. Und schlimmer noch: Beim BVG-Streik 1932 haben sie gemeinsame Sache mit den Nationalsozialisten gemacht.

(Beifall bei der AfD)

Im Streikkomitee zogen Walter Ulbricht und Joseph Goebbels, der Gauleiter von Berlin, gemeinsam die Fäden. Das ist die Vergangenheit Ihrer Partei, Herr Korte.

(Beifall bei der AfD)

Wer im Glashaus sitzt, meine Damen und Herren und,

(Jan Korte [DIE LINKE]: Ganz genau, Herr Gauland: Wer im Glashaus sitzt!)

ich sage, liebe Kollegen von der Linken, sollte nicht mit Steinen auf die Hohenzollern werfen. Deshalb sollten diese Verhandlungen – Frau Motschmann hat es völlig richtig gesagt – mit dem Ziel einer Einigung fair zu Ende geführt werden.

Schließlich gibt es nicht nur den letzten Kaiser und seinen missratenen Sohn, sondern eine Familie, die nicht weit von hier aus der Streusandbüchse des Alten Reiches ein ästhetisch vollkommenes Arkadien geschaffen hat, an dem sich auch heute Millionen Besucher des In- und Auslands jedes Jahr erfreuen. Ja, ich kenne die Einwände des lesenden Arbeiters. Herr Korte hat es auch wieder versucht. Er hat Bertolt Brecht nicht zitiert, aber genau in die Richtung geht es.

(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Oje! – Jan Korte [DIE LINKE]: Ich habe ihn verstanden!)

Nur, am Ende, meine lieben Kollegen von den Linken, war es Friedrich, der Sanssouci geschaffen hat, und nicht der Maurer mit der Kelle; denn er hat es entworfen.

(Beifall bei der AfD – Simone Barrientos [DIE LINKE]: Wo kam denn die Kohle her?)

Seien wir also gnädig mit den Hohenzollern. Sie haben nur die Fehler gemacht, die leider viele unserer Großväter und Großmütter millionenfach auch gemacht haben. Insofern waren sie, was schon Walther Rathenau kurz nach der Niederlage von 1918 über Wilhelm II. festgestellt hat: ein fast perfektes Symbol für die Verirrungen eines Volkes, bei denen wir sie jetzt nicht alleine lassen sollten.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der AfD)

Nächster Redner in der Debatte: Helge Lindh für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414013
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Entschädigung der Erbengemeinschaft Hohenzollern
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