Hartmut EbbingFDP - Entschädigung der Erbengemeinschaft Hohenzollern
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manche Anträge, die wir hier in diesem Haus diskutieren, verwundern mich schon sehr. Der hier vorgelegte Antrag der Linken besteht eigentlich nur aus simplifiziertem Klassenkampf und verfassungsrechtlich bedenklichen Kollektivierungsfantasien; das muss ich einfach so sagen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Tatsache, dass Sie behaupten, jegliche Entschädigungsansprüche aus Entscheidungen der sowjetischen Militäradministration seien grundsätzlich auszuschließen, offenbart einmal mehr Ihre ideologische Nähe zum sozialistischen Gedankengut der Sowjetunion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Noch viel grotesker ist aber der Forderungskatalog aus Ihrem Antrag. Darin fordern Sie zunächst den Abbruch der Verhandlungen mit der Familie Preußen und die Wiederaufnahme des gerichtlichen Prozesses. Das ist zwar nicht meine Meinung, aber durchaus noch vertretbar. Aber dann entlarven Sie sich; denn anstatt ein solches von Ihnen gefordertes Urteil zu akzeptieren, fordern Sie für den Fall, dass Ihnen das Urteil nicht passt, eine erneute umfängliche Enteignung der Familie Preußen.
(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Ui, ui, ui! Schlimm, schlimm!)
– Ja, das steht in Ihrem Antrag. – Da frage ich mich schon, ob Sie noch auf dem Boden der Verfassung stehen oder sich nicht insgeheim die Wiedererrichtung eines Unrechtsstaates wünschen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Das machen die ganz offen!)
Die Bundesrepublik Deutschland ist jedoch zum Glück noch immer ein Rechtsstaat, und daher sind vor dem Gesetz alle Bürger gleich, egal ob sie Meyer, Müller, Wagenknecht oder Preußen heißen. Wer in der Bundesrepublik Deutschland einen rechtmäßigen Anspruch besitzt, kann diesen unabhängig von Alter, Geschlecht, Sexualität, Herkunft oder Namen geltend machen. Der Rechtsstaat schützt nicht nur das gesellschaftliche Miteinander, sondern auch den einzelnen Bürger vor potenziellen Übergriffen des Staates. Ein Grundpfeiler des Schutzmechanismus ist das Zugestehen eines fairen Verfahrens. Essenzieller Teil eines solchen rechtsstaatlichen Verfahrens sind auch Verhandlungen zwischen Konfliktparteien. Nur so ist es oftmals möglich, eine für beide Seiten akzeptable Lösung herbeizuführen. Dies gilt naturgemäß insbesondere für komplexe Sachverhalte, wie wir sie hier festgestellt haben.
Obwohl einige schon etwas dazu vorgetragen haben, möchte ich den Fall etwas genauer darstellen. Für Entschädigungen bei Enteignungen durch die sowjetische Militäradministration zwischen 1945 und 1949 verabschiedete der Bundestag 1994 das Ausgleichsleistungsgesetz. Dieses sah einen symbolischen finanziellen Ausgleich für den Verlust von Immobilien vor sowie die Rückgabe von Mobilien. Diese Ansprüche verfallen jedoch, wenn der Anspruchsteller oder derjenige, von dem der Anspruchsteller seinen Anspruch ableitet, dem nationalsozialistischen Regime „erheblichen Vorschub geleistet hat“. Im Fall Preußen streiten sich darüber seit Jahren namhafte Historiker. Das ist wirklich ein Streit. Hier ist keine eindeutige Meinung zu sehen, sondern es ist ein Streit zwischen Historikern und Juristen. Wie ein Gericht dieses Ausschlusskriterium bewerten würde – auch nach Vorlage weiterer Gutachten –, ist, finde ich, pure Hellseherei und vollkommen ungewiss.
Im Fall von Mobilien und Immobilien hingegen, die während der sowjetischen Besatzungszeit nicht zweifelsfrei enteignet wurden oder unter Sequestrationsgewalt gestellt worden sind oder erst nach Gründung der DDR enteignet worden sind, gilt nicht das Ausgleichsleistungsgesetz, sondern das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, besser bekannt als: Vermögensgesetz. Im Vermögensgesetz steht nichts davon, dass die Rückgabe ausgeschlossen ist, wenn dem Nationalsozialismus erheblich Vorschub geleistet worden ist. Wenn die Ansprüche nach Vermögensgesetz durchgehen, dann muss nach Gesetz zurückgegeben werden. Im Fall der Familie Preußen ist nach meiner Kenntnis noch nicht ansatzweise geklärt, welche Kunstgegenstände wann genau enteignet worden sind und ob sie somit unter das Ausgleichsleistungsgesetz fallen oder unter das Vermögensgesetz. Nachweispflichtig hierfür ist nach meiner Kenntnis der Staat. Sollten Kulturgüter unter das Vermögensgesetz fallen, müssten diese ohne Zweifel vollumfänglich zurückgegeben werden, und der Staat hätte grundsätzlich keinerlei Einfluss auf den öffentlichen Zugriff.
Der Fall ist also höchst komplex und würde die Gerichte über Jahre oder Jahrzehnte beschäftigen und könnte womöglich verheerende Auswirkungen für die öffentlichen Museen haben. Deswegen finde ich es richtig und auch gut, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern Berlin und Brandenburg in Verhandlungen mit der Familie Preußen eingetreten ist und damit dem Beispiel aller anderen ostdeutschen Landesregierungen folgt. Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern haben allesamt gütliche Einigungen durch Verhandlungen mit den jeweiligen Adelsfamilien erzielt. Nur so war es möglich, dass wir heute alle weiterhin die Klassik Stiftung Weimar und ihren unschätzbaren kulturellen Wert öffentlich genießen können.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auch die Sammlung im Grünen Gewölbe in Dresden wäre ohne eine gütliche Einigung nicht denkbar. Welchen unschätzbaren emotionalen Wert diese Sammlung in Dresden hat, wissen wir seit dem tragischen Einbruch vor Kurzem.
Für die öffentlichen Museen kann ein Gerichtsverfahren zu massiven und unkalkulierbaren Verlusten führen, die nie mehr rückgängig zu machen wären. In Verhandlungen allerdings kann man sicherstellen, dass ein größtmöglicher Teil der Kulturgüter durch Nutzungsverträge weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleibt und nicht meistbietend bei Christie’s und Sotheby’s im Ausland verkauft wird. Solche Verhandlungen erlauben es, die Familie von Preußen im Gegensatz zu Rückübertragungen vertraglich dazu zu verpflichten, die große Mehrheit der Kunstgegenstände sowohl aus West- als auch aus Ostvermögen über Dauerleihgaben und individuelle Vereinbarungen für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten. Dies wäre nicht nur für die kulturelle Vielfalt der Bundesrepublik von enormer Bedeutung, sondern auch für die kulturelle Bildung nachfolgender Generationen; denn wenn wir dauerhaft den öffentlichen Zugang zu diesen Kulturgütern verlieren würden, wäre das ein kaum zu bemessender Verlust für unsere Gesellschaft.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gleichwohl fordern wir beide Seiten auf, die seit 2014 bestehenden Verhandlungen nunmehr zügig abzuschließen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Kollege Ebbing. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Erhard Grundl.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7414015 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Entschädigung der Erbengemeinschaft Hohenzollern |