16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 25

Patrick SensburgCDU/CSU - Abschließende Beratung ohne Aussprache

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist guter Brauch, dass am Ende einer Wahlprüfung – jetzt geht das Wahlprüfungsverfahren zur Europawahl zu Ende – der Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses kurz über die Prüfungen und über die Einsprüche Bericht erstattet, sodass wir das Wahlprüfungsverfahren hier im Plenum abschließen können.

Wir haben mit 100 Wahleinsprüchen gegen die Europawahl heute die letzte Tranche dieser Einsprüche zu beschließen. Damit ist die Wahlprüfung zur Europawahl abgeschlossen. Für diejenigen, die sich jetzt fragen, warum der Deutsche Bundestag über Einsprüche gegen die Europawahl entscheidet: Das liegt daran, dass wir eben kein einheitliches Europawahlgesetz haben und nicht einheitlich in Europa vorgehen, sondern dass die Mitgliedstaaten dies selber regeln; das trifft auch auf die Wahlprüfung zu. Deswegen führen wir die Wahlprüfung der deutschen Einsprüche gegen die Europawahl durch.

Sie erinnern sich alle an die Europawahl – das Datum hat die Präsidentin gerade genannt – und daran, wie erfolgreich sie war, was die Wahlbeteiligung anbetrifft: 61 Prozent der Wahlberechtigten haben in Deutschland an der Wahl teilgenommen; das sind 13 Prozentpunkte mehr als bei der Wahl 2014. Das ist eine starke demokratische Legitimierung für das Europaparlament, und es zeigt auch die gestiegene Bedeutung Europas und die neue Position des Europaparlaments.

Besonders danken möchte ich an dieser Stelle den 600 000 – Sie hören richtig – Wahlhelferinnen und Wahlhelfern, die bei der Europawahl diese demokratische Legitimierung mit erreicht haben. Ihnen gilt der Dank des Bundestages, meine Damen und Herren.

(Beifall im ganzen Hause)

Aber – das ist auch klar – wenn so ein großer Wahlakt stattfindet, wenn die Wahlbeteiligung so zunimmt, dann kann es auch zu Problemen und Fehlern kommen, und die prüfen wir natürlich. Die deutlich gestiegene Wahlbeteiligung hat in dem einen oder anderen Wahllokal dazu geführt, dass nicht ausreichend Stimmzettel vorhanden waren, dass Stimmzettel nachbestellt werden mussten. Dadurch ist es zu langen Wartezeiten gekommen. Es hat vor einigen Wahllokalen sogar lange Schlangen gegeben, bis dann endlich gewählt werden konnte. In einzelnen Fällen war die Schlange bis zur Schließung des Wahllokals so lang, dass dementsprechend gar keine Wahl mehr vorgenommen werden konnte. Wir haben natürlich intensiv den Dialog mit dem Bundeswahlleiter und den entsprechenden Wahlleitern gesucht, damit dies auf jeden Fall nicht mehr vorkommt.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Wahlzettel aufgrund der größeren Anzahl der Parteien sehr lang bzw. deutlich länger waren. Teilweise ist es bei der Auszählung dazu gekommen, dass die Wahlhelfer das erste Kreuz auf dem langen Wahlzettel gesehen haben, ihn aber nicht vollständig ausgefaltet haben und so ein zweites Kreuz übersehen haben, das die Wahl ungültig gemacht hat. Von daher ist es zu der ein oder anderen Situation gekommen, die uns veranlasst hat, hier nachzusteuern und die Schulung der Wahlhelfer noch einmal zu intensivieren.

Auch gab es bei der Europawahl Parteien, insbesondere im Bereich des Tierschutzes, die sehr ähnliche Namen haben. Eine Partei nannte sich beispielsweise „Allianz für Menschenrechte, Tier- und Naturschutz“; es gab aber auch die „Aktion Partei für Tierschutz“ oder die „Partei für die Tiere Deutschland“. Da kann der Wahlprüfungsausschuss nichts machen; aber wir werden noch mal den Dialog darüber anregen, wie wir so etwas lösen können.

Insgesamt kann man sagen: In der Wahlprüfung gibt es zwei Kriterien, die zu beachten sind: Erstens. Es muss ein Wahlfehler vorliegen, um eine Wahl zu beanstanden. Der zweite Punkt ist, dass dieser Fehler auch wirklich relevant sein musste für die Verteilung der Mandate. Das ist also eine sehr hohe Hürde.

Wir haben bei allen Einsprüchen nur viermal subjektive Wahlrechtsverletzungen festgestellt. Alle diese subjektiven Wahlrechtsverletzungen haben aber nicht dazu geführt, dass es auf die Verteilung der Mandate einen Einfluss gehabt hätte, dass es relevant war. Daher haben wir alle Wahlprüfungseinsprüche zurückgewiesen. Das haben wir einstimmig gemacht.

Es gibt zwei große Bereiche, die wir als besonders relevant herausstellen wollen. Das ist erstens die Frage des Wahlalters. Es gab allein 30 teilweise wortgleiche Einsprüche von Minderjährigen, die gesagt haben: Wir erheben Einspruch gegen die Europawahl, weil man erst mit 18 wählen darf. – Es gibt Länder in Europa, beispielsweise Österreich und Malta, in denen das Wahlalter bei 16 Jahren liegt. Es gibt aber auch gute Argumente dafür, das Wahlalter bei 18 Jahren zu belassen. In 25 der 28 EU-Staaten liegt das Wahlalter bei 18 Jahren. Aber das ist eine politische Entscheidung; es ist keine Entscheidung, die man über den Wahlprüfungsausschuss anfechten kann. Diese politische Entscheidung muss der Bundestag treffen. Wahleinsprüche dagegen sind dementsprechend zurückzuweisen. Ich möchte ergänzen, dass in Deutschland die Verfassungsgemäßheit nicht vom Wahlprüfungsausschuss geprüft wird, sondern selbstverständlich vom Bundesverfassungsgericht.

Der zweite und letzte Block – dann komme ich auch schon zum Ende – sind die Einsprüche gegen die Briefwahl. Das ist ein Thema, mit dem wir uns im Zusammenhang mit dem Wahlrecht sicherlich beschäftigen müssen. Der Briefwahlanteil nimmt immer mehr zu. Das ist gut so. Aber gleichzeitig müssen wir auch wissen, dass bei einem Briefwahlanteil von fast 30 Prozent in einem Zeitraum von vier bis acht Wochen jeden Tag Wahltag ist. Darauf wird man in Zukunft auch bei der Änderung des Wahlrechts zum Beispiel für die Bundestagswahlen sicherlich das Augenmerk legen müssen. Aber auch hier waren die Einsprüche zurückzuweisen.

Alles in allem beendet der Wahlprüfungsausschuss damit seine Prüfung der 100 Einsprüche gegen die Wahl zum Europäischen Parlament. Schlussfolgerungen werden wir in der nächsten Sitzung des Wahlprüfungsausschusses treffen, nämlich für die Personen, auf denen unser besonderes Augenmerk liegt, für die wir den Zugang zur Wahl erleichtern wollen. Das sind zum Beispiel Obdachlose. Es geht um Barrierefreiheit in Wahllokalen. Es geht aber zum Beispiel auch um die Frage: Können unsere Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätzen wirklich ungehindert an einer Wahl teilnehmen, auch wenn zum Beispiel der Flieger zurück mal drei Wochen später als geplant geht? Es geht auch um die Fragen: Wie ist es bei den Insassen einer JVA? Ist da der ungehinderte Zugang zur Wahl möglich? Damit beschäftigen wir uns in sogenannten Prüfbitten in der nächsten Sitzung des Wahlprüfungsausschusses. Wir werden dann zu diesen Fragen zu weiteren Empfehlungen kommen.

Zum Abschluss danke ich allen Kolleginnen und Kollegen des Wahlprüfungsausschusses für die sehr konsensuale, kooperative und kollegiale Zusammenarbeit. Wir haben alle Einsprüche einstimmig beschieden. Ich danke außerdem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats des Wahlprüfungsausschusses, die alle Einsprüche exzellent für uns vorbereitet haben. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, der Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Sensburg.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414027
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Abschließende Beratung ohne Aussprache
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