Christian HaaseCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Schutz von Kommunalpolitikern, Polizei und Rettungskräften
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche heute zu Ihnen unter dem Eindruck von drei Lebenserfahrungen: zuerst vor dem Hintergrund meines ehemaligen Berufes als Bürgermeister. Dann bin ich kommunalpolitischer Sprecher meiner Fraktion und vertrete die Kommunen damit insgesamt. Schließlich spreche ich zu Ihnen als Politiker. Die Hauptaufgabe eines Politikers, egal auf welcher politischen Ebene, sehe ich darin, Ausgleich zu schaffen und zu vermitteln.
Meine Damen und Herren, es gibt zahlreiche Situationen und Themen, in denen sich auch Kommunalpolitiker Hass, Hetze und Gewalt ausgesetzt sehen. Das hat unterschiedliche Gründe: Viele Diskussionen werden vor Ort leidenschaftlich, mitunter auch hart in der Sache geführt. Als Bürgermeister war ich seinerzeit gezwungen, eine Kita zu schließen; es waren schlichtweg zu wenige Kinder da. Sie können sich vorstellen, was da los war: eine hitzige, lautstarke Debatte, abendliche Besuche besorgter Eltern – emotional in der Sache, aber ohne persönliche Angriffe. Das war 2009.
Seitdem hat sich viel getan. Heute gibt es wieder mehr Kinder; das ist positiv. Aber das gesellschaftliche Klima hat sich verändert. Heute polarisieren vor Ort Themen wie der Ausbau der Windenergie, die Erhöhung von Steuern oder die Verteidigung von Straßenausbaubeiträgen. Es sind Themen, die die Menschen ganz konkret in ihrem Lebensalltag tangieren, sei es auf dem Gehaltszettel, in ihrer Straße oder in ihrer Aussicht.
Aufgabe von Politik, auch von Kommunalpolitik, ist es, faktenorientiert und sachlich Zusammenhänge zu erklären und zu entscheiden, immer mit der Frage im Hinterkopf: Wie schaffen wir das alles, ohne die Gesellschaft zu spalten, ohne die Wirtschaft und die Bürger zu überfordern? Denn so stelle ich mir eine Politik der Vernunft vor.
Manche Kritiker und Aktivisten hingegen machen es sich sehr einfach, zum Beispiel beim Klimaschutz. Es wird bewusst emotional aufgeladen, mit Aussagen gearbeitet wie: „Hier herrscht Notstand“, „Das Haus brennt“ oder „Ich will, dass ihr in Panik geratet“. Wer will das eigentlich ernsthaft, eine Gesellschaft in Panik? Das ist unseriös und weit weg von der sachlichen und lösungsorientierten Problemfindung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Anton Friesen [AfD])
Solche Auseinandersetzungen, meine Damen und Herren, polarisieren. Diskussionen werden viel zu oft mit Häme, mit Vorwürfen und sogar mit persönlichen Attacken geführt. Die Hemmschwelle von der verbalen Attacke zum tatsächlichen Drohszenario oder zu einem Anschlag wie dem, dem das Büro von Karamba Diaby ausgesetzt war, ist dann kleiner, als viele denken.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines sagen: Hetze und Gewalt gegen Kommunalpolitiker, Polizisten und Rettungskräfte sind im Grunde nur die Spitze des Eisbergs. Es fängt doch schon im Ehrenamt insgesamt an. Fragen Sie mal die Schiedsrichter, die jede Woche in den Amateurklassen unterwegs sind!
Was ist die Folge? Einige Kommunalpolitiker wollen sich bewaffnen. Andere führen Sicherheitsüberprüfungen ihrer Häuser durch. Die stillste, aber häufigste Entscheidung ist: Ich trete nicht wieder an. – Ist das unsere Vorstellung von Demokratie? Nein. Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Wir brauchen Politiker, die sich unliebsamen Themen öffnen, und das im täglichen Eins-zu-eins mit den Bürgern, wie es unsere Kommunalpolitiker erleben.
Meine Damen und Herren, die Verrohung der Gesellschaft ist nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Sogenannte soziale Medien haben ihren Anteil daran und sind Treiber dieser gesellschaftlichen Entwicklung. Hier lässt sich unter dem Deckmantel der Anonymität leicht herumpöbeln. Wir müssen also dafür sorgen, dass die Bereitschaft, Kommunalpolitiker und andere Betroffene zu bedrohen, wieder sinkt.
Wir Kommunalen fordern daher eine Klarnamenpflicht im Internet und in sozialen Netzwerken; denn wir brauchen eine klare und einfache Identifizierungsmöglichkeit, um den Ermittlungsbehörden die Arbeit zu ermöglichen. Wir fahren ja schließlich auch alle mit einem Autokennzeichen: weil jeder Verantwortung für das übernehmen muss, was er im Straßenverkehr macht oder auch falsch macht. Wenn die Identifizierung im Internet so einfach wie am Stammtisch ist, dürfte auch digital die soziale Kontrolle funktionieren und Hass, Hetze und Gewalt im Zaum halten.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Was wir noch brauchen, sind gut ausgestattete Schwerpunktstaatsanwaltschaften, aber auch entsprechend sensibilisierte Ermittlungsbeamte. Bisher passiert außer der Einstellung von Verfahren leider recht wenig.
Abschließend will ich sagen: Solange der Eindruck entsteht, einen Kommunalpolitiker, Rettungskräfte, Polizisten oder andere zu beleidigen oder zu bedrohen, sei ein Kavaliersdelikt, wird sich nichts ändern. Schweigen wir nicht!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Helge Lindh.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7414048 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Schutz von Kommunalpolitikern, Polizei und Rettungskräften |