16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 11

Frank HeinrichCDU/CSU - Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Viele von uns tragen eine Brille, die einen wegen einer Kurz-, die anderen wegen einer Weitsichtigkeit. Manche müssen einfach nur schärfer sehen, um das Kleingedruckte besser wahrnehmen zu können. Schärferes Sehen – klarere Wahrnehmung: Insofern ist dieser Gesetzentwurf richtig. Wir wollen klarer wahrnehmen, und zwar durch eine Wohnungslosenberichterstattung sowie eine Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen.

(Beifall des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU])

Wir wollen das Kleingedruckte lesen. Wir wollen die von vielen nicht so stark wahrgenommenen Bereiche unserer Gesellschaft besser zur Kenntnis nehmen.

Ich freue mich ebenso wie meine Kollegin von der SPD über den breiten Konsens in diesem Gesetzgebungsverfahren. Ich bin überzeugt: Wir haben etwas Gutes auf den Weg gebracht. Ein großes Dankeschön an alle, die dazu beigetragen haben, den Kolleginnen und Kollegen hier im Bundestag, den Fraktionsreferenten, den Mitarbeitern, den Vertretern der Verbände, die in diesem Bereich arbeiten – sie haben uns mit ihren Einschätzungen bereichert –, und dem BMAS, Herr Minister Heil, für die konstruktive Zusammenarbeit.

Aber die eigentliche Arbeit beginnt natürlich erst jetzt. Es handelt sich um eine neue bundesweite Statistik. Die auskunftgebenden Stellen müssen bestimmt und gegebenenfalls ertüchtigt werden: Software, Erhebungsdurchführung, Konzeption, Entwicklung. Prinzipiell kommt diese Aufgabe auf 10 800 Gemeinden in Deutschland zu. Das Statistische Bundesamt plant eine sehr intensive Vorbereitung. Ich bin sehr gespannt auf die erste Erhebung im Jahr 2022.

Wie schon öfter hier erwähnt, habe ich selber in diesem Bereich als Sozialarbeiter gearbeitet, als Heilsarmeeoffizier, habe Menschen unter Brücken besucht, wie die Stadtmissionen hier in Berlin mit dem Kältebus. Ich habe Menschen in den kältesten Nächten Tee oder Kaffee gebracht. Ich erinnere mich an Otto. Eines Nachts fand die Polizei ihn tot unter seiner Brücke. Er hatte, weil es eine besonders kalte Nacht war, besonders viel von etwas Härterem getrunken, um sich neben dem guten Schlafsack bestens auszustatten. Wegen des Mehr-Trinkens musste er aber einmal mehr raus. Und wegen des Mehr-Trinkens hat er es nicht geschafft, wieder hundertprozentig in seinen Schlafsack zu schlüpfen. In der Nacht starb er. – Ich möchte, dass die Ottos dieser Gesellschaft besser wahrgenommen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte, dass wir nicht nur Flickschusterei betreiben. Natürlich machen wir gute Arbeit, empfangen die Menschen und besuchen sie; aber wir müssen reinleuchten, wir müssen wahrnehmen, neben dem Unter-die-Brücken-Gehen. Es bedarf möglicherweise struktureller Veränderungen, wenn wir diesen Menschen besser gerecht werden wollen. Dafür brauchen wir diese Datengrundlage. Ich freue mich, dass wir die jetzt in Auftrag geben.

Wir haben auch eine umfangreiche ergänzende Berichterstattung in Auftrag gegeben. Sie umfasst die sogenannten Couchsurfer, Menschen ohne jede Unterkunft, also auch Obdachlose. Ebenso wichtig ist das, was wir im zweiten Schritt in den Änderungsantrag hineingeschrieben haben, die Revisionsklausel: Wenn die ersten Daten vorliegen, wollen wir herausfinden, was wir noch besser machen können. Müssen wir die Statistik möglicherweise erweitern und andere Bereiche hinzunehmen?

Wir haben noch drei weitere Aspekte in den Gesetzentwurf aufgenommen. Einen finde ich sehr charmant. Das ist nah an dem, was ich „von der Stadtmission zur Seemannsmission“ genannt habe. Wir haben im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen dafür gesorgt, dass 500 000 Euro mehr für Seemannsklubs und Seemannsheime zur Verfügung gestellt werden, die sich in kirchlicher Trägerschaft um Seeleute kümmern, die gestrandet sind. Das nehmen wir ins Gesetz auf.

Ich danke Ihnen für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Formulierung dieses Gesetzentwurfs. Für mich ist dies ein guter Tag.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Hagen Reinhold, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Personen

Dokumente

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414057
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit
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