16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 140 / Tagesordnungspunkt 11

Elke Breitenbach - Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass der Bundesgesetzgeber endlich eine bundesweit einheitliche Wohnungslosenstatistik einführen möchte.

Herr Reinhold, ich weiß nicht, wie Sie auf die kühne Idee kommen, dass es in Berlin oder anderswo in diesem Lande weniger Obdachlose als früher gibt. Das stimmt nicht.

(Hagen Reinhold [FDP]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

Ich kann Ihnen sagen: In Berlin haben wir allein 36 000 Menschen staatlich untergebracht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist die Zahl, die ich Ihnen nennen kann.

Wir brauchen Daten. Wir brauchen Studien. Wir brauchen Grundlagen, um die Wohnungslosenhilfe zu verbessern und zu verändern. Deshalb brauchen wir eine Wohnungslosenstatistik.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig sage ich aber auch: Das, was jetzt vorgeschlagen wurde, kann nur ein Einstieg sein. Die Zahlen – ich habe jetzt für uns die Zahl von 36 000 Menschen genannt; das ist eine der Zahlen, die Sie erfassen wollen –, die Sie nicht erfassen, sind die Zahlen der Menschen, die auf der Straße leben, darunter sehr, sehr viele EU-Bürgerinnen und -Bürger. Sie kennen das Problem, dass ganz viele von ihnen keinen Anspruch auf Leistungen haben. Die Bundesregierungen der letzten Jahre haben hier die Daumenschrauben immer weiter angezogen; eine große Herausforderung für uns.

Wir erfassen auch nicht diejenigen, die in der Kältehilfe sind; das wurde gerade genannt. Das ist tatsächlich ein Problem. Es wird uns auch in Schwierigkeiten bringen, wenn wir das nicht angehen. Also, ich wünsche mir hier tatsächlich eine zügige Weiterentwicklung von einer Wohnungslosenstatistik hin zu einer Wohnungsnotfallstatistik. Das ist, glaube ich, die Herausforderung, vor der wir in den nächsten Jahren alle stehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir in Berlin versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir werden nämlich das erste Mal in Deutschland eine Nacht der Solidarität durchführen. Das heißt, wir werden in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar mit fast 4 000 freiwilligen Zählerinnen und Zählern durch Berlin ziehen, und zwar durch die ganze Stadt. Wir werden Menschen auf der Straße zählen. Wir werden sie befragen, und wir werden sie über das Hilfssystem informieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann haben wir irgendwann die Ergebnisse. Diese Ergebnisse stellen wir der Bundesebene sehr gerne zur Verfügung. Ich hoffe – ich freue mich, dass wir auch Zählerinnen und Zähler von den Behörden aus München und aus Hamburg dabeihaben –, dass wir den ersten Schritt machen und dass viel mehr Menschen in diesem Land diesen Weg mitgehen und wir gemeinsam zu einer vernünftigen Wohnungsnotfallstatistik kommen und uns um die Menschen auf der Straße kümmern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage zum Schluss noch einen Satz. Zentral ist tatsächlich, dass wir bezahlbaren Wohnraum haben. Wir brauchen sehr viele präventive Maßnahmen. Wenn jemand eine Wohnung verloren hat und nicht unglaublich viel Geld verdient, findet er oder sie auch keinen neuen Wohnraum. Das ist in Berlin so, aber auch in anderen Orten. Deshalb ist es natürlich sinnvoll, ein Grundrecht auf Wohnraum im Grundgesetz zu verankern.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, weder eine Statistik noch eine Verankerung im Grundgesetz führt automatisch dazu, dass sich irgendwas von jetzt auf gleich verändert. Aber es ist ein Zeichen. Es ist für uns alle ein Maßstab, diese Veränderungen herbeizuführen. Das würde ich mir wünschen.

Wohnungslose und obdachlose Menschen sind Teil dieser Gesellschaft. Genau so sollten wir sie alle behandeln. Da haben wir die Verantwortung, sie zu unterstützen, ihnen zu helfen. Dafür brauchen wir die Daten. Ein erster Schritt ist gemacht. Ich hoffe, wir gehen die weiteren Schritte gemeinsam.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Senatorin. – Als nächster Redner hat der Kollege Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Electoral Period 19
Session 140
Agenda Item Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit
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