16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 11

Karsten MöringCDU/CSU - Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wohnungslosenstatistik, über die wir heute beraten und deren Einführung wir heute beschließen, folgt einem breiten und, wie wir gehört haben, auch einem seit vielen Jahren bestehenden Wunsch. Gleichwohl hat die Beratung zur zweiten und dritten Lesung gezeigt, wie methodisch schwierig das ist und was man dabei beachten muss. Die Tatsache, dass wir bisher nur in drei Ländern solche Statistiken haben, ist, denke ich, nicht nur auf bösen Willen zurückzuführen, sondern auch auf durchaus vorhandene Schwierigkeiten bei der Anlage einer solchen Statistik.

Deswegen ist es richtig, dass in dem § 8 eine Formulierung gefunden worden ist, die sehr deutlich macht, dass das, was wir heute beschließen wollen, nicht abschließend und auf Dauer ist, sondern dass wir über Erweiterungen, Veränderungen nachdenken und auch andere Kategorien in den Blick nehmen müssen. Das ist richtig, und das ist wichtig.

In der ersten Lesung ist sehr oft darauf hingewiesen worden, dass ein entscheidender Punkt der Mangel an Wohnraum ist. Da möchte ich allerdings ein bisschen vorsichtig sein. Die Frage, ob es genug Wohnraum gibt oder nicht, ist für das Thema der Wohnungslosigkeit und vor allen Dingen der Obdachlosigkeit zwar eine wichtige, die Antwort darauf ist aber kein Allheilmittel. Denn wir haben beispielsweise vorhin von Frank Heinrich gehört, welche Probleme individuell bei Obdachlosen bestehen, wenn es um die Frage geht: Wo können sie untergebracht werden? In einer Wohnung, in einem Wohnheim? Mit Betreuung, ohne Betreuung? Psychische Probleme, materielle Probleme, soziale Verhaltensweisen als Problem – alles das gibt es dort.

Deswegen werden wir mit einer Statistik über die Zahl derjenigen, die wohnungslos, die obdachlos sind, natürlich mehr Erkenntnisse gewinnen. Aber die Lösungsansätze, die wir für die Schritte danach brauchen, können wir erst dann wirklich gewinnen, wenn wir etwas mehr über die Gründe des einzelnen Betroffenen wissen.

Es ist natürlich klar, dass es am besten ist, wenn wir das Problem von entstehender Wohnungslosigkeit durch Kündigung bei Mietrückständen schon bearbeiten, bevor es eintritt. Die Frage, ob das mit einer Rücknahme fristloser Kündigungen möglich ist oder nicht, will ich heute gar nicht erörtern. Ich möchte aber nur zu bedenken geben: Das Problem, das wir auch jetzt schon bei Wohnungsmangel haben, ist: Wen sucht sich ein Vermieter aus? Wenn ein Vermieter zu der Auffassung kommt, er will einen Mieter loswerden, mit dem er ständig Ärger hat, und wenn dieser Mietschulden hat und das Anlass für eine fristlose Kündigung gibt, dann ist die Frage, ob den Betroffenen geholfen ist, wenn man den Vermieter sozusagen durch Übernahme der Mieten zwingt, beim Mietverhältnis zu bleiben. Das ist aber nur eine Frage unter vielen. Aber grundsätzlich meine ich: Bevor Wohnungslosigkeit wegen Mietrückständen eintritt, muss der Kommune Gelegenheit gegeben werden, an dieser Stelle einzuschreiten, damit die Situation nicht eintritt.

(Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU]: Richtig!)

Bei der Frage der Obdachlosen bin ich der Auffassung, dass wir in der Tat die Möglichkeiten nutzen sollten, die schon in vielen Kommunen bestehen. Bei mir in Köln haben wir neben den Zahlen, die wir über die NRW-Statistik erreichen, eine ganze Reihe niederschwelliger Angebote, die im Gesundheitsbereich vom Gesundheitsamt vorgehalten werden oder die über ehrenamtliche Betreuung laufen. Die Bedeutung der Ehrenamtlichen kann man gar nicht hoch genug einschätzen; bei denen haben wir uns wirklich zu bedanken, weil wir das Personal, das wir im Moment brauchen, gar nicht bezahlen könnten. Niederschwellige Angebote sind zum Beispiel die Station GULLIVER, die sich am Bahnhof befindet, oder der Sozialdienst katholischer Männer, der auch so eine Station unterhält; die Mitarbeiter dort wissen, was bei den Einzelnen die Gründe sind, auf der Straße zu leben.

Wir hatten vor ein, zwei Jahren einen spektakulären Fall. Die Zeitung berichtete über einen Obdachlosen, der mit seiner Partnerin in einem Erdloch wohnte. Die Folge dieses Berichts waren massenhafte Wohnungsangebote. Das Paar ist in eine Wohnung eingezogen, und es dauerte wenige Wochen, da stellte sich heraus: Sie sind nicht sozialverträglich für ihre Umgebung. Das Mietverhältnis wurde wieder aufgelöst. Solche Fälle gibt es.

Das ist jetzt ein krasses Beispiel. Ich will das nicht als Abschreckung nennen; ich will das nur zur Betonung nehmen, dass wir uns um die individuellen Ursachen kümmern und da eingreifen müssen. Das schafft diese Statistik natürlich nicht; aber sie ist ein wichtiger Schritt dahin. Deswegen denke ich: Die Diskussion ist eröffnet, aber nicht beendet. Wir werden an diesem Thema weiterarbeiten müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank Herr Kollege. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Peter Aumer, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414062
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine