16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 16

Josephine OrtlebSPD - Mehr Frauen in den Deutschen Bundestag

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Das freut mich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Anfang letzten Jahres hat der Deutsche Frauenrat, also der größte Interessenverband von und für Frauen in Deutschland, weibliche Abgeordnete zu einem Parlamentarischen Frühstück eingeladen. Der Deutsche Frauenrat stellte fest, was wir hier täglich sehen: Es gibt mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen im Deutschen Bundestag, und das 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts. Das will der Deutsche Frauenrat mit seinen 60 Mitgliedsverbänden nicht hinnehmen, genauso wenig wie ich, meine Fraktion und meine Partei.

(Beifall bei der SPD)

Die gleichberechtigte politische Teilhabe und Repräsentanz von Frauen ist ein Herzensthema für mich, das auch viele andere Menschen bewegt, innerhalb und außerhalb des Parlaments. Umso mehr hat es mich gefreut, dass nach dem besagten Parlamentarischen Frühstück ein Konsens aller Frauen zu spüren war, dass wir in Sachen Parität gemeinsam etwas bewegen können.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er war nicht nur zu spüren!)

Die Position der SPD-Fraktion war dabei immer klar: Wir stehen zu gesetzlichen Maßnahmen zur Erreichung von Parität.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Mehrere interfraktionelle Treffen haben uns dann gezeigt: Mit den Grünen und den Linken eint uns das Ziel, Parität gesetzlich zu regeln.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Union eint uns der Koalitionsvertrag und die Vereinbarung, immer gemeinsam abzustimmen. Die Einrichtung einer Kommission, etwa angesiedelt beim Bundestagspräsidenten, hätte eine Brücke und ein Kompromiss sein können. Eine langatmige Enquete-Kommission war für uns schnell vom Tisch.

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Wieso?)

Eigentlich wollte ich es nicht sagen, aber nach dieser Rede von Frau Höchst kann man sich nicht vorstellen, dass die AfD den Vorsitz einer solchen Enquete-Kommission bekommt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Für uns war aber auch klar: Das Einsetzen von Kommissionen birgt die Gefahr, den Anschein zu erwecken, es gäbe ein Erkenntnisdefizit. Das haben wir aber nicht;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

wir haben ein Handlungsdefizit. Studien belegen: Frauen werden bei Nominierungen, insbesondere für aussichtsreiche Direktkandidaturen, systematisch benachteiligt.

(Frank Pasemann [AfD]: Quatsch! Die werden einfach nicht gewählt!)

Auch da, wo Listen nicht nach Reißverschlussverfahren aufgestellt werden, sind mehr Männer auf den aussichtsreichen vorderen Plätzen.

(Frank Pasemann [AfD]: Sie treten ja nicht an! – Gegenruf der Abg. Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Dass sie bei Ihnen nicht antreten, ist sehr weise!)

Der Reißverschluss wirkt; das zeigt auch die SPD-Fraktion.

Wir dürfen die Parteien bei der Herstellung der gleichberechtigten Teilhabe aber nicht alleinlassen. Den strukturellen Benachteiligungen von Frauen müssen wir strukturell entgegnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Nicole Höchst [AfD]: Sie arbeiten am falschen Thema!)

Damit beauftragt uns auch das Grundgesetz.

Der Weg zur Parität ist möglich. Das zeigen uns 21 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, und auch in Deutschland zeigen Brandenburg und Thüringen, dass es geht. An Vorbildern und Beispielen, wie die gleiche Repräsentanz von Frauen und Männern in Parlamenten erreicht werden kann, mangelt es uns also nicht.

Aber klar war auch: Ein Kompromiss funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Wir haben jetzt Beiträge aus einigen Fraktionen gehört; sie zeigen: Das ist einfach nicht der Fall. Einige Unionsfrauen – ich hatte immer das Gefühl, dass sie unsere Haltung teilen – bringen immer wieder die Enquete-Kommission ins Spiel. Hier fehlt es leider an der notwendigen Geschlossenheit.

Liebe FDP, man könnte fast meinen, es wird zur liberalen Tradition, sich oft zu treffen, Verantwortung dann aber nicht anzunehmen. Heute lehnen Sie mit Ihrem Antrag gesetzliche Maßnahmen zur Erreichung von Parität sogar gänzlich ab.

(Nicole Höchst [AfD]: Das ist auch richtig!)

Das ist wirklich sehr bedauerlich.

(Beifall bei der SPD)

Wie lange wollen Sie eigentlich noch warten, bis Gleichstellung in diesem Haus Wirklichkeit wird?

Sehr geehrte Damen und Herren, ein Kompromiss ist nicht zustande gekommen. Inzwischen hat die Debatte um eine Wahlrechtsreform wieder voll an Fahrt aufgenommen. Und weil wir Frauen alles können, sogar Fußballrhetorik bedienen, sage ich es mal so: Die Debatte um die Wahlrechtsreform wurde jetzt angepfiffen. Der Ball liegt jetzt auf dem Spielfeld. Ich glaube, wir Frauen tun nicht gut daran, auf der Ersatzbank auf unseren Einsatz irgendwann zu warten. Wir sollten jetzt unsere Schuhe schnüren und das Spiel mitgestalten.

(Nicole Höchst [AfD]: Wer hindert Sie daran?)

Frau Kollegin Ortleb, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Haßelmann?

Nein. – Denn viel zu oft mussten Frauen zuschauen, wie Männer die Spielregeln festlegen, wie Männer über Lebensrealitäten entscheiden und wie Männer Frauen auf irgendwann vertrösten. 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts geht es nicht mehr um ein Irgendwann. Es geht um das Hier und Jetzt. Parität und Wahlrecht sind zwei Seiten derselben Medaille, einer Medaille, die den echten gleichberechtigten Zugang zur politischen Macht für Frauen sicherstellt.

Für uns von der SPD-Fraktion ist klar: Wir legen beim Thema Parität unsere ganze Kraft in die Debatte um die Wahlrechtsreform.

(Beifall bei der SPD)

Uns bietet sich noch mal ein kleines Zeitfenster und somit die Chance, in dieser Legislaturperiode etwas Historisches zu vollbringen.

Liebe Grüne, liebe Linke, ich merke schon, es entsteht Unruhe. Im November letzten Jahres gab es einen gemeinsam getragenen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes. Darin habe ich nicht einen Vorschlag zur Erhöhung des Frauenanteils im Deutschen Bundestag gefunden. Da habe ich mich auch gefragt: Warum nicht?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Denn die Frage der Parität wird im Wahlrecht entschieden und nicht in einer Kommission.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die Reform des Wahlrechts und die sich uns bietende Chance nutzen. Wir wollen gleichberechtigte Parlamente; wir brauchen gleichberechtigte Parlamente, und wir Frauen lassen uns bei diesem Spiel nicht auf die Ersatzbank schicken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Nicole Höchst [AfD]: Fahren Sie doch die Ellenbogen aus!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention der Kollegin Britta Haßelmann.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414091
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Mehr Frauen in den Deutschen Bundestag
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