16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 15

Astrid FreudensteinCDU/CSU - Menschenrecht auf Barrierefreiheit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Rüffer, Ihre Ausführungen zu den Förderschulen haben mir gerade in der Seele wehgetan. Ich weiß nicht, welche Schulen Sie sich schon angeschaut haben. Ich habe mir eine ganze Reihe angeschaut, und ich war eigentlich immer beeindruckt von der großen pädagogischen Leidenschaft, mit der Lehrer dort mit den Kindern mit Behinderungen umgehen.

(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Ja, wenn Sie Fachkräfte haben in den Schulen!)

Ich habe auch Eltern kennengelernt, die diese Entscheidung sehr bewusst getroffen haben.

(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Eltern haben keine Wahl!)

Es werden an diesen Schulen auch Abschlüsse abgelegt. Es gibt an diesen Schulen vieles, was ich mir für Regelschulen wünschen würde: individualisierte Lehrpläne, individuelle Betreuung. Ich glaube, wir dürfen unsere Förderschulen nicht in Grund und Boden reden. Es gibt Kinder mit schweren und schwersten Behinderungen, die dort optimal gefördert und betreut werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD] – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir beraten heute zehn Anträge der Linken und einen der FDP. Daran sieht man schon: Es gibt sehr viel zu tun bei diesem Thema. Barrierefreiheit betrifft freilich viele Politikbereiche, viele politische Ebenen. Deswegen lässt sich Barrierefreiheit auch nicht von oben nach unten verordnen.

Es ist richtig: Die UN-Behindertenrechtskonvention ist seit fast elf Jahren hier in Deutschland in Kraft.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Momentan nein. Nein, bitte nicht.

(Zuruf von der LINKEN: Sie müssen keine Angst haben!)

Unsere Infrastruktur ist aber deutlich älter. Es wurde schon öfter erwähnt: Unsere Bahnhöfe sind gut und gerne 100 Jahre alt. Wir haben durchaus auch mittelalterliche Altstädte; ich stamme aus einer solchen. Die Altstadt von Regensburg

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sehr schöne Altstadt!)

ist 800 bis 900 Jahre alt. Sie ist Weltkulturerbe der Menschheit geworden, weil sie die am besten erhaltene mittelalterliche Großstadt ist. Dort gibt es allein 1 000 Einzeldenkmäler, die allesamt nicht barrierefrei sind und auch nicht ohne Weiteres barrierefrei gemacht werden können, weil die Treppenhäuser so eng sind, dass der Einbau eines Aufzuges schlichtweg unmöglich ist. Es werden in Regensburg auch andere Zugeständnisse gemacht: Es gibt dort zum Beispiel auch keine Photovoltaikanlagen.

(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Das hat mit Barrierefreiheit nun mal gar nichts zu tun!)

Es gibt durchaus Bereiche in unserem öffentlichen Dasein, die nicht so mir nichts, dir nichts barrierefrei gemacht werden können. Das soll keine Ausrede sein. Aber ich werbe für Verständnis, dass wir mit der Barrierefreiheit in einigen Bereichen noch nicht weiter sind.

(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Da haben wir kein Verständnis mehr!)

Wir müssen natürlich mehr Mittel in die Hand nehmen, um Barrieren abzubauen. Die Barrieren bestehen natürlich in der Umwelt. Nicht der Mensch hat die Behinderung, sondern die Umwelt stellt Behinderung dem Menschen in den Weg.

(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Aber der Mensch baut die Barrieren!)

Deswegen müssen wir beim Abbau der Barrieren natürlich besser werden. Es liegt aber, wie gesagt, nicht immer nur am mangelnden Willen der Menschen oder der Hausbesitzer, sondern auch an gewachsenen Strukturen, die uns durchaus auch wichtig sind.

Ich glaube, wir dürfen auch darauf hinweisen, dass durchaus etwas passiert. Der Bund hat mit der Bahn eine neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen. Bis 2030 sollen immerhin 86 Milliarden Euro in die Modernisierung des bestehenden Schienennetzes fließen. Damit werden auch Bahnhöfe erneuert.

Bis es die Ideallösungen gibt, werbe ich für Zwischenlösungen, die zumindest in Teilen Barrierefreiheit herstellen. Denn Barrierefreiheit hilft natürlich nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch alten Menschen, jedem, der sich das Bein gebrochen hat, auch jedem, der mit Kinderwagen unterwegs ist. Die leichte Sprache hilft uns allen, bestimmte Formulare zu verstehen. Deswegen, meine ich, kommen wir am besten miteinander und nicht gegeneinander voran.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich schließe die Aussprache.

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414110
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Menschenrecht auf Barrierefreiheit
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