16.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 140 / Zusatzpunkt 9

Karl-Heinz BrunnerSPD - Nutzung der Ramstein Air Base

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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den noch spärlich besetzten Plätzen der Tribünen! Wäre dieses Thema nicht so ernst, würde ich sagen: Nach einer halben Stunde Vorprogramm und längerem Verweilen würde ich lieber einem Konzert von Rammstein zuhören, als dieses Schmierentheater mitanhören zu müssen. Es ist peinlich, in diesem Hause so zu argumentieren.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Peinlich, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist es schon allein deshalb, weil die Lage im Mittleren und Nahen Osten so ernst, so bedrohlich nicht nur für den Mittleren und Nahen Osten, sondern auch für uns in der Bundesrepublik Deutschland mitten in Europa ist. Das macht es erforderlich, kluge, weitsichtige, planvolle und zurückhaltende Politik zu betreiben.

Ich gebe zu, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass ich bei der Betrachtung der Politik unseres verbündeten Präsidenten Donald Trump weder das Attribut „planvoll“ noch das Attribut „zurückhaltend“ noch das Attribut „weitsichtig“ und schon gar nicht das Attribut „klug“ sehe in dem Vorgehen, das wir mit dem Drohnenangriff im Irak gegen einen iranischen Staatsmann erlebt haben. Dies ist eine Tatsache, und diese hat man unter Freunden auszusprechen.

Aber jetzt sofort in einen Empörungsmechanismus abzugleiten, in diesem Empörungsmechanismus das Schließen der Basis Ramstein in der Bundesrepublik Deutschland, im schönen Rheinland-Pfalz zu fordern – übrigens mit der Folge, dass Tausende von Menschen und Familien damit ihrer Existenz beraubt würden –, die sofortige Schließung der Relaisstation zu fordern, sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster zu beziehen und dieses Hohe Haus und die Öffentlichkeit so in Kenntnis zu setzen, als ob dieses Urteil schon rechtskräftig wäre, finde ich ein bisschen dreist.

Wer das Urteil gelesen hat, weiß, dass in der Begründung des Gerichts steht: Wegen der Grundsätzlichkeit der Bedeutung dieser Frage wird die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. – Diese Revision ist eingelegt. Diese Revision ist zulässig eingelegt, und wir sollten zuerst mal das Bundesverwaltungsgericht entscheiden lassen und diese rechtskräftige Entscheidung abwarten. Dann können wir hier darüber diskutieren, ob wir diese rechtskräftige Entscheidung politisch für richtig erachten oder politisch für nicht richtig erachten. Ich persönlich habe immer die Auffassung vertreten: Recht ist nicht unbedingt eine Frage der Gerechtigkeit, sondern Recht ist von uns als Teil dieser Gewaltenteilung auch zu akzeptieren.

Deshalb ist es fair und richtig, sich auf die Fakten zu berufen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Was ist Ramstein? Ramstein ist eine Basis in Rheinland-Pfalz aufgrund des NATO-Truppenstatuts; darin gibt es diesen sogenannten Absatz 2. Die Bundesrepublik Deutschland hat bisher in ständiger Regelmäßigkeit zu Recht und richtigerweise die Einhaltung völkerrechtlicher Regeln verlangt. Dieses NATO-Truppenstatut besagt auch, dass die Vereinigten Staaten von Amerika sich an diesem Standort unbedingt den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland zu unterwerfen haben.

Nun haben wir uns – der Kollege der Union hat es deutlich ausgeführt – in dem Koalitionsvertrag für das Verbot und die Ächtung von extralegalen Tötungen ausdrücklich ausgesprochen, was qua unserer Entscheidung nicht nur Wiedergabe des Völkerrechts ist, sondern unserer politischen und rechtlichen Vorgabe entspricht. Solange – dieser Grundsatz gilt in der Bundesrepublik Deutschland – nicht das Gegenteil als solches bewiesen ist, glaube ich, ist es notwendig, dass wir uns nach 75 Jahren Freiheit, guter Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika und guter Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik nicht wegen einzelner unkluger Entscheidungen eines für eine bestimmte Legislatur gewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten von dieser guten vertrauensvollen Zusammenarbeit verabschieden sollten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich glaube vielmehr, dass es notwendig ist, diese vertrauensvolle Zusammenarbeit zu erneuern und unseren Freunden ganz deutlich zu sagen: Wir wollen keine völkerrechtswidrigen Angriffe. Wir wollen keine extralegalen Tötungen. Wir wollen als Partner der Vereinigten Staaten, dass das Völkerrecht nicht nur bei uns, sondern überall auf dieser Welt eingehalten wird, und wir halten es nicht für richtig, wenn ein Präsident damit droht – was übrigens auch völkerrechtswidrig ist –, Kulturgüter sämtlicher Art zu zerstören.

(Beifall der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das dürfen wir nicht hinnehmen. Das müssen wir Freunden sagen. Das müssen wir erneuern. Deshalb glaube ich, dass die Erneuerung dieses Bündnisses dringend erforderlich ist.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum hat die Bundesregierung es dann nicht gesagt?)

Die Erneuerung eines Bündnisses, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, erreiche ich nicht dadurch, dass ich ein gut bestehendes Verhältnis, das funktioniert, das seine Mechanismen hat und das auf vertraglicher Basis Friedensarchitektur in Europa geschaffen hat, mutwillig oder gar durch unkluge, schnelle, nicht planvolle Entscheidungen aufs Spiel setze. Deshalb glaube ich, ist es notwendig, mit den Vereinigten Staaten darüber in Verhandlungen zu treten,

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel Erfolg!)

Gespräche zu führen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes abzuwarten und dann zu bewerten, ob es notwendig ist, dort weitere Maßnahmen zu ergreifen.

In dem Sinne hoffe ich, dass wir wieder zu planvoller, zurückhaltender, weitsichtiger und vor allen Dingen kluger Außenpolitik – auch in diesem Hause – zurückkehren, um den Menschen in Rheinland-Pfalz Planungssicherheit zu geben, um unsere europäische Sicherheitsarchitektur zu erhalten und nicht unnötig Öl ins Feuer zu gießen, wo schon genügend Öl vorhanden ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist eigentlich Rolf Mützenich?)

Nächster Redner für die FDP-Fraktion: der Kollege Ulrich Lechte.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414117
Wahlperiode 19
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Nutzung der Ramstein Air Base
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