17.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 141 / Tagesordnungspunkt 19

Matthias MierschSPD - Agrarpolitischer Bericht 2019

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Agrarpolitische Bericht 2019 ist ein guter Anlass, sehr grundsätzlich über die Agrarpolitik zu diskutieren. Wir alle sehen augenblicklich an den Demonstrationen hier in Berlin vor einigen Wochen und auch am Samstag, dass dieses Thema die Gesellschaft bewegt. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kommen aus einer Tradition, wo sich Menschen vor über 150 Jahren zusammengetan haben, weil sie gesehen haben: Alleine kann man Gesellschaft nicht gestalten. – Insofern lassen Sie mich am Anfang sagen: Weder die Landwirte noch Umweltverbände noch Verbraucherschutzverbände werden alleine, jeweils für sich, zukünftige Agrarpolitik gestalten können. Es wird nur gemeinsam gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das setzt voraus, dass man bestimmte Dinge zur Kenntnis nimmt. Jahrelang – ich glaube, man kann sogar sagen: jahrzehntelang – waren es gerade Funktionäre der Landwirte hier in Berlin, hochrangige Vertreter des Deutschen Bauernverbands, die mit dem Ministerium zusammen an vielen Stellen immer wieder gesagt haben: Wird schon nicht so schlimm! – Deswegen hat man das Nitratproblem über Jahre verschleppt, mit der Folge, dass jetzt die Landwirte vor Ort die Leidtragenden sind, weil Brüssel sagt: Wir lassen es uns einfach nicht mehr gefallen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sehen, dass wir ein System der europäischen Agrarpolitik haben, in dem nach dem Gießkannenprinzip und nach dem Motto „immer weiter, immer höher“ verfahren wird und in dem die Fläche und nicht die Qualität zählt. Jahrelang diskutieren wir auf dieser Ebene. Aber die Bundesregierung ist nicht in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen, weil zwischen Landwirtschaftsministerium und Umweltministerium ein nicht überbrückbarer Dissens besteht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man die Feststellung im Bericht zur Kenntnis nimmt, dass immer mehr Familienbetriebe aufgeben, dann muss man an die Wurzeln des Übels. Das ist die Förderung. Es geht um die Frage, wie gefördert wird und ob Konzerne oder mittelständische Familienbetriebe gefördert werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche gilt für den Tierschutz. Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Tierschutzverbände sagen: So geht es nicht weiter. – Ich will an einem Beispiel deutlich machen, Frau Bundesministerin, wie es wirklich nicht weitergeht und weshalb Menschen am Samstag auf die Straße gehen und sagen: „Wir haben es satt“, und zwar Landwirte, Umweltverbände und Tierschutzorganisationen zusammen. 2016 hat das Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung zum Thema „Sauenhaltung und Kastenstand“ getroffen und festgestellt, dass das tierschutzrechtlich so nicht weitergeht. Was ist seitdem passiert? Nichts! Jetzt gibt es einen ersten Entwurf. Dieser Entwurf sieht eine Übergangsfrist von 17 Jahren vor.

(Ulli Nissen [SPD]: Was?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Politik, die Landwirtschaft und Tierschutz im Stich lässt. So kann es nicht mehr weitergehen.

(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn?)

Deswegen sage ich es Ihnen an dieser Stelle noch einmal: Wir werden immer für ein Tierschutzlabel sein, auch für ein staatliches. Aber wir wollen, dass es Substanz hat und dass es verbindlich ist.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Dafür werden wir, Harald Ebner, in dieser Koalition streiten; darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der SPD – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Sie kennen doch die europarechtliche Situation!)

Jetzt noch ein paar Worte zum Antrag der Grünen, über den wir später namentlich abstimmen werden. Das ist wieder so eine Geschichte, bei der einige unterwegs sind und sagen: Wir brauchen nicht über Fruchtfolgen und gute Praxis zu reden. Wir bekommen das mit mehr oder weniger Gentechnik – „neue Züchtungsmethoden“ wird das nun genannt – schon hin. – Die Industrie proklamiert im Zweifel das als Königsweg. Ich habe als Anwalt viele Jahre im Bereich des Saatgutrechts gearbeitet und sage nur: Es ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch eine Frage der damit zusammenhängenden Rechte. Es ist beabsichtigt, mithilfe des Patentrechts neue Abhängigkeiten bei den Landwirten zu schaffen. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Die neue grüne Parteiführung, Annalena Baerbock und Robert Habeck, hatte einmal mit Gentechnik geliebäugelt und in bestimmte Passagen hineingeschrieben, darüber müsse man diskutieren. Ich kann Ihnen nur sagen: Finger weg davon!

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir stimmen nachher darüber ab! Das wird spannend!)

Wenn Sie aber mit Ihrem Antrag suggerieren, dass diese Bundesregierung und diese Koalition vorhaben, den Vorsorgegrundsatz aufzuheben, dann sage ich Ihnen: Wir haben eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die sagt, dass neue Züchtungsmethoden zum Gentechnikrecht gehören. Es gibt in der SPD-Bundestagsfraktion und in der Regierungskoalition keinen, der das Vorsorgeprinzip aufheben will. Darauf können Sie alle sich verlassen. Insofern hat Ihr Antrag keine Grundlage, und wir werden ihn deswegen ablehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nachher ist namentliche Abstimmung, Matthias! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird spannend!)

Frank Sitta, FDP, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der FDP)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414161
Wahlperiode 19
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Agrarpolitischer Bericht 2019
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