Dirk WieseSPD - Agrarpolitischer Bericht 2019
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Kurzem erreichte mich ein Brief eines Landwirts aus meinem Wahlkreis im Sauerland. Er stellte die eigentlich entscheidende Frage, die auch heute hier in der Debatte eine Rolle spielt. Er fragte mich – ich zitiere –: „Kann ich es meinem Kind in einer überstrapazierten Welt überhaupt noch zumuten, Bauer zu werden?“
Ich glaube, diese Frage müssen wir beantworten, und zwar erstens mit einer klaren Zukunftsperspektive für die Landwirtschaft.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Dafür brauchen wir ein Miteinander. Wir müssen das diskutieren und dürfen dabei nicht einen Gegensatz zwischen Umwelt und Wirtschaft schaffen, sondern müssen versuchen, das zusammenzudenken.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nicht nur versuchen! Am besten man macht es auch!)
Dazu gehört auch eine Perspektive für die ländlichen Räume, eine Perspektive, wie wir ländliche Räume entwickeln können. Dazu hat diese Koalitionsfraktion viele wichtige Punkte auf den Weg gebracht.
Aber wir müssen auch selbstkritisch anmerken: Es kann nicht sein, dass in den letzten vier Jahren über 442 Millionen Euro im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ von den Ländern nicht abgerufen worden sind. Das sind Mittel, die der ländliche Raum braucht,
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
und wir müssen gemeinsam mit den Ländern dafür sorgen, dass diese Gelder auch ankommen.
Wir sollten darüber nachdenken, vielleicht eine Serviceagentur des Bundes zur Unterstützung der administrativen Abarbeitung zu schaffen. Denn vor dem Hintergrund der Gelder zum Schutz des Waldes, die wir gerade bewilligt haben, weil auch der Wald unter den klimatischen Bedingungen leidet, wird es eine Herausforderung, diese zusätzlichen Gelder in die Fläche zu bekommen. Deshalb müssen wir das immer gemeinsam denken: Wirtschaft und Umwelt gehen nur zusammen; man darf das nicht gegeneinander ausspielen.
Ich bin sehr erstaunt über die Reden der grünen Kollegen. Sie stellen mittlerweile sieben grüne Landwirtschaftsminister; Sie sind insofern keine Opposition. Und wo sind Ihre Initiativen? Ich habe bis heute keine vernommen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der zweite wichtige Punkt ist die Frage des Preises. Da geht es – es ist schon angesprochen worden – um den Lebensmitteleinzelhandel. Es ist entscheidend, dass mehr von der Wertschöpfung bei den Landwirten ankommt. Das ist auch eine soziale Frage.
Ein ganz wichtiger Punkt steht in 2020 an. Wir werden darüber nachdenken, wie wir die Landwirte mit Milchviehbetrieben stärken. Da, Frau Ministerin, kommt Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung ins Spiel. Schaffen wir es, über rechtliche Bedingungen den Milchviehbetrieb vor Ort zu stärken, damit mehr von dem Geld, das durch die Produktion erwirtschaftet wird, bei dem einfachen Landwirt ankommt? Das ist der entscheidende Punkt. Hat das Ministerium den Mut, das anzugehen? Ich kann Ihnen jedenfalls sagen: Die Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion zur Stärkung der landwirtschaftlichen Familienbetriebe, der Milchviehbetriebe, haben Sie.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Hermann Färber [CDU/CSU]: Die Schweinebetriebe!)
Entscheidend ist, glaube ich, – auch das müssen wir sehen –: Die Landwirte, die demonstrieren, machen sich Sorgen und sind zu Recht sauer, weil es in einigen Regionen in Deutschland im landwirtschaftlichen Bereich übertrieben worden ist. Das betrifft die Region Weser-Ems; das betrifft das Münsterland. Ich kann meine Landwirte im Sauerland verstehen. Ich kann verstehen, dass sie sauer sind, dass sie das jetzt ausbaden müssen. Sie arbeiten mit einer Relation von einer Großvieheinheit pro Hektar. Sie haben es nicht übertrieben, leiden jetzt aber trotzdem darunter. Es gehört genauso in diese Debatte, das ernst zu nehmen und hier gemeinsam Lösungen finden.
Der dritte Punkt, der aus meiner Sicht mit Blick auf die morgigen Demonstrationen entscheidend ist, ist: Wir müssen, wenn wir ehrlich sind, mehr miteinander als übereinander reden. Es ist, glaube ich, für die Zukunftsperspektive der Landwirtschaft entscheidend, dass wir es hinbekommen, alle, die sich über die Zukunft der Landwirtschaft Gedanken machen, an einen Tisch zu bringen. Da hat nicht die eine Seite recht oder die andere unrecht; man muss es zusammen voranbringen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist etwas, das wir machen sollten, und dazu kann ich Ihnen, Frau Ministerin, sagen: Wir als SPD-Bundestagsfraktion stehen bereit, obwohl ich bei Ihrer Rede gerade schon etwas überrascht gewesen bin; denn sie hörte sich eher wie die Rede einer stellvertretenden Parteivorsitzenden als die einer Bundesministerin an.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Aber das ist sicherlich der einen oder anderen Diskussion geschuldet, die Sie diese Woche auf der Grünen Woche zu erwarten haben.
In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Als Nächste spricht die Kollegin Nicole Bauer für die Fraktion der FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7414167 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 141 |
Tagesordnungspunkt | Agrarpolitischer Bericht 2019 |