17.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 141 / Tagesordnungspunkt 20

Thomas HackerFDP - Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst vor wenigen Tagen hat Kroatien die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, mit einem ehrgeizigen Arbeitsprogramm zu den Finanzen der Union, zur Erweiterungspolitik und für unser aller Sicherheit. Und doch richten sich die Augen schon auf Deutschland; denn es ist klar: Wenn die größte Volkswirtschaft, wenn das Land mit den meisten Bürgern, ein Gründungsmitglied der Europäischen Union, die Ratspräsidentschaft übernimmt, dann sehen das viele als Riesenchance. Ja, Europa erwartet von uns Lösungen für die ganz großen Herausforderungen und große Ideen für die Zukunft Europas.

Groß sind aber auch die Aufgaben, die in diesem Jahr vor Europa liegen. Die wirren Diskussionen und Verhandlungen der letzten Jahre um den Brexit haben die Europäische Union gefesselt, haben ihr Fesseln angelegt. Wichtige Reformen zur Stärkung der EU blieben auf der Strecke. Und wenn das Wahlergebnis in Großbritannien wenigstens für etwas gut ist, dann ist es, dass es Klarheit gebracht hat. Ja, der Brexit wird kommen! Er wird in wenigen Tagen kommen. Aber wer glaubt, damit seien alle Diskussionen beendet, der irrt gewaltig.

Hat denn irgendwer erwartet, dass die EU jetzt vor der Aufgabe stehen würde, ein Freihandelsabkommen innerhalb von elf Monaten auszuhandeln? Für das Abkommen mit Singapur haben wir elf Jahre gebraucht, für das mit Kanada acht Jahre und für das mit Japan sechs Jahre. Also wird der Brexit die deutsche Präsidentschaft – Herr Roth hat es angedeutet – prägen. Hier ist die Bundesregierung besonders gefordert.

Die Hauptaufgabe der Präsidentschaft sehen wir Freie Demokraten jedoch darin, die Blockade bei den Reformen der Europäischen Union zu beenden. Europa braucht starke, handlungsfähige Institutionen. Wir brauchen eine schlanke Kommission mit 18 Kommissaren statt der heutigen 27, mit klar nachvollziehbaren Ressorts, damit effizient Politik gemacht werden kann.

Wir brauchen eine starke, einige Stimme in Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die dann auch wieder in der Welt gehört wird.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen, dass mit Mehrheitsentscheidungen im Rat Blockaden einzelner Länder aufgebrochen werden und Entscheidungen schneller getroffen werden können.

Und vor allem brauchen wir eins: eine echte europäische Verfassung.

(Beifall bei der FDP – Norbert Kleinwächter [AfD]: Nicht schon wieder! Das ist bereits abgelehnt worden, Herr Hacker! Die Leute wollen keine europäische Verfassung!)

Den Weg dorthin kann uns die Konferenz zur Zukunft Europas ebnen. Wir erwarten, dass die Bundesregierung genau diese Punkte in die Konferenz einbringt. Es liegt an Deutschland, mit den Triopartnern Slowenien und Portugal am Erfolg dieser Konferenz zu arbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns diese Reformen mutig angehen. Dann leisten wir den wichtigsten Beitrag für ein starkes Europa.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und dieses starke Europa muss ein offenes Europa sein. Die Länder des Westbalkans sind ein Teil Europas und sehen ihre Zukunft innerhalb der Union – zu Recht. Lassen Sie uns unsere Präsidentschaft dazu nutzen, die Reformbemühungen der Länder des Westbalkans als Partner und Freund zu unterstützen und die nächsten Schritte mit Nordmazedonien und Albanien zu gehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit dieser Zukunftspolitik leisten wir den wichtigsten Beitrag für ein lebendiges und offenes Europa.

Liebe Franziska Brantner, Ihnen und Ihren Kollegen müssen wir ja fast für die Fleißaufgabe danken, auf 16 eng beschriebenen Seiten sehr detailliert Ihre Wünsche an die deutsche Präsidentschaft zu Papier gebracht zu haben. In etlichen Punkten – das wissen Sie – denken wir Freie Demokraten ja ähnlich.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Ganz herzlichen Dank!)

Ja, auch die Klimafrage ist eine der großen Herausforderungen, die wir gemeinsam angehen wollen; das zeigen doch schon die Pläne zum Green Deal von Kommission und Europaparlament. Aber all das muss eben auch bezahlt werden können.

Aber ist es nicht auch gerade diese Detailversessenheit, das Klein-Klein an zu vielen Stellen, das bei den Bürgerinnen und Bürgern in Europa zu Verunsicherung und Zweifeln an der Europäischen Union geführt hat? Wir Freie Demokraten wollen eine deutsche Präsidentschaft, die sich auf die wesentlichen Aufgaben konzentriert, dort aber auch wirkliche Ergebnisse präsentiert.

(Beifall bei der FDP)

Ein Satz bitte noch, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland übernimmt die Präsidentschaft 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Lassen Sie uns die Chance nutzen, das große Friedensprojekt Europa neu zu beleben – mit mutigen Reformen für ein starkes und offenes Europa!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Andrej Hunko für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Petry [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414180
Wahlperiode 19
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020
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