17.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 141 / Tagesordnungspunkt 21

Gero StorjohannCDU/CSU - Fahrrad- und Fußgängerverkehr

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine 60-Minuten-Debatte über Fahrrad- und Fußgängerverkehr gab es in diesem Bundestag gefühlt noch nie.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja das Problem!)

Das macht deutlich, dass auch bei uns in der Verkehrspolitik neue Zeiten anbrechen.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich!)

Wir haben im Fahrradverkehr ganz neue Systeme auf dem Markt. E-Bikes gibt es seit 2005. Wir haben Lastenräder. Wir haben Mountainbikes. Wir haben die Verleihsysteme unterschiedlicher Anbieter. Deswegen ist es notwendig, dass wir Politiker dann entsprechende Regelungen der Straßenverkehrs-Ordnung anpassen und auf der Höhe der Zeit bleiben.

Grundlage der heutigen Debatte sind drei Anträge. Zwei haben wir schon im Ausschuss beraten können. Der Bundeshaushalt 2020 ist frisch verabschiedet. Bis 2023 sind über 900 Millionen Euro für den Radverkehr jedenfalls aufseiten des Bundes zur Verfügung gestellt worden.

Finanzmittel alleine machen aber noch keine gute Radverkehrspolitik. Da es immer mehr Radfahrer gibt, bedeutet das auch, dass die Sicherheit neu überdacht werden muss. Radfahrende müssen sich im Verkehr sicher fühlen. Nur dann werden sie sich dem Radverkehr auch auf Dauer widmen. Gerade für Familien gilt das. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Radverkehr ist ein wichtiger Baustein für eine urbane und multiple Verkehrsnutzung. Nur hierdurch kann der Anteil des Radverkehrs am Modal Split gesteigert werden und der Radverkehr auch einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Auch Sicherheit ist hier einer der wichtigsten Punkte, an dem wir arbeiten. 2018 ist die Zahl der getöteten Radfahrer im Verhältnis zum Vorjahr gestiegen. Diese Bilanz macht deutlich, dass wir hier handeln müssen, aber im Einklang mit den Ländern und den Kommunen. Der Koalitionsvertrag enthält den Auftrag, die Straßenverkehrs-Ordnung mit dem Ziel der Radverkehrsförderung zu überprüfen und gegebenenfalls fahrradgerecht fortzuschreiben. Das ist eine Formulierung, die uns Politikern sehr viel Spielraum gibt.

Unser Bundesminister Andi Scheuer hat im Juni 2019 Eckpunkte für eine fahrradgerechtere Straßenverkehrs-Ordnung vorgelegt, die nach der Ressortabstimmung und der Beteiligung der Länder und der Verbände im Oktober 2019 dem Bundesrat zugeleitet wurden. Ein Kabinettsbeschluss erfolgte im November 2019.

Die Förderung des Radverkehrs und seiner Attraktivität ist der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen ein wichtiges Anliegen. Seitens des Ministeriums erfolgten die Prüfung und Fortschreibung der Straßenverkehrs-Ordnung unter Berücksichtigung der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes vor dem Hintergrund der Erforderlichkeit bundeseinheitlicher Vorgaben, wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse und bewährter Praxiserfahrungen. Der Beratungsprozess im Bundesrat ist aber noch immer nicht beendet.

Die Straßenverkehrs-Ordnung ist besonderes Polizei- und Ordnungsrecht. Die Straßenverkehrs-Ordnung ist eigentlich die Herzkammer der Verkehrspolitik. Hier wird definiert und festgelegt. Die Operation am offenen Herzen muss man sich genau überlegen. Das muss wohlabgewogen werden. Sie dient der Ordnung des Verkehrs und hat zum Ziel, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. In diesem Rahmen müssen sich auch Forderungen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Radverkehrs bewegen.

Die Novelle sieht für den Radverkehr folgende Verbesserungen vor: Neben einem generellen Halteverbot auf Schutzstreifen für den Radverkehr soll auch das Überfahren dieser Schutzstreifen nicht mehr erlaubt werden. Wir möchten einen Mindestüberholabstand für Kfz von 1,50 Metern innerorts und 2 Metern außerorts.

Wir möchten Schrittgeschwindigkeit beim Rechtsabbiegen für Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 Tonnen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warum klatscht da keiner?)

Dass dies notwendig ist, zeigen gerade die letzten Unfälle in den Städten. Rechtsabbiegende Kfz mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 Tonnen dürfen nur noch mit Schrittgeschwindigkeit innerorts rechts abbiegen. Dadurch soll die Zeitspanne, die der Fahrzeugführer zum Überblicken der Verkehrsfläche hat, verlängert werden.

Wir möchten eine Ausweitung der Grünpfeilregelung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Beim Pkw kennen wir das schon, und wir diskutieren es schon sehr lange. Fahrräder können also künftig aus Radfahrstreifen oder baulich angelegten Radwegen bei angeordnetem Grünpfeil rechts abbiegen, nachdem sie kurz angehalten haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Bislang ging das nur aus der Fahrbahn heraus. Zudem kann der Grünpfeil durch ein neugeschaffenes Zusatzzeichen speziell nur für Radverkehr angeordnet werden.

Meine Damen und Herren, Radverkehr ist dann erfolgreich, wenn er flüssig läuft. Das alles sind Maßnahmen, von denen wir uns erhoffen, dass der Radverkehr dadurch besser angenommen wird und auch Regelverstöße von Radfahrern nicht mehr stattfinden. Es ist ja ganz leicht, vom Fahrrad abzusteigen, es über den Fußweg zu schieben und dann rechts abzubiegen. Das ist wesentlich günstiger, als über eine rote Ampel zu fahren. Das wissen die Profis, und deswegen sind wir jetzt auch dabei, entsprechende Regelungen auf den Weg zu bringen.

Wir möchten Fahrradzonen einrichten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Künftig können Fahrradzonen wie Tempo-30-Zonen flächenhaft angeordnet werden. In Fahrradzonen ist anderer Verkehr als Radverkehr sowie Verkehr von Fahrzeugen nach der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung nur nach gesonderter Freigabe durch ein Zusatzzeichen zulässig.

Wir möchten das Nebeneinanderfahren von Fahrradfahrern erlauben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Andreas Wagner [DIE LINKE])

Bisher war es in der Straßenverkehrs-Ordnung so geregelt, dass man in der Regel hintereinander fährt. Wir kennen aber die Ausnahmen bei Rennradfahrern, dass man ab gewissen Größenordnungen zu zweit nebeneinander fahren muss. Alles hatte seinen Sinn;

(Mathias Stein [SPD]: Kommunikativer!)

aber wir probieren neue Dinge aus.

(Beifall der Abg. Florian Oßner [CDU/CSU] und Kirsten Lühmann [SPD])

Wir möchten die Sicht im Kreuzungs- und Einmündungsbereich verbessern. Deswegen werden die Parkverbotszonen etwas besser geregelt. Man darf also im Kreuzungsbereich auf der Fläche von mindestens fünf Metern vom Beginn der Eckausrundung von Bordsteinkanten nicht mehr parken.

Für Lastenfahrräder werden wir ein Piktogramm einführen. Das ist ganz wichtig. Wir werden ein Verkehrszeichen „Radschnellweg“ einführen. Wir werden ein Verbot des Überholens von Radfahrern einführen. Das haben wir uns in den Niederlanden als Verkehrsausschuss angeguckt: Es gibt dort Zonen, in denen große Schilder stehen mit der Aufschrift: „Autofahrer, ihr seid hier Gast“.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dort gibt es auch wenige Autofahrer, ganz klar. Die Autofahrer bekommen den Hinweis: Ihr dürft hinter den Fahrradfahrern fahren, aber ihr dürft sie nicht überholen. – Die Möglichkeit, dies durch ein entsprechendes Schild einzuführen, werden wir den Kommunen einräumen. Deswegen war es eine erfolgreiche Reise in die Niederlande.

Wir möchten eine Öffnung der Einbahnstraßen für den Radverkehr auch im Gegenverkehr erleichtern. Wir möchten die Haifischzahnmarkierung einführen, wie sie in anderen Ländern schon mehrfach gut erprobt ist. Wir möchten die Fortführung der Radfahrstreifen vor Grundstückszufahrten, damit nicht bei jeder Grundstückszufahrt der Radfahrweg plötzlich aufhört. Auch hier sind Erleichterungen möglich.

Wir möchten auch eine Erhöhung der Geldbußen bei Parkverstößen mit Bezug zum Radverkehr. Das gilt für das Parken in zweiter Reihe, das gilt für unzulässiges Parken auf Geh- und Radwegen sowie auf Schutzstreifen. Alles das möchten wir anpassen, damit es den Radfahrern besser geht.

Wir möchten die Vision Zero als Leitgedanken in die Straßenverkehrs-Ordnung einführen. Das ist uns ganz wichtig. Ich mache darauf aufmerksam: Wir möchten in den Städten einen besseren Verkehrsfluss, mehr Sicherheit, mehr Freude beim Fahrradfahren. Das ist nicht nur für die Menschen gut, sondern auch für die Umwelt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Wiehle für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414192
Wahlperiode 19
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Fahrrad- und Fußgängerverkehr
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