Kirsten LühmannSPD - Fahrrad- und Fußgängerverkehr
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!! Sehr verehrte Anwesende! Kennen Sie ein Babboe, oder haben Sie schon mal auf einer Libelle gesessen oder auf Dolly? Haben Sie schon mal ein Woody erlebt? Das alles sind Lastenfahrräder zum Transport von Kindern.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Schlimm genug!)
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Damals, als unsere Töchter klein waren, hatten wir so etwas noch nicht. Wir hatten Anhänger; darin hatten wir sie transportiert, aber die waren lange nicht so komfortabel wie diese Fahrzeuge. Daher war es richtig, dass wir festgelegt haben: In Fahrradanhängern dürfen maximal zwei Kinder bis zum Alter von sieben Jahren transportiert werden.
Aber, liebe Kollegen und Kolleginnen, die Technik ist weitergegangen; die Wirtschaft auch. Daher gibt es jetzt Fahrzeuge, die durchaus geeignet sind, die durchaus so sicher sind, um damit erstens mehr als zwei Kinder und zweitens auch Kinder im Alter von über sieben Jahren transportieren zu können. Darum ist es richtig und gut, dass wir in unserem Antrag dazu auffordern, uns mit unserem Regelwerk endlich an die Technik anzupassen. Ich kann es Ihnen aus Erfahrung sagen: Es ist nicht die Boheme aus Berlin, sondern es sind die Mütter und Väter aus Hermannsburg, die solche Fahrzeuge nutzen und die sich für eine Klarstellung bedanken würden.
(Beifall bei der SPD – Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Die Ihrer Propaganda folgen! Das ist total gefährlich, das wissen Sie ganz genau!)
Wenn wir die Verkehrswende ernst nehmen, dann reicht es nicht, dass wir Geld für Fahrradschnellwege und ÖPNV ausgeben. Das ist wichtig und gut; das müssen wir tun. Aber wir müssen auch die Bedingungen so gestalten, dass dieses Geld sinnvoll eingesetzt werden kann. Mit unserem Antrag werden wir das für den Fahrradverkehr auch tun.
Wir müssen den Verkehrsraum anders aufteilen. Ich meine nicht so, wie in den 60er-Jahren. Damals war ja die autogerechte Stadt propagiert worden, und alle anderen Verkehrsteilnehmenden konnten sich die Gehwege irgendwie teilen; das war ein Kampf einer gegen den anderen. Genau das machen wir nicht,
(Beifall bei der SPD)
sondern wir sagen ganz klar: Ja, wir müssen unsere Gewohnheiten verändern; aber wichtig ist, dass jeder Verkehrsteilnehmende ausreichenden Platz hat. -Darum haben wir in diesem Antrag auch geschrieben: Wenn wir richtigerweise das Halten auf Fahrradschutzstreifen verbieten, dann müssen wir Pflegediensten, Lieferfahrzeugen, Handwerkern auch die Möglichkeit geben, regelgerecht und nicht in der zweiten Reihe zu parken, liebe Kollegen und Kolleginnen. Darum brauchen wir die Möglichkeit der Kommunen, Ladezonen auszuweisen.
(Beifall bei der SPD)
Keiner muss das machen. Aber wir müssen die Möglichkeit eröffnen, sich den örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Dafür ist auch die Experimentierklausel vorgesehen; meine Kollegin Korkmaz-Emre wird dazu noch etwas sagen.
Aber wir müssen auch Neues wagen, zum Beispiel Lastenräder, mit denen Pakete ausgefahren werden. Wir haben das in Hamburg gesehen. Leider ist es schwierig, das in anderen Städten durchzusetzen, wegen der Argumentation – ich habe es bei mir im Wahlkreis erlebt –: Wir müssten ja zwei Autoparkplätze dafür hergeben.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Das sind zwei Wählerstimmen!)
Liebe Kollegen und Kolleginnen, zwei Autoparkplätze dafür, dass Lieferverkehr in der Innenstadt wegfallen würde, ist, glaube ich, eine vernünftige Regelung. Es heißt immer: „Das geht doch gar nicht“ und: „Das macht nur Deutschland“. Ich habe kürzlich Frankreich besucht. Das ist nicht ein ausgewiesenes Fahrradland. In Paris sind ganze Fahrspuren für Pkw gesperrt, baulich abgetrennt und für Fahrräder in beide Richtungen freigegeben worden. Was dort, in einer Millionenstadt, möglich ist, das sollte bei uns in Deutschland doch auch machbar sein, liebe Kollegen und Kolleginnen.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Auch wenn es falsch ist!)
Gemeinsam den Verkehrsraum zu nutzen, heißt aber auch: Wir brauchen Regeln; wir brauchen Akzeptanz. Ja, dafür müssen wir sensibilisieren. Aber, ganz ehrlich, wir alle wissen es aus unserer Lebenserfahrung: Sensibilisieren alleine reicht nicht. Wir brauchen Kontrolle; wir brauchen ausreichend Polizei; wir brauchen kommunale Kontrollmöglichkeiten. Und, ja, wir brauchen wirksame Bußgelder für alle, für Zu-Fuß-Gehende, für Fahrradfahrende und für Autofahrende. Das fordern wir ein. Es ist schon gesagt worden: Dazu gibt es einen Vorschlag. Er liegt jetzt leider seit längerer Zeit in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Ich fordere das Ministerium auf, dass da ein bisschen Druck gemacht wird, sodass wir diese sinnvolle Veränderung des Bußgeldkataloges in einer vernünftigen Zeit hinbekommen.
Wenn wir uns den Fahrradverkehr angucken, sehen wir unterschiedliche Herausforderungen; auch denen wird dieser Antrag gerecht. Hier in Berlin liegt der Anteil der Fahrräder an der Verkehrsleistung bei 15 Prozent. Gut, das können wir noch besser machen; aber 15 Prozent sind was.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Ja, das stimmt!)
Wenn Sie sich die ländlichen Räume in Deutschland angucken, bemerken Sie dort einen Fahrradanteil von unter 10 Prozent. Warum? Hier in Berlin haben wir Nutzungskonflikte und das Problem mit der Regelkonformität. Im ländlichen Raum, bei uns, ist eher die Frage: Bekommen wir eine sichere Infrastruktur hin? Für unterschiedliche Herausforderungen müssen wir unterschiedliche Lösungen finden. Dann profitieren alle davon.
Abschließen möchte ich mit einem Zitat, insbesondere für den Kollegen Spaniel: „Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad.“
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kollegen und Kolleginnen, dieses Zitat stammt von Adam Opel, einem Automobilhersteller.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Der war damals Fahrradhersteller! – Gegenruf des Abg. Otto Fricke [FDP]: Es wird Zeit für Vernunft hier!)
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Bernd Reuther das Wort.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7414200 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 141 |
Tagesordnungspunkt | Fahrrad- und Fußgängerverkehr |