17.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 141 / Tagesordnungspunkt 22

Petra Pau - Schutz der heimischen Landwirtschaft

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege von der AfD, ich habe gar nicht gewusst, dass Sie Bauern haben, weil Sie immer von „unseren“ Bauern sprechen. Ich kenne zum Glück niemanden, der sich als AfD-Bauer ausgeben würde.

Was Sie hier zum Thema Mercosur-Abkommen dargeboten haben, spottet jeder Beschreibung. Wahrscheinlich haben Sie gar keinen Blick reingeworfen, ansonsten würden Sie nicht von diesem Pult solche Lügen verbreiten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Deutschland ist seit vielen Jahren Exportweltmeister. Das ist keine neue Nachricht. Aber nicht nur die Exporte haben in den letzten Jahren sehr stark zugenommen, sondern auch die Importe nach Deutschland. Das heißt also, Deutschland ist ein wichtiger Player im internationalen Handelsgeschäft. Die deutsche Wirtschaft oder die deutschen Exporteure sind deswegen auch auf einen freien Marktzugang in der Welt angewiesen. Wenn man sich die Geschichte anschaut, stellt man fest, dass sich seit 1994, als die Welthandelsorganisation gegründet wurde, die Situation im Welthandel deutlich verbessert hat. Das Ziel der WTO war und ist, faire Handelsbedingungen für alle Mitglieder zu erreichen. Das ging eine Zeit lang ganz gut. Aber in den letzten Jahren ist die Welthandelsorganisation leider aus verschiedenen Gründen in ihrer Arbeit blockiert. Den letzten Rest hat auch die Trump-Administration der Welthandelsorganisation gegeben, indem sie keine Schiedsrichter bestimmt hat.

Trotzdem ist festzuhalten: In den letzten zehn Jahren sind von den WTO-Mitgliedstaaten 1 694 handelsbeschränkende Maßnahmen erlassen worden. Man sieht also: Überall wird versucht, Märkte abzuschotten. Deswegen sind in den letzten Jahren sehr viele bilaterale Handelsabkommen geschlossen worden. Auch die Europäische Kommission, die das Mandat von allen europäischen Mitgliedstaaten hat, hat in den letzten Jahren sehr erfolgreich gewirkt. Dies ist eine der wirklich erfolgreichen Seiten der Europäischen Kommission, sonst mangelt es ja manchmal doch durchaus an Erfolgen. Es wurden zum Beispiel Abkommen abgeschlossen mit Südkorea, mit Vietnam, mit Japan, mit Kanada und nun mit den Mercosur-Staaten: Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Mit diesem Handelsabkommen ist ein Wirtschaftsraum mit 770 Millionen Konsumenten entstanden. Das ist einer der ganz großen Handelsräume in der Welt.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Was bringt das?)

– „Was bringt das?“ Das werden wir gleich sehen. Zum einen den drastischen Abbau der Zölle. Wenn man die heutigen Zahlen zugrunde legt, werden allein die europäischen Unternehmen 4 Milliarden Euro an Zöllen einsparen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Für deutsche Exporteure einschließlich der Landwirtschaft – das möchte ich hier klipp und klar sagen, weil die deutsche Landwirtschaft sehr leistungsfähig ist und weil die deutsche Ernährungswirtschaft hervorragende Produkte herstellt – bietet dieses Abkommen einen wunderbaren Einstieg in den Markt der Mercosur-Staaten, sodass auch hier die Exporteure wieder große Chancen bekommen.

(Enrico Komning [AfD]: Das ist doch Unsinn, Herr Lämmel! Fragen Sie doch mal die Bauern! Gehen Sie mal raus und fragen die Bauern!)

Das ist ein wichtiger Punkt. Man kann natürlich immer Gefahren in den Vordergrund schieben, verehrter Kollege. Aber leider ist es hier so, dass dieser große Markt große Chancen für Exporteure ermöglicht.

Meine lieben Kollegen von den Grünen, dass Sie auf diesen miesen AfD-Antrag mit einem noch schlechteren Antrag gesprungen sind, darüber kann man wirklich nur den Kopf schütteln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist ein richtiger Klassenkampfantrag, den Sie geschrieben haben.

Herr Kollege Lämmel, ich habe die Uhr angehalten, um Sie zu fragen, ob Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Kleinwächter zulassen.

Eine Frage gerne, eine Bemerkung kann er hinterher schriftlich abgeben.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege, ich habe schon eine Frage an Sie bezüglich zweier Teilfragen.

Die erste Frage. Sie sprechen von großen Exportchancen für die deutschen Landwirte. Wie bringen Sie das zusammen mit Ihren eigenen Klimaschutzzielen, die eigentlich auch durch eine Reduzierung von Transport erreicht werden sollten? Was bringt es, wenn wir Landwirtschaftsgüter, die genauso gut bei uns produziert werden können, über die halbe Welt verschicken? Das ist eine Umweltfrage, die ich an Sie habe.

Die zweite Frage. Das, was Sie erzählen, stimmt doch nicht. Das kommt doch bei den Menschen nicht an. Ich habe in meinem Wahlkreis in Brottewitz eine Zuckerfabrik, die im Endeffekt schließen musste

(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Sie haben gar keinen Wahlkreis!)

aufgrund der Tatsache, dass der Zuckerpreis extrem fällt, dass die heimische Zuckerproduktion, die dort seit über hundert Jahren stattfand, nicht weiter stattfinden kann. Die Leute werden arbeitslos. Die Landwirte sollen dann irgendeinen Raps anbauen für Biosprit oder Sonstiges. Das ist doch keine Zukunftslösung, gerade auch für strukturschwächere Regionen in Deutschland. Was sagen Sie denn diesen Menschen, die draußen mit ihren Traktoren stehen und genau gegen das demonstrieren, was Sie hier erzählen?

Sie müssen mir nur mal erklären, was das mit Mercosur zu tun hat. Das Abkommen ist überhaupt noch nicht ratifiziert, überhaupt noch nicht in Kraft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Was hat die Schließung der Zuckerfabrik, die jetzt stattfindet, wie Sie sagen, mit Mercosur zu tun? Nichts, überhaupt gar nichts.

(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Setzen! Sechs!)

Deshalb sage ich: Sie müssen mal einen Blick in das Abkommen werfen, damit Sie wissen, worüber wir sprechen. Beim Zucker sprechen wir von der EU, der gesamten Europäischen Union. Eine Zuckerquote von 10 000 Tonnen hat damit überhaupt nichts zu tun. Vermengen Sie mit Ihrem propagandistischen Stil nicht immer wieder Dinge, die nicht zusammengehören.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Ich war bei dem Antrag der Grünen, der so mies ist. Ich habe eigentlich gedacht, dass man nach der CETA-Debatte oder nach den Debatten, die wir in den letzten Monaten geführt haben, weiter wäre. Sie wissen doch ganz genau, dass in dem Handelsabkommen erstmalig ein sehr umfangreiches und gut formuliertes Nachhaltigkeitskapitel festgeschrieben ist. Es ist das erste Mal, dass die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation beidseitig vereinbart werden. Es geht darum, dass beide Seiten das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten. Die Argumentation, dass der brasilianische Präsident jetzt vielleicht austreten könnte, ist vom Tisch, weil dann das Abkommen nicht mehr gelten würde.

Kollege Lämmel, Sie haben es nicht bemerkt, aber es gibt einen zweiten Wunsch, etwas zu fragen oder zu bemerken, und zwar von der Kollegin Hänsel.

Da habe ich Glück, dann kann ich meine weiteren Ausführungen in die Antwort auf die Frage packen. Sehr gut, bitte.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich hoffe, Sie haben auch eine substanzielle Antwort. Herr Lämmel, Sie haben gerade das Nachhaltigkeitskapitel erwähnt. Welche Sanktionen sind vorgesehen, wenn es Verstöße gibt bei Arbeitnehmerinnenrechten, beim Vorsorgeprinzip, bei Auflagen bezüglich des Klimaschutzes, bei alldem, was Sie gerade erwähnt haben? Welche konkreten Sanktionen sind vorgesehen, wenn es Verstöße gegen dieses Nachhaltigkeitskapitel gibt? Wir wissen, dass bei den Handelsfragen, bei den Handelsmengen, in allen anderen Bereichen ein Streitbeilegungsmechanismus von Staat zu Staat mit Sanktionen vorgesehen ist. Welche Sanktionen sind beim Nachhaltigkeitskapitel vorgesehen? Ich kenne keine.

Verehrte Kollegin, ich empfehle auch Ihnen, das Abkommen zu studieren. Natürlich kann man immer Sanktionen verlangen; aber hier gibt es einen ganz klaren Mechanismus, der greift, wenn eine der beteiligten Seiten die Kriterien des Abkommens nicht erfüllt.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beidseitig!)

Das wissen Sie ganz genau. Dann tritt nämlich die Kooperationskommission zusammen. Wissen Sie, wir sind doch keine Kolonialmacht mehr. Sie müssen mal Ihre Brille absetzen! Wir können den Ländern doch nichts diktieren. Das sind alles selbstständige Staaten, mit denen wir ein Abkommen schließen. Wenn eine Seite die Kriterien bzw. ihre Zusagen nicht einhält, setzt man sich im Kooperationsausschuss zusammen und spricht darüber. Und wenn man die Dinge nicht bereinigen kann, dann wird es eben zu einer Streitschlichtung kommen, oder das Abkommen muss ausgesetzt werden. Aber wir können doch nicht immer nur die Sanktionskeule schwingen. Das würden Sie natürlich gerne tun.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie was zu den Schiedsgerichten!)

Wir setzen auf freiheitliche und marktwirtschaftliche Instrumente und nicht auf die, die Sie früher, in kommunistischen Zeiten, erprobt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die EU und die Mercosur-Staaten sind zwei gleichberechtigte Partner.

Noch einmal: Dieses Nachhaltigkeitskapitel ist zum allerersten Mal in einem Handelsabkommen festgeschrieben worden. Warum sagen Sie nicht: „Wunderbar, das ist der erste Schritt; wir setzen hier als Europäische Union Standards, Weltstandards“? Den Amerikanern würde es nicht im Traum einfallen, in ein Handelsabkommen ein Nachhaltigkeitskapitel einzufügen.

Dass Sie die Verhandlungen jetzt stoppen wollen, ist ja nicht verwunderlich. Das ist nichts Neues. Das ist ja das Einzige, was Ihnen von den Linken einfällt. All Ihre Anträge, die Sie bisher zu Handelsabkommen in den Bundestag eingebracht haben,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Waren gut)

haben gefordert, alles zu stoppen, das Abkommen nicht abzuschließen, die Verhandlungen abzubrechen.

(Zuruf von der LINKEN: Zu Recht!)

Das ist Ihre eigentliche Strategie. Andere Fraktionen denken wenigstens noch ein bisschen mit und machen eigene Vorschläge. Aber so weit kommen Sie ja gar nicht.

Meine Damen und Herren, man kann also sagen: Das Mercosur-Abkommen setzt neue Maßstäbe. Wir müssen jetzt zusehen, dass es schnell ratifiziert wird, dass die Rechtsprüfung erfolgt, dass die Übersetzung erfolgt. Bezüglich der gemischten Zuständigkeit wird sich dann auch der Deutsche Bundestag mit dem Abkommen auseinandersetzen. Dann werden wir die Diskussion hier weiterführen können.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Sandra Weeser das Wort.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414390
Wahlperiode 19
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Schutz der heimischen Landwirtschaft
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