17.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 141 / Tagesordnungspunkt 22

Daniela De RidderSPD - Schutz der heimischen Landwirtschaft

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste auf den Tribünen! Vom Freihandel profitieren wir alle, von günstigeren Waren etwa oder auch von Dienstleistungen oder neuen Absatzmärkten. Kosten sinken, Zölle entfallen, Preise purzeln. Die Chancen für Wirtschaft, Verbraucherinnen und Arbeitnehmer steigen indes. Darüber hinaus, und das ist sogar historisch verbrieft, wirken Freihandelsabkommen friedenssichernd. Nationen und Staatenbünde, die miteinander Handel treiben – wir hörten es eben schon – und ihre Handelshemmnisse abbauen, bekriegen sich eben nicht, und mit dem freien Handel kommt auch die Freizügigkeit. Oder, um es mit den sarkastischen Worten des Kabarettisten Dieter Nuhr zu sagen: Krieg ist schlecht fürs Geschäft.

Das EU-Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Uruguay, Paraguay und Argentinien beschäftigt uns nun schon seit geraumer Zeit, genauer gesagt: seit 1999. Dieses Abkommen ist im Wesentlichen ein Industrie- und Agrarabkommen, das vor allem den Austausch dieser Warengruppen und der damit verbundenen Dienstleistungen erleichtern soll. Wer behauptet, es ginge hier vor allem um den Schutz unserer Autoindustrie zulasten unserer Landwirtschaft, der springt zu kurz – das sei den Herren von der AfD gesagt –, wenn er denn überhaupt springen kann; denn dieses Abkommen beinhaltet noch viel mehr. Es geht auch um Migration, digitale Wirtschaft, Bekämpfung von Terrorismus, Geldwäsche oder Cyberkriminalität. Engen wir also doch bitte den Blick auf dieses Abkommen nicht unzulässig ein. Freihandel heißt ja nicht nur Austausch von Waren, sondern auch Angleichung von Standards. Bestenfalls werden auch noch Good-Practice-Modelle generiert, auf die andere Nationen möglicherweise sogar neidisch werden.

Und vergessen wir bitte nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir eine Exportnation sind. Besonders über den Export von Gütern wird unser Wohlstand generiert; so werden die Mittel für all die Wohltaten, die wir in diesem Hause beschließen, überhaupt erst erwirtschaftet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest, dass die Grünen in ihrem Antrag auf das Kapitel zur Nachhaltigkeit und zum Umweltschutz hinweisen, und zwar als einzige der Oppositionsfraktionen, die hier Anträge vorgelegt haben. Dieses Kapitel ist keineswegs ein Feigenblatt; denn alle unterzeichnenden Staaten verpflichten sich zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens. Brasilien – wir reden ja auch über die Brandrodungen, die dort stattfinden, die in der Tat besorgniserregend sind – wird zusätzlich zu Maßnahmen zur Eindämmung von weiteren Entwaldungen verpflichtet, und das ist gut und richtig so, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die SPD-Umweltministerin Svenja Schulze hat deutlich gemacht, ein solches Abkommen ohne Schutzabkommen für den Regenwald sei mit ihr nicht zu machen; denn dies sei verantwortungslos. Richtig so!

(Beifall bei der SPD)

Weiterhin werden in dem angesprochenen Kapitel die nachhaltige Bewirtschaftung und Erhaltung der Wälder, die Achtung von Arbeitnehmerrechten und die Förderung eines verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns behandelt.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Was passiert, wenn dagegen verstoßen wird?)

Noch etwas: Organisationen der Zivilgesellschaft spielen eine überaus aktive Rolle bei der Überwachung und der Umsetzung des Abkommens, liebe Frau Hänsel, einschließlich der landwirtschaftlichen und umweltpolitischen Belange. Kaum ein anderes Abkommen hat bisher bürgerschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement derart in den Fokus eines Freihandelsabkommens gerückt.

(Beifall bei der SPD)

Nachhaltige Freihandelsabkommen müssen in der Tat eine ausgleichende Trias aus Ökonomie, Ökologie und sozialer Sicherung darstellen. Das tut dieses Abkommen, auch wenn wir seitens der SPD mit einer endgültigen Verabschiedung dieses Abkommens nicht vor 2022 rechnen.

Der Grund für die illegalen Brandrodungen – das will ich aufnehmen – ist armutsinduziert. Die Amazonas-Region ist eine der ärmsten Regionen Brasiliens, und die dortigen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sind in der Tat – wovon sollten sie auch sonst leben? – auf Landwirtschaft angewiesen. Diese Brandrodungen gilt es in der Tat zu bekämpfen. Deshalb sind sie genau Gegenstand dieses Abkommens.

Aber man muss sich nicht nur mit den ökologischen Kriterien dieses Abkommens, sondern auch mit den sozialen Aspekten auseinandersetzen. Es ist gut, dass dies auch mit Blick auf die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung geschieht, die ich hier noch einmal deutlich erwähnen möchte. Man kann also nicht einen umfassenden Blick, wie das in den Anträgen, die uns vorliegen, getan wird, reklamieren und gleichzeitig diese Dinge alle ausblenden. Angesichts der weltpolitischen Lage – ich nenne nur Stichworte: Brexit, Handelskrieg zwischen den USA und China, aber möglicherweise auch bald wieder Druck auf uns, die Krise der WTO – kann man ein solches Handelsabkommen nicht in Bausch und Bogen verdammen.

Die Lösung ist, dieses Abkommen noch weiter auszuhandeln, Details zu klären, aber es nicht für nichtig zu erklären.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Reinhard Houben [FDP])

Wer sich also für den Multilateralismus einsetzt, der kann nicht mit der Verweigerung von richtigen Instrumenten dem Unilateralismus das Wort reden. Wir ließen in diesen lateinamerikanischen Ländern sonst Räume für China oder die USA. Ob die auf die Einhaltung der Menschenrechte oder auf faire Verfahren so großen Wert legen wie wir, wage ich zu bezweifeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Heike Hänsel, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414392
Wahlperiode 19
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Schutz der heimischen Landwirtschaft
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