17.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 141 / Tagesordnungspunkt 23

Sonja SteffenSPD - Investitionen für ein zukunftsfähiges Deutschland

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Als ich den Antrag der Linken zum ersten Mal überflogen habe, da habe ich mich erst einmal gefreut und habe gedacht: Es ist ja eher selten, dass aus Ihrer Fraktion Lob für unseren Investitionshaushalt kommt. – Denn immerhin haben wir – das haben wir schon gehört – in diesem Haushalt 2020 43 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen und – auch das ist schon erwähnt worden – noch einmal obendrauf mindestens 13,5 Milliarden Euro in 2019 durch sparsame und gute Haushaltsführung eingespart, die wir für Investitionen nutzen können.

(Beifall bei der SPD – Victor Perli [DIE LINKE]: Durch nicht abgeflossenes Geld!)

Aber: Als ich den Antrag ein bisschen gründlicher gelesen habe, da hat meine Freude etwas nachgelassen. Denn unsere Arbeit, die Arbeit der Großen Koalition, wie Sie sie nennen, wird deutlich weniger gelobt, als sie es eigentlich verdient hätte.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sie sind anscheinend nicht zufrieden mit unseren Investitionen und fordern in Ihrem Antrag tatsächlich zusätzliche 45 Milliarden Euro pro Jahr für die nächsten zehn Jahre.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Der BDI und der DGB fordern das!)

Das sind 450 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre – nicht vier, sondern zehn Jahre.

(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Das ist doch euer Beschluss! Was ist denn hier los? Das habt ihr beschlossen auf dem Parteitag!)

Das wollen Sie – das haben Sie gerade gesagt, Herr Ulrich – komplett mit neuen Schulden finanzieren.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Parteitagsbeschluss! Das will doch die SPD!)

Ehrlicherweise: Wir halten davon nichts.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Sie können doch nicht sagen, Sie halten nichts davon, wenn Ihr Parteitag das beschlossen hat!)

Ich denke mir auch, dass Sie die Haushalte der letzten Jahre und eben auch den Haushalt 2020 nicht ganz genau gelesen haben. Denn sonst müssten Sie sehen, dass wir seit 2013 die Investitionen kontinuierlich erhöhen. Wir hatten 2013 Investitionen in Höhe von 25 Milliarden Euro und liegen jetzt bei über 40 Milliarden Euro.

Übrigens – weil Sie so oft von DGB und BDI sprechen –: Die Zahlen, die Sie da präsentieren, kommen aus dem November, und das war noch vor der Verabschiedung unseres Haushalts.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Zusätzlich!)

Vielleicht sollten Sie sich noch einmal erkundigen; denn die jetzige Situation wird auch vom DGB anders beurteilt.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind doch nicht davon abgerückt!)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von wem denn?

(Otto Fricke [FDP], an DIE LINKE gewandt: Steht doch einfach mal auf! Dann sieht man auch, wer fragen will!)

Die Fraktion Die Linke hat Nachfragebedarf.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das gibt doch keinen Erkenntnisgewinn!)

Ja.

Frau Kollegin, ich danke Ihnen, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. Ich bin ein ganz freundlicher Kollege,

(Sonja Amalie Steffen [SPD]: Ich weiß!)

und deswegen will ich ganz freundlich nachfragen; denn Sie kritisieren ja eine Forderung, die nach meiner Kenntnis der SPD-Parteitag kürzlich selbst beschlossen hat. Von daher möchte ich gerne fragen, ob Sie nicht Ihr Verhältnis zu Ihren eigenen Parteitagsbeschlüssen einmal klären sollten.

(Beifall bei der LINKEN – Reinhard Houben [FDP]: Die CDU hat mit solchen Sachen nichts zu tun! – Otto Fricke [FDP]: Fabio, wehe, wenn du heute nicht bis zum Schluss da bist!)

Sie können jetzt die Frage freundlich beantworten.

Vielen Dank für die Frage. – Ich muss gestehen: Ich habe schon ein bisschen damit gerechnet; denn das hätte ich an Ihrer Stelle auch gefragt. Aber wenn Sie sich den Parteitagsbeschluss einmal genau anschauen, dann sehen Sie, dass wir uns von der Schuldenbremse nur dann verabschieden wollen, wenn es auch wirklich gerechtfertigt ist. Insofern bleibe ich bei meiner Meinung, dass jetzt in der Zeit der sprudelnden Steuereinnahmen die Schuldenbremse nicht gelockert werden kann. Ich sage Ihnen im Nachgang meiner Rede auch einmal, warum ich das denke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe es schon angekündigt: Blindes Investieren und eine noch stärkere Neuverschuldung sorgen in diesen Zeiten nicht automatisch für eine goldene Zukunft.

Ich bin übrigens auch davon überzeugt: Ohne die aktuelle Zinsentwicklung, die wir jetzt haben, also ohne die derzeitige Nullzinsphase, hätten selbst Sie diesen Antrag nicht gestellt; davon bin ich überzeugt. Aber wir wissen eben nicht, ob diese Nullzinsphase in den nächstens Jahren noch so bleiben wird. Deshalb meine ich: Der Antrag kann kein Plan sein, um die Investitionskraft unseres Landes nachhaltig zu stärken.

Beim Thema Nachhaltigkeit will ich auf die Verantwortung unsererseits für die zukünftigen Generationen verweisen. Ich will, ehrlich gesagt, meinen drei Töchtern nicht in 20, 30 Jahren erklären müssen, dass wir in einer Zeit, in der wir wirklich über viel, viel Geld verfügen konnten, noch viel, viel mehr Schulden gemacht haben. Das möchte ich ihnen nicht erklären müssen. Ich möchte auch nicht, dass unsere Kinder das ausbaden, was wir in dieser Zeit an unvorsichtigen Maßnahmen treffen würden, wenn wir Ihrem Antrag folgen würden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die müssen ausbaden, dass wir so wenig investieren!)

Was kann man noch tun, um mehr Steuereinnahmen zu erhalten? Die Finanztransaktionsteuer ist von unserem Finanzminister angekündigt worden. Ich finde, man kann auch wirklich über die Erhöhung des Spitzensteuersatzes reden; da sind wir vielleicht relativ eng beieinander. Aber es reicht nicht, es ist keine gute Idee, jetzt neue Schulden zu machen, erst recht nicht in dieser Dimension.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich will noch ein paar Punkte zu der Frage der Umsetzung sagen. Wir müssen – das hat mein Kollege Mattfeldt vorhin schon gesagt – schauen, was möglich ist. Ich finde, man kann die derzeitige Situation so ein bisschen mit einer Kaffeemühle vergleichen. Also: Wenn Sie die Investitionsmittel als Kaffeebohnen sehen und Sie die Kaffeebohnen in die Kaffeemühle tun und guten Kaffee bekommen wollen – das wären dann die Investitionen –, dann werden Sie nicht, wenn Sie merken, die Kaffeemühle schafft es nicht mehr, noch mehr Kaffeebohnen obendrauf kippen; denn dann verstopft es erst recht.

(Jörg Cezanne [DIE LINKE]: Investition wäre, eine größere Kaffeemühle zu bauen!)

Das ist das, was Sie vorhaben. Wir kriegen das ja gar nicht auf die Straße, was Sie da gerade verlangen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich finde: Wir müssen uns über andere Dinge unterhalten. Wir müssen uns tatsächlich darüber unterhalten, ob wir eine Entlastung bei den Altschulden der Kommunen vornehmen; da bin ich wieder mit Ihnen einer Meinung. Ich finde übrigens auch – das hat Kollege Mattfeldt auch gesagt –: Wir müssen das Bauplanungsrecht und das Vergaberecht vereinfachen, und wir müssen sicherstellen, dass das Fachkräfteangebot verbessert wird.

Alles in allem appelliere ich an dieser Stelle an uns alle für eine weitere Verbesserung bei der Umsetzung in Verbindung mit einer geregelten und guten Investitionssteigerung. Wir erwarten übrigens im März 2020 die Eckpunkte für 2021, und wir erwarten den mittleren Finanzplan von der Bundesregierung für die Jahre 2021 bis 2025. Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass oberste Zielsetzung sein wird, dass wir Investitionen in allen Bereichen tätigen werden, dass wir Investitionssteigerungen haben werden. Ich bin mir übrigens sicher, dass der BDI und der DGB das auch gut finden werden. Und wissen Sie was: Wenn uns die Investitionen nicht reichen, dann sind wir als Bundestag stark genug – das haben wir in der Vergangenheit oft genug bewiesen –, den Finanzrahmenplan der Bundesregierung an der einen oder anderen Stelle kräftig zu ändern.

Lassen Sie uns gemeinsam an einer zukunftsorientierten, aber auch an einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik arbeiten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Zu einer sehr kurzen Kurzintervention erhält das Wort der Kollege Alexander Ulrich. Ich mache darauf aufmerksam, dass man darauf antworten kann, aber nicht antworten muss.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414402
Wahlperiode 19
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Investitionen für ein zukunftsfähiges Deutschland
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta