Benjamin StrasserFDP - Automatisierte Gesichtserkennung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einmal mehr zwingt uns Bundesinnenminister Seehofer, einen Antrag vorzulegen, weil im Bundesinnenministerium ganz offensichtlich weder die Bürgerrechte noch die Privatsphäre trotz eines Heimatministers eine Heimat haben. Das ist bitter. Dabei wird in Deutschland alles geregelt, es gibt für alles irgendwelche Normen und Regeln. Es gibt einen TÜV für Autos, es gibt aber keinen TÜV für Bürgerrechte. Darum ist es richtig, dass die Wählerinnen und Wähler uns als Freie Demokraten als Bürgerrechts-TÜV wieder in dieses Hohe Haus entsandt haben.
(Beifall bei der FDP)
Dieser Rolle werden wir heute auch gerecht. Ein Credo der unionsgeführten Innenpolitik lautet seit Jahrzehnten: Alles, was möglich ist, ist für uns auch machbar, und zur Not haben wir ja noch das Verfassungsgericht. – Das ist nicht unser Rechtsstaatsverständnis in diesem Land. Wir wollen nicht bei jedem Gesetz bis an die Belastungsgrenze des Verfassungsrechts gehen, sondern wir wollen uns ganz genau anschauen, was sinnvoll ist, und nicht, was nur technisch möglich ist.
(Beifall bei der FDP)
Wir sagen hier ganz klar Nein, wenn es um die Einführung einer generellen automatisierten biometrischen Gesichtserkennung in diesem Land geht. Sie in der Union scheinen gar nicht zu verstehen, was eigentlich das Problem ist. Ich probiere es einmal auf Latein, wenn es auf Deutsch nicht funktioniert: „Respice finem!“, möchte man Ihnen zurufen, „Bedenke das Ende!“. Das Problem, Herr Middelberg, das ist doch nicht der Treffer; das Problem ist, dass Sie alle Bürgerinnen und Bürger, die an dieser Kamera vorbeigehen, zunächst einmal zu potenziellen Terroristen erklären, die abgeglichen werden müssen, und erst bei einem Treffer ist es ein Terrorist.
(Beifall bei der FDP – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Quatsch! Unsinn ist das! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Treffen Sie sich mal auf einen Kaffee mit Herrn Middelberg!)
Das ist das Problem. Das wird Ihnen das Verfassungsgericht auch ganz klar sagen.
Die Digitalisierung bietet unendliche Chancen, auch im Sicherheitsbereich. Das ist so. Sie bietet im Übrigen auch Chancen, Technologien, die momentan sehr eingriffsintensiv sind, datensparsamer und eingriffsärmer zu gestalten. Ich würde mir Ihre Technikbegeisterung gerne wünschen, wenn es beispielsweise darum geht, einen verschlüsselten Messenger-Dienst für die Polizei anzuschaffen. Da versagen Sie seit Jahren, sind aber bei jeder Schnapsidee dieses Bundesinnenministers begeistert.
(Beifall bei der FDP)
Wir müssen ganz genau hinschauen, was da passiert. In Baden-Württemberg zum Beispiel gibt es am Fraunhofer-Institut in Mannheim das interessante Projekt, dass eben nicht alle Menschen erkannt werden, sondern dass die Menschen verpixelt gefilmt werden und – basierend auf Algorithmen – erst dann die Szene aktiviert wird, wenn ein Mensch geschlagen, getreten oder sonst wie körperlich angegangen wird. Letztlich entscheidet dann ein Beamter, was in dieser konkreten Situation zu tun ist. Da sind wir durchaus offen.
Wir sind aber nicht am Ende dieser Diskussion. Weder Sie noch wir wissen, wie sich das technologisch entwickeln wird und welche Risiken und Nebenwirkungen diese Technologie hat. Deswegen ist ein Moratorium so wichtig, das wir in diesem Antrag fordern. Erst einmal soll untersucht werden, was technisch möglich ist, was die Nebenwirkungen sind. Dann können wir in diesem Hohen Haus entscheiden, was bürgerrechtskonform umgesetzt werden kann. Deswegen sollten Sie unserem Antrag zustimmen.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Strasser. – Als nächster Redner hat der Kollege Christoph de Vries, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7424639 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Automatisierte Gesichtserkennung |