Jens ZimmermannSPD - Automatisierte Gesichtserkennung
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, zunächst sollte man mal feststellen, dass wir es eigentlich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in Deutschland geschafft haben, eine vernünftige und ausgewogene Diskussion beim Thema Überwachung zu haben. Wir sind, wenn wir uns andere Länder anschauen, weit, weit von den Extremen entfernt. Jeder, der mal in London war, weiß, dass an jeder einzelnen U-Bahnstation 200 Kameras sind. Das Ergebnis bei uns zeigt, dass wir auch hier im Deutschen Bundestag immer wieder um die Frage der Videoüberwachung gerungen haben, dass wir sie weder einseitig verteufelt haben noch einseitig als seligmachende Lösung angesehen haben. Ich finde, wir brauchen bei dem Thema Gesichtserkennung an dieser Stelle genau so eine Debatte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir hatten hier vor Weihnachten einen Kollegen aus dem Parlament in Hongkong zu Gast. Wenn man sich mit ihm unterhält, stellt man fest, dass das nicht irgendwelche Fantasien sind, sondern dass es die Probleme, die heute in dieser Debatte aufgeführt worden sind, durchaus schon konkret gibt. Es ging darum, dass smarte Verkehrskameras aufgestellt wurden und jetzt plötzlich Menschen, die wieder nach China einreisen wollen, an der Einreise gehindert werden, weil diese Kameras auch die Demonstrantinnen und Demonstranten dort erfasst haben. Das ist keine Fantasie; das findet dort statt. Das ist auch technisch möglich. Deswegen ist es wichtig, dass wir darüber diskutieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
Wenn wir uns das Thema „Social Scoring“ anschauen, dann geht es schon weiter. Sie bekommen negative Bewertungen, wenn Sie ein Papierkügelchen auf den Boden schmeißen. Das findet mit dieser Technologie statt.
Eben sind auch die privaten Unternehmen angesprochen worden. Es ist richtig: Die privaten Datenkraken sind ein reales Problem. Aber wir müssen auch aufpassen; denn: Die Versuchung, genau auf diese Daten dann auch staatlicherseits zuzugreifen, ist ziemlich groß.
(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Aber das steht doch hier gar nicht zur Debatte!)
Das Vorgehen des Unternehmens Clearview ist deswegen zur Diskussion geworden: Ein privates Unternehmen hat über 3 Milliarden Fotos gesammelt und Profile erstellt, und jetzt kommen in den USA Ermittlungsbehörden und sagen: Wir nutzen das, um Menschen zu identifizieren.
(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Darum geht es hier doch gar nicht!)
Das ist real. Das ist ein Problem. Das gilt es in jedem Fall zu verhindern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Darum geht es hier exakt gar nicht!)
Wir müssen uns natürlich auch anschauen, welche Diskussionen eigentlich auch schon laufen. Wir haben ja nicht nur die Diskussion über die Gesichtserkennung. Schauen wir uns mal das Thema Palantir-Software an, wo es darum geht, mit Algorithmen Datenbanken zusammenzulegen und eben auch analoge Dinge smart und intelligent zu machen. Da blicke ich schon auch zu den Kolleginnen und Kollegen von FDP und Grünen. In Hessen ist diese umstrittene Software unter Schwarz-Grün eingeführt worden.
(Zuruf von der FDP: Können wir ja nichts für!)
In Nordrhein-Westfalen wird es jetzt eingeführt mit Beteiligung der FDP.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Ganz anders! Nein! Nein!)
Ich würde mir an der Stelle auch mal eine so engagierte Debatte wünschen, wie wir sie jetzt haben. Das wäre notwendig.
(Beifall bei der SPD)
Ich will am Ende meiner Rede auch noch eines klarmachen, weil immer von Orwell und irgendwie von Fantasie gesprochen wird. Warum müssen wir immer auch ein bisschen nach vorne denken? In Österreich hätte sich niemand vorstellen können, dass irgendwann mal das Innenministerium das Bundesamt für Verfassungsschutz durchsuchen lässt und alle Akten von Rechtsextremisten konfisziert. Das war weit außerhalb unserer Vorstellungskraft. Deswegen müssen wir, wenn wir dem Staat solche Instrumente zur Verfügung stellen, solche Möglichkeiten in Betracht ziehen. Ich habe keine Bedenken, was das hier und jetzt angeht; ich habe großes Vertrauen in unsere Behörden. Wenn wir uns anschauen, was in Österreich passiert ist, dann müssen wir uns auch vorstellen, was – ich hoffe, das wird nicht passieren – vielleicht auch mal in Deutschland passieren kann. Deswegen ist es wichtig, dass wir hier eine abgewogene und ausgewogene Debatte führen und diese Dinge nicht einfach als Fantasie zur Seite wischen.
Ich freue mich auf die Diskussion. Ich finde es gut, dass sie heute hier begonnen hat.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank, Herr Kollege. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Michael Kuffer, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7424643 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Automatisierte Gesichtserkennung |