Torsten HerbstFDP - Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist keine Frage: Ein attraktiver ÖPNV schafft einen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger. Unser Dank gilt aber nicht zuerst der Koalition, sondern zuerst dem deutschen Steuerzahler; denn der ermöglicht mit seinem Geld, dass wir in den ÖPNV investieren können.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Sören Bartol [SPD]: Das dürft ihr jetzt ruhig mal sagen!)
Uns als Freien Demokraten geht es dabei nicht um Ideologie, es geht nicht um Weltrettung, es geht auch nicht um den Kulturkampf gegen das Auto, sondern es geht schlichtweg darum, bessere Mobilität und Alternativen im Alltag zu zeigen.
(Beifall bei der FDP)
Der Verkehrsminister hat es angesprochen: Wenn wir uns U-Bahnen, S-Bahnen und Straßenbahnen zu Stoßzeiten anschauen, sehen wir, dass wir da mittlerweile an Kapazitätsgrenzen gelangt sind. Da ist es sinnvoll, in Ausbau und Modernisierung zu investieren. Deshalb stimmen wir als Freie Demokraten diesem Gesetzentwurf auch zu.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Gute Entscheidung!)
Was wir allerdings – das will ich hinzufügen – schon als zum Teil ziemlich schräg empfinden, ist eine in Teilen von manchen Fraktionen hier betriebene völlige ideologische Überlagerung der gesamten ÖPNV-Diskussion. Da gibt es mittlerweile einen bunten Strauß an Forderungen: Man müsse die Autos in Innenstädten komplett verbieten. Man müsse Radfahrern Sonderurlaubstage gewähren. Kostenlosen ÖPNV müsse es überall geben, und den Verbrennungsmotor, den möge man bitte verbieten. – Meine Meinung ist dazu: Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist weit weg vom Bild des mündigen Bürgers. Das ist zwangsgrüne Umerziehung, und das wird es mit den Freien Demokraten nicht geben.
(Beifall bei der FDP)
Wir wollen die Menschen durch attraktive ÖPNV-Angebote überzeugen, auch einmal auf eine Autofahrt zu verzichten, und nicht die grüne Moralkeule schwingen. Ich glaube, das ist auch der bessere Weg: Alternativen schaffen, gute Angebote schaffen. Komfort, Schnelligkeit und Service, das sind die Merkmale, die den ÖPNV attraktiv machen und die dafür sorgen, dass sich die Bürger für den ÖPNV entscheiden.
Ich will aber auch hinzufügen: Beim GVFG und auch bei anderen Bundesprogrammen stellt sich immer die grundsätzliche Frage, ob denn die Verlängerung einer Straßenbahnlinie wirklich eine Aufgabe ist, die der Bund in jedem Fall mitfinanzieren muss. Warum haben unsere Länder und Kommunen eigentlich nicht die finanzielle Kraft, aus eigenen Mitteln diese doch originären Aufgaben zu erfüllen?
(Marian Wendt [CDU/CSU]: Natürlich haben sie das!)
Ich glaube, wir könnten die gesamte Fördermittelbürokratie, über die wir uns alle hier ganz oft beschweren, deutlich reduzieren, wenn wir die Finanzkraft von Ländern und Kommunen stärken. Dann würde nämlich nicht vor allem gebaut, was mit Subventionen gefördert wird, sondern es würde gebaut, was gebraucht wird.
(Marian Wendt [CDU/CSU]: Die Länder und Kommunen waren noch nie so finanzkräftig wie jetzt! Das muss man wissen!)
Das wäre aus unserer Sicht in der langfristigen Perspektive der bessere Ansatz, um Steuergelder sinnvoll einzusetzen.
Herr Kollege Herbst, erlauben Sie eine Nachfrage aus der Fraktion Die Linke?
Gerne.
Bitte.
Herr Kollege Herbst, vielen Dank, dass Sie das zulassen, auch wenn das jetzt quasi eine nachgelagerte Zwischenfrage ist. Aber bei der Frage, ob die Kommunen das nicht selbst finanzieren könnten, bin ich etwas angetriggert gewesen. Ich komme aus Potsdam. Die Landeshauptstadt Potsdam profitiert vom starken Zuzug nach Berlin. Viele Menschen landen eben nicht in Berlin, sondern bei uns. Die Landeshauptstadt entwickelt gerade ein Wohngebiet, in dem perspektivisch über 10 000 Menschen wohnen sollen und das nur durch eine Straßenbahn sinnvoll angeschlossen werden kann.
(Daniela Kluckert [FDP]: Norbert Müller? Das ist doch der mit dem Fahrdienst!)
Daher hofft sie dringend auf die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Wir reden über 300 Millionen Euro für eine Stadt mit 180 000 Einwohnern.
Bitte sagen Sie mir: Wie wollen Sie denn eine Kommune finanziell dauerhaft so ausstatten, dass sie ohne Unterstützungsprogramme des Bundes 300 Millionen Euro für ein Straßenbahnprojekt zur Erschließung eines Wohngebietes, das wir brauchen, weil viele Menschen von Potsdam aus nach Berlin fahren – nicht nur, weil es bei uns so schön ist –, investieren kann? Auch wenn es in Potsdam natürlich sehr schön ist, finde ich, dass es an dieser Stelle richtig ist, dass der Bund die Kommunen unterstützt, und zwar auch, wenn es originär eine kommunale Aufgabe sein mag. Denn eine Kommune könnte das niemals alleine stemmen, wie gesagt, 300 Millionen Euro bei 180 000 Einwohnern in der Landeshauptstadt. Das ist überhaupt nicht darstellbar. Genau dafür brauchen wir das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Ich glaube, es müsste sogar besser ausgestattet sein, als von der Bundesregierung jetzt beabsichtigt.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Kollege, in diesem Fall besteht sogar Konsens; denn bei Großprojekten in dieser Dimension ist eine finanzielle Unterstützung der Kommunen von außen notwendig. Aber Sie wissen auch: Wir haben die entsprechenden Grenzen im GVFG sehr stark abgesenkt, teilweise auf 10 Millionen Euro. Wenn ich mir die Größe des kommunalen Haushalts der Stadt Potsdam anschaue: Ganz ehrlich, wenn man eine Investition von 10 oder 12 Millionen Euro nicht selbst stemmen kann, dann macht man, glaube ich, etwas falsch.
Wir regen uns alle auf und wir haben viel diskutiert über Förderkriterien, über die Kompliziertheit der Verfahren, über die Dauer; denn erst müssen Anträge eingereicht werden, dann werden sie im Bundesministerium bearbeitet, bevor sie zurückgegeben werden. Wir müssen dafür sorgen, dass Verkehrsinvestitionen in Deutschland schneller auf den Weg gebracht werden. Bisher dauert alles viel zu lange.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Herbst. – Als nächster Redner hat der Kollege Andreas Wagner, Fraktion Die Linke, das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7424651 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes |