Christian WirthAfD - Wiedergutmachung im Staatsangehörigkeitsrecht
Herr Präsident! Werte Kollegen! Vorab möchte ich im Rahmen der Behandlung des Themas Staatsangehörigkeit, Herr Professor Krings, die Bundesregierung bitten, sich des Falles der russlanddeutschen Frau aus Germersheim, Rheinland-Pfalz, anzunehmen, die nächste Woche mit ihren beiden Kindern abgeschoben werden soll, obwohl bereits ihre Eltern als Russlanddeutsche in Deutschland gelebt haben. Der Fall ist relativ absurd.
Die Abstammung ist nach der Familie wohl das wichtigste Identifizierungsmerkmal des Menschen in der zivilisierten Welt. Sie ist das Bindeglied zu den Wurzeln eines Menschen, zur Sprache, Kultur, Geschichte, sinngebend für eine Solidargemeinschaft auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen einer Nation und somit die wichtigste Grundlage für die Staatsangehörigkeit. Das Staatsangehörigkeitsrecht ist ein zentraler Aspekt der staatlichen Ordnung; denn dieses definiert das Staatsvolk und stellt das rechtliche Band dar, das den Bürger mit seinem Staat verbindet.
(Marianne Schieder [SPD]: Was ist das für eine Vorlesung?)
Die Ausbürgerung bedeutet ähnlich wie der Verstoß aus der Familie den Verlust wesentlicher Identifikationsmerkmale, mit denen ein Mensch aufwächst. Kein Wunder, dass der Nationalsozialismus sich während seiner Schreckensherrschaft auch des Mittels der Ausbürgerung bediente, bei Menschen, die nicht in ihr verqueres Weltbild passten.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war kein verqueres Weltbild, das war Faschismus!)
Ebenso wenig ist es ein Wunder, dass die sozialistische Diktatur der DDR dieses Mittel gegen unliebsame Bürger von den Nationalsozialisten übernahm.
Zwar bestimmt Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes, dass frühere deutsche Staatsangehörige, denen die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge auf Antrag wieder einzubürgern sind. Allerdings ist diese Regelung nicht nur sprachlich ungenau, sie wirft auch rechtliche Fragen auf, da die Einbürgerung nach alten überkommenen Regelungen erfolgt, die bei Frauen und Männern und deren Abkömmlingen je nach Ehestatus zu unterschiedlichen Regelungen führen kann.
Konkret bedeutet das Rechtspostulat der Kausalität der Ausbürgerung nämlich, dass Abkömmlinge im Sinne des Grundgesetzes die ehelichen und legitimierten Kinder und Kindeskinder ausgebürgerter Männer sind sowie die nichtehelichen sowie nach Durchsetzung der Gleichberechtigung geborenen ehelichen Kinder und Kindeskinder ausgebürgerter Frauen. Umgekehrt erbt aber ein nichteheliches Kind nicht die Deutscheneigenschaft seines Vaters, und ein früheres eheliches Kind, dessen Vater kein Deutscher war, nicht die Deutscheneigenschaft seiner Mutter.
Sicher reden wir nicht mehr von sehr vielen Geschädigten, aber solche Ungerechtigkeiten müssen 75 Jahre nach Ende der NS-Herrschaft beseitigt werden, während leider der Trend bei dem DDR-Unrecht dahin geht, das Unrecht zu leugnen.
Da stellt sich natürlich die Frage, warum die Bundesregierung, die sonst gar nicht genug Staatsbürgerschaften verteilen kann, bei diesem Thema so viel Zurückhaltung zeigt. Wir haben vorhin vielleicht einen Grund gehört. Andererseits sagt die Bundesregierung:
Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Überlegungen zu einer sachgerechten Lösung wegen der Komplexität dieser Problematik noch nicht abgeschlossen sind.
Aus diesem Grunde ist der Antrag der FDP, die Bundesregierung zu einem Gesetzentwurf aufzufordern, bereits ein untaugliches Mittel.
Aber auch inhaltlich bleibt der Antrag schwammig und handwerklich schlecht gemacht. Hier soll es auch um die Ehegatten ausgebürgerter deutscher Staatsbürger gehen, die „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätten“. Dieser Gummiparagraf schließt auch all jene ein, die nie deutsche Staatsbürger waren und nie Interesse an einer Einbürgerung hatten. Da es hier konkret auch um deren Abkömmlinge gehen soll, was bei gemeinsamen Abkömmlingen mit dem deutschen Partner ja hinfällig ist, führt dies zu unsinnigen Realitäten:
Eine Frau, sagen wir, eine Britin, die einen geflüchteten Deutschen geheiratet hat und nach der Trennung oder nach dessen Tod Kinder mit jemand anderem hatte, könnte auf diesem Wege diesen den Anspruch auf eine Einbürgerung vererben. Das wäre vielleicht nicht Ihre Absicht, wäre aber die absurde Folge Ihrer Forderung.
Die Linkspartei weist in ihrem Gesetzentwurf auf einen oft übersehenen Sonderfall hin, nämlich die Fälle all derer, die zwar nie formell ausgebürgert, aber von Masseneinbürgerungen ausdrücklich ausgenommen wurden, so zum Beispiel die Juden der Stadt Danzig. Allerdings ist die folgende Ausweitung auf alle „nach 1933 angeschlossenen … Gebiete“ dann doch problematisch. Nimmt man Ihren Entwurf so an, wie er hier steht, entsteht ein Paradoxon: Bestimmte Gruppen wie Juden, Sinti und Roma, die in Österreich lebten und mit dem Anschluss von der deutschen Staatsangehörigkeit ausgenommen wurden, würden ein Recht auf Einbürgerung erhalten, obwohl sie nie eine deutsche Staatsbürgerschaft hatten. Österreicher, die mit dem Anschluss die deutsche Staatsbürgerschaft erhielten, sie aber 1945 natürlich wieder verloren haben, nicht – mindestens ein Grenzfall des Gleichbehandlungsgebotes.
Schließlich verzichten Sie auf die formellen Voraussetzungen des § 8 des Staatsangehörigkeitsgesetzes und fordern keinerlei Bindung an Deutschland für die Abkömmlinge, sodass bei Ihnen eine gewisse Beliebigkeit bei der Einbürgerung zu befürchten ist.
Kommen wir also zum Gesetzentwurf der Grünen, und – das wird Sie überraschen – den finden wir gut. Lobenswert sind der explizite Verweis auf § 8 Staatsangehörigkeitsgesetz als Voraussetzung für die Einbürgerung und eine ausdrücklich geforderte Bindung an Deutschland für nicht in Deutschland geborene Abkömmlinge.
Zwar ist fraglich, ob die Geburt alleine schon ausschlaggebend sein soll, wenn das gesamte Berufsleben im Ausland stattfand, aber die Zahl der Fälle sollte überschaubar sein. Immerhin entschärft die Vorgabe der Bindung an Deutschland auch das Österreich-Problem, was vor absurden Folgen, wie sie sich aus dem Antrag der Linken ergeben, schützt.
Wir werden deshalb dem Antrag der Grünen zustimmen. Auch wenn wir wissen, dass man uns nicht mit derselben Fairness begegnen wird, sind wir fairerweise bereit, einen sinnvollen Antrag auch ohne Ansehen der Partei mitzutragen.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben auch keine Rechtsextremen bei uns!)
Darüber hinaus begrüßen wir es, dass die drei anderen Oppositionsparteien offenbar das Abstammungsprinzip in Sachen Staatsbürgerschaft wieder für sich entdeckt haben, nachdem sie es jahrzehntelang verteufelten. Die Grünen haben es im Jahr 2000 sogar mit abgeschafft.
Herzlichen Glückwunsch zur Besserung und ein genauso herzliches Willkommen im Kreis der Vernünftigen, zumindest in dieser Frage.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD – Marianne Schieder [SPD]: Das ist nicht möglich, solange ihr dabei seid!)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Helge Lindh, SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7424666 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Wiedergutmachung im Staatsangehörigkeitsrecht |