30.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 143 / Tagesordnungspunkt 15

Thomas HitschlerSPD - Beschleunigte Beschaffung im Verteidigungsbereich

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon ein paarmal gehört: Der Wehrbeauftragte hat zu Beginn dieser Woche ganz bewusst den Finger in die Wunde gelegt, wenn er davon spricht, dass es inzwischen dysfunktional gewordene Strukturen in der Beschaffung gibt. Er spricht von bürokratischem Klein-Klein und erwähnt Mittel in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, die im Bereich der militärischen Hardware im vergangenen Jahr nicht abfließen konnten. Wir denken, dass ein großes Hindernis dafür, eine gut ausgerüstete Bundeswehr herbeizuführen, eben die bürokratischen Hürden sind, über die wir heute ausführlich diskutiert haben.

Wir haben uns daher im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, im Vergaberecht die notwendigen Änderungen vorzunehmen.

Herr Kollege Hitschler, die Kollegin Keul würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Er hat noch gar nichts gesagt!)

Das ging aber schnell. – Ja, liebe Frau Kollegin Keul, sehr gern.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen.

Für Sie immer.

Ich muss jetzt doch einmal der FDP zur Seite springen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wenn man Ihnen und dem Kollegen Otte zuhört, dann hat man das Gefühl, das gesamte Vergaberecht sei eine einzige bürokratische Hürde für effiziente Beschaffung. Haben Sie denn schon einmal darüber nachgedacht, dass der Sinn und Zweck eines Vergabeverfahrens der ist, einen fairen Wettbewerb sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass am Ende das tatsächlich qualitativ beste Produkt für die Bundeswehr angeschafft wird

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

und nicht das, was sich in intransparenten Verfahren möglicherweise durchsetzt?

Liebe Frau Kollegin Keul, erst einmal vielen herzlichen Dank für die Frage. – Ich würde erst einmal an diesem Punkt beginnen. Vielleicht komme ich ja im Laufe meiner Rede noch ein Stück weit auf das zu sprechen, was Sie gerade gefordert haben. Aber Sie sind auch schon eine ganze Weile im Bereich der Verteidigungspolitik tätig. Wir können uns lange vormachen, dass alles bei der Bundeswehr ganz schnell ist und dass wir nichts ändern wollen. Aber für diesen Punkt ist die Große Koalition nicht angetreten. Wir hören fast jede Woche im Verteidigungsausschuss Berichte zum Großgerät bei der Bundeswehr, das nicht schnell genug kommt. Ausschreibungen werden immer weiter nach hinten geschoben. Genau diesen Punkt gehen wir jetzt an.

Vielleicht ein Punkt, der die ganze Zeit merkwürdig dargestellt wurde: Es hört sich so an, als würden wir nur noch national ausschreiben. Wir können künftig in manchen Bereichen in einem sehr eng definierten Rahmen sagen: Nationale Schlüsseltechnologie in einem bestimmten Bereich schreiben wir national aus. Der europäische Markt bleibt davon unberührt, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Henning Otte [CDU/CSU])

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Wo es Bedarf an schneller Beschaffung gibt, muss es auch gesetzliche Möglichkeiten geben, genau diesen Bedarf zu decken. Wir glauben nämlich, dass schnelle Beschaffung wichtig ist. Trotzdem, Frau Kollegin Keul, stellen wir keinen Freibrief zur Aushebelung des Beschaffungsrechts für alles, was olivgrün angestrichen ist, aus. Wir setzen klare Grenzen, die festlegen, was geht und was nicht. Wir fügen Regelbeispiele für Fälle ein, in denen auf eine EU-weite Ausschreibung verzichtet werden kann. Wir setzen klare Grenzen dabei. Ein Beispiel: Wir können bei bereits mandatierten Auslandseinsätzen, einsatzgleichen Verpflichtungen oder Bündnisverpflichtungen und selbstverständlich auch im Krisenfall genau auf diese Ausnahmen zurückgreifen.

Im Gesetzentwurf wird nicht nur deutlich, wann unsere wesentlichen Sicherheitsinteressen berührt sind, sondern auch, welche Güter die beschleunigte Beschaffung in diesem Bereich ermöglichen soll. Kurz gesagt: Es muss eine sogenannte Schlüsseltechnologie sein, die vom Bundeskabinett entsprechend eingestuft wird. Dazu gehören beispielsweise geschützte Fahrzeuge, U-Boote oder Verschlüsselungstechnologien. Wir meinen, das ist ein klares Bekenntnis genau zu den besonderen Anforderungen der sicherheitsrelevanten Beschaffung, für die wir uns auch im Verteidigungsausschuss sehr häufig starkmachen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir aber feststellen, dass speziell im Bereich des Beschaffungswesens – wer sich das Beschaffungsamt anschaut, stellt genau das fest – noch über 1 500 Stellen unbesetzt sind, dann wissen wir, dass wir nicht aufhören und den Eindruck erwecken dürfen, durch die Änderung des Vergaberechts sei alles geklärt. Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich finde, das ist für Sie und für das Ministerium noch immer eine der zentralen Aufgaben, an den Stellen zum Beispiel in Koblenz dafür zu sorgen, dass nicht nur die Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen gut sind, sondern dass auch die Stellen, die Ihnen vom Parlament zur Verfügung gestellt wurden, besetzt werden.

Ich will abschließen. Wir haben auch Erwartungen an die Industrie. Wir haben als Parlament unsere Hausaufgaben gemacht: 1,1 Milliarden Euro, die nicht ausgegeben werden konnten – Verbesserungen beim Vergaberecht, Stellen, die beim Beschaffungsamt zur Verfügung stehen. Unsere Erwartung an die Industrie ist, dass sie auch liefert, wenn bei uns die Vergabe genau so ist, wie sie sein soll.

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Schlussendlich, Herr Präsident: Ich glaube, das Parlament, der Deutsche Bundestag, hat seine Hausaufgabe bei dieser Frage gemacht. Jetzt ist es am Ministerium und an der Ministerin, die Hausaufgaben auf ihrer Seite zu machen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielen Dank, Herr Kollege Hitschler. – Damit schließe ich die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7424726
Wahlperiode 19
Sitzung 143
Tagesordnungspunkt Beschleunigte Beschaffung im Verteidigungsbereich
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