30.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 143 / Tagesordnungspunkt 18

Corinna MiazgaAfD - Schutz von Hinweisgebern auf EU-Ebene

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätztes Kollegium! In dieser Woche, genau genommen morgen, verlieren wir mit Großbritannien einen wichtigen Partner und den zweitgrößten Nettozahler in der Europäischen Union. Die Briten treten aus; sie wollten es so. Wer Demokratie ernst nimmt, der respektiert den Willen des Volkes.

(Beifall bei der AfD)

Insofern passt mein heutiger Antrag sehr gut in das aktuelle Zeitgeschehen; denn wer sich noch immer verwundert die Augen über die Gründe des Brexits reibt, der sollte sich intensiv mit dem Gegenstand dieser Debatte befassen, der sogenannten Whistleblower-Richtlinie der EU.

Mit dieser Richtlinie, die sich sowohl an den privaten wie auch an den öffentlichen Sektor wendet, wird angeblich die Verbesserung des Schutzes von Hinweisgebern, sogenannten Whistleblowern, bezweckt. So sollen Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, keine Benachteiligung durch ihre Arbeitgeber oder Dienstherren befürchten müssen. Das hört sich ja erst mal gar nicht so abwegig, fast sogar ein bisschen populistisch an. Denken wir allein an Edward Snowden, der ja gern als Held der Wahrheit in den Medien gefeiert wird.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ist der auch!)

– Genau, ja, ist er. – Kurios ist nur, dass genau dieser Mann, der eindeutig politisch Verfolgter ist, in Deutschland kein Asyl erhält. Aber vielleicht stammt er einfach aus dem falschen Herkunftsland.

(Beifall bei der AfD)

Zurück zur Richtlinie. Wir dürfen uns nicht von ihrem klangvollen Titel ablenken lassen. Mit ihr wird das EU-Meldewesen in Amtsstuben und privaten Unternehmen etabliert. Verstöße gegen das Unionsrecht sollen intern – oder besser noch: extern – gemeldet werden, und das auf eigens dafür eingerichteten Meldekanälen, nach dem Motto: Ich möchte hier mal jemanden melden. – Wir kennen das Prinzip ja.

Was soll hier in Wirklichkeit also anderes geleistet werden, als die Beamten und Arbeitnehmer aktiv dazu aufzurufen und sie zu provozieren, die Anwendung des Unionsrechts und darüber hinaus die Unionspolitik in den Amtsstuben und Unternehmen der Mitgliedstaaten zu überwachen? Wir reden hier doch von nichts anderem als vom, bildlich gesprochen, berühmten roten Telefon der Europäischen Union.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Nicht Big Brother, sondern Big Union is watching you now!

(Beifall bei der AfD)

Dass dieses Instrument aber nicht nur erhebliche Gefahren für den Arbeitsfrieden mit sich bringt und vorsätzliche oder fahrlässige Fehlmeldungen erleichtert, also der gezielten Denunziation Vorschub leistet, ist noch lange nicht alles. Wir haben es hier funktional mit einer Regelung aus dem Exekutivbereich zu tun, unabhängig davon, ob sie in der öffentlichen Verwaltung oder in privaten Unternehmen ausgeübt wird. Das ist Polizeirecht, und dieses gehört gerade nicht zum Aufgabenbereich der Europäischen Union. Punkt!

(Dr. Jürgen Martens [FDP]: Was? Polizeirecht?)

– Ja, das gehört zum Polizeirecht. Richtig, Herr Martens. – Die Verwaltung ist Sache der Mitgliedstaaten, in Deutschland vornehmlich Sache der Länder. Die Europäische Union hat somit keine Ermächtigung, diesen Bereich zu regeln. Sie verletzt das Subsidiaritätsprinzip.

Wie kritisch, wie problematisch, ja, wie gefährlich diese Richtlinie ist, hat 2018, als die Entwurfsfassung bekannt wurde, nur ein Staatsorgan erkannt: die Bayerische Staatsregierung. Diese hat am 14. Juni 2018 einen Beschluss des Bayerischen Landtags herbeigeführt: Der EU fehle für die Richtlinie die Kompetenz, und sie verletze das Subsidiaritätsprinzip. – Erhellend ist aber der letzte Absatz aus dem Beschluss des Landtags, den ich – mit der Genehmigung des Präsidenten – zitiere:

Abschließend verwahrt sich der Bayerische Landtag gegen den mit dem Richtlinienvorschlag implizierten Generalverdacht gegen die Behörden in den Mitgliedstaaten.

Der Bundesrat hat die Bedenken Bayerns aufgegriffen und im Beschluss vom 25. Juni 2018 sogar erweitert. Als Mitglied des Deutschen Bundestages und als Vorsitzende der AfD in Bayern rufe ich Sie deshalb dazu auf, diesen Richtlinienentwurf dem EuGH im Rahmen einer Subsidiaritätsklage – die Frist dafür läuft noch circa eine Woche – vorzulegen und sich damit für den Rechtsstaat und den Erhalt des Föderalismus in Deutschland und in der EU einzusetzen.

(Beifall bei der AfD)

Ich kann nur warnen: Wenn diese Richtlinie umgesetzt wird, werden wir hier in der Folge nicht mehr nur über Zuständigkeitsfragen reden. Wir werden uns dann mit den materiellen Problemen der Richtlinie und mit ihrer Vereinbarkeit mit unseren Grundrechten, vor allem mit dem Persönlichkeits- und Unternehmensschutz, auseinandersetzen müssen.

Ganz ehrlich: Wenn Sie heute der Subsidiaritätsklage nicht zustimmen, dann sollten Sie, bevor Sie Strafgesetze zum Schutz der EU-Flagge vor Verunglimpfung verabschieden, das Design ebendieser vielleicht einmal überdenken: Entfernen Sie die Sterne, und setzen Sie Hammer und Sichel drauf,

(Zurufe von der CDU/CSU: Oah!)

damit auch dem Letzten hier klar wird, welchem Regime Sie hier eigentlich nacheifern.

(Beifall bei der AfD – Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Das waren wieder die zehn Sekunden für YouTube, oder?)

Von der Europäischen Union zur Währungsunion zur Umverteilungsunion zur Überwachungsunion zur Meldeunion,

(Ulli Nissen [SPD]: Junge, Junge!)

nein danke, das braucht in Europa wirklich niemand. Das haben die Briten verstanden und sind uns deshalb im wahrsten Sinne des Wortes von dieser Fahne gegangen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Von wem wollen Sie denn noch ernst genommen werden mit solchen Reden?)

Vielen Dank, Frau Kollegin Miazga. – Als nächster Redner hat das Wort Herr Professor Dr. Heribert Hirte, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7424741
Wahlperiode 19
Sitzung 143
Tagesordnungspunkt Schutz von Hinweisgebern auf EU-Ebene
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