Esther DilcherSPD - Schutz von Hinweisgebern auf EU-Ebene
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um mich auf diesen Antrag vorzubereiten, habe ich mir mal im Internet angeguckt, was die AfD vielleicht dazu sagen könnte. Witzigerweise findet man dort ein tolles YouTube-Video von Ihnen, Frau Miazga.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Natürlich! Was sonst!)
Allerdings steht das in erheblichem Widerspruch zu dem, was Sie heute gesagt haben.
(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)
Ich war über Ihre Ausführungen sehr überrascht. Sie haben mich nicht überzeugt, aber sie standen in erheblichem Widerspruch zu Ihrem Video.
In diesem Video bekamen wir – theatralisch ausgeführt – zu hören: Subsidiarität ist ein Instrument, das man nutzen könnte, wenn man denn wollte. – Ich kann Sie nicht ganz so gut nachmachen, aber ich fand es schon beeindruckend.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Es folgt dann ein stark verkürzter historischer Abriss zur Entstehung der Europäischen Union aus einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft usw. Sie erwähnen in diesem Beitrag, der auch mit „Subsidiarität“ überschrieben ist, mehrmals diesen Begriff, ohne ihn jedoch einmal zu erklären.
(Karsten Hilse [AfD]: Das müssen wir nicht! Unsere Wähler wissen, was Subsidiarität ist!)
– Wenn Sie es erwähnen wollen, müssen Sie es erklären. – Aber bei Ihnen ist jedes Thema dazu geeignet, gegen Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund zu hetzen; das haben Sie auch in diesem Video wieder geschafft.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Pfui! – Zuruf von der AfD: Bullshit-Bingo!)
Sie haben kritisiert, dass es über das Thema Subsidiarität noch nicht einmal eine Diskussion im Parlament gebe, und Sie haben Ihren Ausschuss, den Europaausschuss, als Kaffee-und-Kuchen-Ausschuss bezeichnet.
(Ulli Nissen [SPD]: Pfui!)
Sie behaupten, dass immer mehr Kompetenzen nach Europa abgegeben würden, bis wir im Deutschen Bundestag nichts mehr zu entscheiden hätten. Damit wird die Arbeit im deutschen Parlament und von uns Parlamentariern der Lächerlichkeit preisgegeben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Hilfreich wäre es vielleicht auch für Sie gewesen, sich einmal damit zu beschäftigen, was Subsidiarität tatsächlich bedeutet. Ich finde, der Kollege Hirte und der Kollege Martens haben das hier eindrücklich ausgeführt.
Man sollte vielleicht noch mal gucken, was in der Richtlinie an Bereichen abgedeckt werden sollte. Besonders werden dort Regelungen für folgende Bereiche getroffen: zum öffentlichen Beschaffungswesen, im Bereich Finanzdienstleistungen, zu Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, zu Produktsicherheit, Transportsicherheit, Umweltschutz, Atomsicherheit, zu Nahrungs- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und ‑wohlergehen, zur öffentlichen Gesundheit, zum Verbraucherschutz, Schutz der Privatsphäre und Schutz von persönlichen Daten sowie zu Verstößen gegen Wettbewerbsvorschriften der Europäischen Union.
Um diese Bereiche zu schützen, werden diese von Ihnen auch zitierten Meldekanäle geprüft. Es wird geprüft: Wie kann gemeldet werden, um die Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren und nicht selbst bestraft zu werden? Der Knackpunkt ist natürlich: Die EU darf im Grundsatz nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen nicht von den Mitgliedstaaten verwirklicht werden können, sondern wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind. Sobald dieser Grundsatz verletzt ist, sieht Artikel 23 Grundgesetz vor, dass sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erheben kann, wenn ein Viertel der Mitglieder dies beantragt; auch das dient dem Schutz der Minderheitenrechte.
Der in der Union bestehende Hinweisgeberschutz ist bereits in mehreren Mitgliedstaaten geregelt und gestaltet. Jetzt müssen wir uns fragen: Ist das ausreichend? Ist damit das Ziel des Whistleblower-Schutzes bereits national verwirklicht? Verletzt die EU-Richtlinie daher das Subsidiaritätsprinzip? Wir als SPD-Fraktion sagen hier – wir haben das auch von der CDU/CSU-Fraktion gehört –: Nein, das reicht als Verletzung längst nicht aus.
Ich will Ihnen auch sagen, warum. Die Folgen der von den Hinweisgebern gemeldeten Verstöße gegen das Unionsrecht, die eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen, zeigen deutlich, dass ein unzureichender Schutz in einem Mitgliedstaat dazu führt, dass Verstöße von Hinweisgebern eben nicht mehr gemeldet werden, obwohl auch die Interessen aller anderen Mitgliedstaaten betroffen sind und Verstöße gegen Umweltschutz, nukleare Sicherheit, Geldwäsche oder Finanzdienstleistungen nicht an nationalen Grenzen haltmachen.
(Beifall bei der SPD)
Wer glaubt, dass sich Hinweisgeber nur durch nationale Gesetzgebung – und das angeblich auch noch besser – schützen lassen, der leugnet wahrscheinlich auch die Klimakatastrophe oder kommt auf die Idee, die Sonne zu verklagen, weil sie einfach zu heiß scheint.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Der war richtig gut! Sie sind zu früh für Fasnacht, Frau Dilcher!)
– Das war genauso zum Thema, wie das, was alle Kollegen vorher gesagt haben.
Die Kollegin Miazga hat es ja deutlich gesagt – allerdings vertreten wir eine andere Auffassung –: Subsidiarität, also ob die EU unterstützend eingreifen bzw. Vorschläge machen darf, ist immer zu prüfen. Aus diesen Richtlinien, die auf Regierungsebene und auch in den Ausschüssen besprochen werden, müssen wir anschließend Gesetze machen, und die werden im Parlament beraten. Wir haben so viel zu tun wie selten; es ist nicht zu befürchten, dass wir in Deutschland wegen mehr EU-Richtlinien weniger zu entscheiden hätten.
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin Dilcher. – Nächster Redner für die Fraktion Die Linke ist der Kollege Alexander Ulrich.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7424746 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Hinweisgebern auf EU-Ebene |