Gesine LötzschDIE LINKE - Kohleausstieg, Strompreis
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Kohleausstieg handelt die Bundesregierung so, wie sie immer handelt: Einigen wenigen wird der Ausstieg vergoldet, andere müssen sehen, wo sie bleiben. Und das ist unfair.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Wirtschaftsminister – er ist gerade gekommen; gut, dass Sie es persönlich hören – verhält sich so, als stünde er jetzt schon auf der Gehaltsliste des Energieriesen RWE. Das ist unwürdig, Herr Altmaier.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Gewinner des Kohleausstiegs sind die großen Energiekonzerne. Sie bekommen für museumsreife Kraftwerke das Geld noch hinterhergeworfen.
(Karsten Hilse [AfD]: „Museumsreife“? Also bitte! Museumsreif sind Sie!)
Insgesamt sind Zahlungen von 4,35 Milliarden Euro aus der Staatskasse geplant, und eine wesentliche Summe davon dürfte an RWE gehen. Das sei leistbar für den Staat, meinte Bundesfinanzminister Scholz gegenüber der „Tagesschau“. Ich sage: Nein, das können und wollen wir uns nicht leisten. Wir fordern: Keine Entschädigung für Kraftwerke, die älter als 25 Jahre sind!
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen das Geld nämlich lieber für eine soziale und gerechte schnelle Energiewende einsetzen. Das wollen wir uns leisten.
(Beifall bei der LINKEN)
Der MDR, der Mitteldeutsche Rundfunk, berichtete über Gerhard Borufke. Er hat 40 Jahre im Braunkohlewerk Espenhain in Sachsen gearbeitet. 2004 musste er mit 60 Jahren in die Arbeitslosigkeit gehen. Statt einer schwerverdienten Bergmannsrente bekommt er 450 Euro weniger, als ihm zusteht.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von dem Kollegen Neumann von der FDP?
Nein, danke. – Mittlerweile ist er schwer erkrankt. Sein Vertrauen in die Politik hat er längst verloren.
Es geht hier
– so sagt er –
um eine Lebensarbeitsleistung, die nicht gewürdigt wird. Das ist es, was uns alle sehr deprimiert.
Seit der Wende kämpfen die Bergmänner und ‑frauen aus Espenhain um ihre Zusatzrente. Als Arbeiter in der Braunkohleveredlung steht sie ihnen zu. Wir als Linke hatten bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen Antrag mit dem Titel „Keine Kumpel zweiter Klasse – Rentenansprüche der Bergleute aus der DDR-Braunkohleveredlung wahren“ gestellt. Dieser Antrag wurde von diesem Haus abgelehnt. Das war ignorant und ungerecht. Wir als Linke halten an dieser Forderung fest.
(Beifall bei der LINKEN – Sepp Müller [CDU/CSU]: Sie können ihnen ja das SED-Vermögen geben!)
Wer über den Kohleausstieg reden will, der muss auch über die Treuhand, das Rentenunrecht und eine arrogante Bundesregierung sprechen. Die Bundesregierung wird 30 Jahre nach der Wende von ihren Fehlentscheidungen und falschen Versprechungen eingeholt. Wenn der Wirtschaftsminister jetzt meint, mit der Ankündigung von mehr Geld für Ostdeutschland über 30 Jahre Fehlentwicklungen hinweglächeln zu können, dann kann ich nur sagen: Herr Altmaier, so wird das nicht funktionieren;
(Beifall bei der LINKEN)
denn Vertrauen muss man sich hart erarbeiten, und der erste Schritt ist die Ehrlichkeit.
Der Bergmann und Liedermacher Gerhard Gundermann schrieb 1992 das Lied „Brigitta“. Die erste Strophe möchte ich hier zitieren:
Ich wurde Bergmann wie mein Vater und fuhr einAber mein Sohn wird hier kein Bergmann mehr seinDie Gleise rosten und das Förderband ist leerDie braune Kohle von hier will jetzt keiner mehr
Keiner sollte die Bergleute für dumm verkaufen; denn sie wissen sehr genau, dass die Braunkohle keine Zukunft hat. Die Bergleute glauben auch nicht den Klimaleugnern, aber sie sind zutiefst empört über die Bundesregierung, die ihre Probleme nach der Wende nicht ernst genommen hatte.
Wir Linke wollen, dass die Bergleute eine Zukunft haben und nicht mit falschen Versprechungen wieder betrogen werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Dabei geht es natürlich auch um Geld, aber vor allen Dingen geht es um eine weitsichtige Strukturpolitik. Doch für viele hier in diesem Haus – wir haben das in einigen Reden schon wieder gehört – bedeutet das Wort „Strukturpolitik“ schon wieder sozialistische Planwirtschaft. Sie überlassen unsere Gesellschaft lieber chaotischen Marktmechanismen. Das Ergebnis ist doch sichtbar: kapitalistische Mangelwirtschaft.
(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der AfD und der FDP)
Schauen Sie sich doch die desolate Deutsche Bahn, die mangelhafte ärztliche Versorgung auf dem Land und die überfüllten Schulklassen an! Das Land darf nicht dem Selbstlauf überlassen werden; denn das ist hoch gefährlich. Wir sehen ja das Ergebnis. So haben Rechtspopulisten ein leichtes Spiel, und das darf in unserer Demokratie nicht sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist doch verrückt, dass die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kohle erklärt und gleichzeitig ein neues Kohlekraftwerk in Nordrhein-Westfalen ans Netz geht. So darf das nicht sein. Das ist nicht gerecht, und das ist nicht überzeugend.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, unsere Fraktion, die Fraktion Die Linke, hat einen Aktionsplan Klimagerechtigkeit beschlossen. Wir fordern, dass die 20 ältesten und dreckigsten Kohlekraftwerke zügig abgeschaltet werden. Für die Beschäftigten in der Kohleindustrie wollen wir eine verlässliche Weiterbeschäftigungs- und Einkommensgarantie.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Neumann [FDP]: „Weiterbeschäftigung“!)
Wir fordern eine Absenkung der Stromsteuer um 2 Prozent pro Kilowattstunde. Kein privater Stromkunde soll wegen des Kohleausstiegs mehr für Strom zahlen, und das ist möglich.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Unterschied zu einigen anderen hier in diesem Haus ist folgender: Unser Aktionsplan setzt eben nicht auf die Spaltung der Gesellschaft. Keiner soll sich auf Kosten anderer eine goldene Nase verdienen können. Wir sind fest davon überzeugt, dass eine vernünftige, gut geplante Energiewende unsere Gesellschaft solidarischer, gesünder und glücklicher machen kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Strukturwandel muss mit allen und für alle geplant und umgesetzt werden; sonst scheitert er. Und das Scheitern dürfen wir nicht zulassen; denn wir haben nicht nur die Verantwortung für uns selbst, sondern auch für unsere Kinder und Enkelkinder.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Martin Neumann, FDP-Fraktion.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7424800 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 144 |
Tagesordnungspunkt | Kohleausstieg, Strompreis |