Johann SaathoffSPD - Kohleausstieg, Strompreis
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vorliegenden Anträgen fordert die AfD, den Kohleausstieg „zum Wohle der Bevölkerung“ zu stoppen.
(Steffen Kotré [AfD]: Genau!)
In Ostfriesland sagt man: Prooten doon de an meesten, de an minsten to seggen hebben. – Abgesehen davon, dass die Anträge das Ergebnis der sogenannten Kohlekommission völlig ignorieren, also das Ergebnis einer breit aufgestellten Kommission, die einen gemeinsamen Konsens gefunden hat, sind unsere Quellen offensichtlich völlig unterschiedlich. Wissenschaft und Industrie – Sie denken vielleicht an irgendwelche Nischenindustrien; ich nenne hier den BDI – bestätigen uns in unserem Weg hin zur Klimaneutralität. Was, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, sagen Sie eigentlich Hunderttausenden von jungen Menschen, die jeden Freitag auf der Straße sind und sich – zu Recht – Angst um ihre Zukunft machen?
(Steffen Kotré [AfD]: Dass sie zur Schule gehen sollen!)
Und was sagen Sie eigentlich den Menschen, die an der Küste leben und die die Sorge haben, dass ihr Eigentum irgendwann unter Normalnull liegen und nichts mehr wert sein wird? Es geht auch um Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen. Es geht darum, ob wir zum Konsens der Kohlekommission stehen.
Ich glaube, es gehört zur Verantwortung der Politik, zu unserer direkten Verantwortung, das Ergebnis der Kohlekommission auch umzusetzen. Wir wollen die Kohleverstromung spätestens bis 2038 in Deutschland beendet haben. Wir wollen zwischendurch auch prüfen, ob wir nicht sogar eher aussteigen können. Denn wenn wir eines in den letzten Jahren gelernt haben, dann das, dass die Welt hinsichtlich der Energiepolitik unglaublich dynamisch ist. Wir wollen mit dem Gesetz, soweit es geht, aber auch soziale Härten in den betroffenen Regionen ausgleichen bzw. deren Entstehen vermeiden.
(Beifall bei der SPD)
Ich weiß, was Strukturwandel bedeutet. Ostfriesland hat nahezu komplett die Werftenindustrie verloren, ganz zu schweigen vom schleichenden Strukturwandel in der Landwirtschaft. Wir wissen, was Solidarität mit den Beschäftigten bedeutet. Wir wissen, was Solidarität mit den Regionen bedeutet, die vom Strukturwandel betroffen sind.
Ja, und es gehört auch zur Glaubwürdigkeit der Politik, die Ergebnisse einer solchen Kommission so gut wie möglich umzusetzen. Wenn man solch eine gesellschaftliche Frage in eine Kommission gibt, damit sie Lösungen erarbeitet, dann müssen diese Lösungen auch umgesetzt werden, keine Frage.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich finde sogar, dass die Kommission als Modell für andere schwierige gesellschaftliche Herausforderungen gelten könnte, die wir noch vor uns haben und auf die wir in einem Findungsprozess Antworten finden müssen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden Sie aber nicht hinkriegen!)
Festzustellen ist, dass die vorliegenden Anträge die Kostenfrage natürlich völlig unvollständig beantworten. Klar ist doch, dass Nichtstun das Allerteuerste ist: durch Strafzahlungen aus internationalen Verpflichtungen heraus, die wir eingegangen sind, durch die Kosten des Klimawandels, durch die Kosten, um es klar zu sagen, der Überhitzung der Erde, durch Kosten in der Landwirtschaft – da müssen Sie nur einmal die Landwirte fragen –, durch Kosten für Versicherungsschäden aufgrund zunehmender Unwetterereignisse, durch Kosten im Zusammenhang mit dem Küstenschutz. Fahren Sie einmal an einen Deich in diesem Land und fragen dort die Deichachten, welche Kosten auf uns zukommen werden.
Einen ganz wichtigen Baustein bildet die Kraft-Wärme-Kopplung; Kollege Martin Neumann hat in seiner guten Rede darauf hingewiesen, wie wichtig sie ist.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Die gleichzeitige Produktion von Strom und Wärme ist derzeit am effektivsten. Hier müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass der Umstieg von Kohle auf Gas gelingt. Wir müssen die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen an den Markt bringen. Selbstverständlich muss dabei mitgedacht werden, dass wir das Gas zukünftig auch aus erneuerbaren Quellen bekommen. Auch eine Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes werden wir im Kontext des Kohleausstiegs beraten müssen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer aus Kohleenergie aussteigt, muss auch einsteigen, einsteigen in die Produktion der erneuerbaren Energien.
(Beifall bei der SPD)
Mein Kollege Bernd Westphal hat darauf hingewiesen. Wenn wir in die erneuerbaren Energien einsteigen, dann vor allem in die Windenergie als Zugpferd der erneuerbaren Energien. Denn die SPD ist überzeugt: Wir brauchen mehr Windenergie, auch und gerade in Süddeutschland. Da sei an dieser Stelle auch noch einmal gesagt: Wer in Süddeutschland Netzausbau verhindern möchte, der muss eigene erneuerbare Energien zubauen.
(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU]: Machen wir doch!)
Die von der AfD geforderte Entprivilegierung von Windenergieanlagen ist genau der falsche Weg, einmal abgesehen davon, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, dass die von Ihnen gewünschte Wirkung gar nicht eintreten wird, weil die allermeisten Windenergieanlagen eben nicht privilegiert erstellt werden, sondern im Rahmen von Bebauungsplänen. Das ist auf jeden Fall das falsche Instrument. Aber Ihre Absicht ist klar: Sie wollen Windenergie verhindern. Wir wollen das nicht. Das ist mit der SPD nicht zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Wir wollen den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Wir wollen mehr Windenergie in Deutschland. Wir wollen mehr Sonnenenergie in Deutschland. Deswegen sind wir auch für die Abschaffung des PV-Deckels.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gestern haben wir schon eine energiepolitische Debatte gehabt. Ich fand es richtig, was der Kollege Theurer zum Thema Wasserstoff gesagt hat und dazu, welche Rolle Wasserstoff im Zuge des Kohleausstiegs und des Einstiegs in erneuerbare Energien spielen wird.
(Beifall bei der FDP)
Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass er dem Minister ein Buch überreicht hat, nämlich ein Buch zur Wasserstofftechnik. Herr Minister, ich glaube, das haben Sie heute Nacht gelesen.
(Beifall bei der FDP)
Damit Sie nicht aus dem Genuss von Literatur herausgeraten, habe auch ich Ihnen ein Buch mitgebracht. Zur Vorbereitung der Debatten, die wir in den nächsten Wochen haben werden, habe ich Ihnen das Buch „Der energethische Imperativ“ von Hermann Scheer mitgebracht.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Abg. Johann Saathoff [SPD] überreicht Bundesminister Peter Altmaier ein Buch)
Die nächste Rednerin ist für die FDP-Fraktion die Kollegin Sandra Weeser.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7424805 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 144 |
Tagesordnungspunkt | Kohleausstieg, Strompreis |