Christian DürrFDP - Steuerentlastungsgesetz 2020
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 2005 sind die Löhne in Deutschland pro Kopf um 20 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum sind die Einnahmen für den Bundesfinanzminister aus der Einkommensteuer um 84 Prozent in die Höhe geschnellt. Wer in den 60er-Jahren gearbeitet hat, der musste das 18-Fache des Durchschnittseinkommens verdienen, um an den Spitzensteuersatz heranzukommen. Heute, im Jahr 2020, liegt die Zahl beim 1,5-Fachen.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wahnsinn!)
Es sind nicht mehr Millionäre, die den Spitzensteuersatz zahlen. Es sind Millionen von Menschen in der Mitte in Deutschland, die Leistungsträger unseres Landes, die spitzenbesteuert werden. Das ist ungerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Die Steuereinnahmen steigen in Deutschland. Die Steuer- und Abgabenquote steigt in Deutschland. Die Bundesvorsitzende der SPD sagt: Steuersenkungen sind gefährlich. – So geht die Parteispitze der SPD, nicht die Fraktion – dazu komme ich gleich –, mit der hart arbeitenden Mitte der Gesellschaft um. Dazu sage ich Ihnen in aller Klarheit: Vor diesem Hintergrund auf Steuersenkungen zu verzichten, das ist in Wahrheit gefährlich. Sie bringen die Menschen gegen den Staat auf.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Aber in den letzten Tagen – das will ich positiv feststellen – hat sich in der Bundespolitik etwas verändert. Es gibt ja – das merken wir, das spüren wir, heute war es in der „WirtschaftsWoche“ zu lesen – wirklich einen „mind change“, würde man sagen: Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert die Verschiebung der Einkommensgrenze beim Spitzensteuersatz.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Die Union fordert das. Auch die Linkspartei will das.
(Beifall des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE] – Susanne Ferschl [DIE LINKE]: So ist es!)
Ich bin dem Kollegen Dietmar Bartsch ausdrücklich dankbar, dass er dieses Thema adressiert hat. Sogar Teile der SPD-Bundestagsfraktion fordern Selbiges. Auffallend still sind die Kolleginnen und Kollegen der Grünen an dieser Stelle.
(Beifall bei der FDP – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden gleich noch!)
Ich will sagen: Seit 20 Jahren hat es das in der deutschen Politik in Wahrheit nicht gegeben. Ich glaube, wir haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier eine historische Chance. Das war lange Jahre nicht der Fall. Wir haben die Chance auf eine Mehrheit zur Entlastung der Mitte der Menschen in Deutschland im Bundestag und im Bundesrat. Diese historische Chance müssen wir nutzen.
(Beifall bei der FDP)
Zwei Drittel der Menschen sind dafür. Selbst die größere Mehrheit, die zurzeit noch nicht den Spitzensteuersatz in Deutschland zahlt, ist dafür, die jetzige Einkommensgrenze, die leistungsfeindlich ist, zu verschieben. Die Mehrheit der Menschen ist dafür. Es gibt dafür eine politische Mehrheit in Deutschland. Diese Mehrheit muss jetzt genutzt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Mit dem, was wir hier vorschlagen, werden alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entlastet, weil die Kurve flacher wird. Zusätzlich machen wir einen Vorschlag, wie auch der Mittelstandsbauch verringert werden kann. Dass das finanzierbar ist, hat die Fraktion der Freien Demokraten bei den Haushaltsberatungen 2020 gezeigt, wo wir Ihnen deutlich gemacht haben, liebe Bundesregierung, dass 20 Milliarden Euro im Haushalt, die Sie ausgeben wollen, nicht ausgegeben werden müssten.
(Beifall bei der FDP)
Herr Kollege Dürr, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Binding aus der SPD-Fraktion?
Mit größter Freude. – Herr Kollege Binding.
(Michael Theurer [FDP]: Heute ohne roten Pullover! – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Und ohne Zollstock!)
Ich habe eine Frage zu Ihrem Konzept. Es gibt ja einen Einkommenspunkt in Ihrem Konzept, ab dem die Steuerentlastung maximal ist. Ab welchem Einkommen ist die Steuerentlastung nach Ihrem jetzt vorgelegten Konzept maximal?
Herr Kollege Binding, wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie auf ein Phänomen hinaus, das die SPD seit Langem kritisiert. Ja, es ist wahr: Diejenigen, die viel Steuern zahlen, werden natürlich auch entlastet.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das habe ich nicht gefragt!)
Im Übrigen empfehle ich Ihnen eins. Ich empfehle mehr Kommunikation innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Können Sie noch gerade sagen, ab welchem Punkt das maximal ist?)
Ich bin dem Kollegen Johannes Kahrs außerordentlich dankbar, dass er mit uns der Meinung ist, dass die Einkommensgrenze auf 90 000 Euro verschoben werden müsste. Es gibt gute Kollegen bei Ihnen. Hören Sie auf diese Kollegen, Herr Kollege Binding. Das würde mich ausdrücklich freuen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie haben nichts Falsches gesagt, aber mir die Antwort nicht gegeben!)
Herr Kollege Binding, die Frage ist nicht dialogfähig.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Okay! Ich bitte um Entschuldigung! Schade, dass Sie die Antwort nicht geben!)
Sie können sich gerne zu einer Kurzintervention melden, die ich vielleicht sogar zulassen werde. Aber ein Dialog mit dem Redner ist bei einer Frage jedenfalls nicht zulässig.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Alles klar! – Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Er hat die Frage leider nicht beantwortet!)
– Jeder Redner beantwortet Fragen so, wie er sie beantworten kann. Ob Ihnen das gefällt oder nicht, entzieht sich auch der Bewertung des Präsidiums. Der Kollege Dürr hat dazu das Notwendige gesagt. – Herr Kollege Dürr, Sie können fortfahren.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Binding, ich will daran anknüpfen. Ich bin vor allen Dingen für eines dankbar – das sage ich in aller Ernsthaftigkeit –: Ich bin dankbar dafür, dass die FDP-Bundestagsfraktion mit dieser Forderung nicht mehr alleine dasteht. Wir haben ja kein Copyright darauf. Uns freut es doch, dass Haushaltspolitiker Ihrer Fraktion hier ein klares Bekenntnis abgegeben haben; denn die jetzige Einkommensteuer ist ungerecht. Diese Erkenntnis muss sich doch auch in der Breite der SPD-Bundestagsfraktion endlich durchsetzen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ein Satz, der hier schon vor zehn Jahren gesagt worden ist, gilt immer noch: Es geht um Leistungsgerechtigkeit; auch Leistungsgerechtigkeit ist eine Form der Gerechtigkeit. – Der Spitzensteuersatz hat sich in den letzten Jahren – das ist das große Problem – immer mehr in die Mitte der Gesellschaft hineingefressen, im wahrsten Sinne des Wortes.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie eigentlich Ihren eigenen Gesetzentwurf mal gelesen und durchgerechnet?)
Ich glaube, folgender Satz sollte uns alle einen – ich sage ihn, auch wenn ich weiß, dass FDP-Fraktionskollegen ihn hier früher oft gesagt haben und nicht auf sie gehört wurde –: Leistung muss sich in Deutschland endlich wieder lohnen. – Das Jahr 2020 ist der richtige Zeitpunkt, sich genau darum zu kümmern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Dürr. – Nächster Redner ist der Kollege Olav Gutting, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7424849 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 144 |
Tagesordnungspunkt | Steuerentlastungsgesetz 2020 |