12.02.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 145 / Tagesordnungspunkt 3

Christoph HoffmannFDP - Vereinbarte Debatte 40 Jahre Nord-Süd-Bericht

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Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Liebe Zuhörer auf den Rängen! Vor 40 Jahren hat Altkanzler Willy Brandt den Nord-Süd-Bericht den Vereinten Nationen vorgelegt. Der Bericht forderte unter der Überschrift „Das Überleben sichern“ ein stärkeres finanzielles Engagement von den Industrieländern. Zur damaligen Zeit hieß der Entwicklungsminister Rainer Offergeld, SPD, späterer OB in Lörrach in meinem Wahlkreis und jetzt Ehrenbürger dort, weil er auch dort gute Entwicklungsarbeit geleistet hat.

Populisten behaupten heute – wir haben es gerade wieder gehört –, die Entwicklungshilfe würde verschwendet, sie würde nichts erreichen. Aber das Gegenteil ist richtig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Matern von Marschall [CDU/CSU])

Die Entwicklungsarbeit hat vieles geschafft, aber nicht nur mithilfe staatlicher Mittel, sondern vor allem wegen vieler privater Initiativen, Spenden und Organisationen. In Deutschland werden jährlich ungefähr 10 Milliarden Euro von privaten Bürgern für die Entwicklungszusammenarbeit gespendet; das ist genauso viel, wie der Staat gibt. Ihnen möchte ich heute an dieser Stelle dafür ganz herzlich danken.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Die staatliche Entwicklungspolitik hat allerdings auch die Illusion genährt, dass staatliche finanzielle Mittel diese Welt retten könnten. Es ist ein paternalistischer Wunsch, der letztlich aber ein bisschen realitätsfern ist. Für die immensen Herausforderungen der Entwicklung im globalen Süden braucht es Trillionen. Nein, nur die Menschen und die Staaten selbst können mithilfe einer sozialen Marktwirtschaft und guter Regierungsführung sich zum Wohlstand bewegen. Zwingende Rahmenbedingungen dafür sind Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Eigentumsgarantie, Demokratie, Meinungsfreiheit, kurz gesagt: wirtschaftliche und persönliche Freiheiten und Garantien.

(Beifall bei der FDP – Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und globale Machtverhältnisse!)

Deshalb muss auch die Despotenhilfe in der Entwicklungszusammenarbeit, also Entwicklungsgelder für despotische Regimes zum Beispiel in Kamerun und Brasilien, aufhören, Herr Minister, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Leider ist es in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit nach wie vor das wichtigste Credo, das Geld auszugeben. Der Mittelabfluss wird also gewürdigt, aber die Ergebnisse vor Ort, am Boden, werden zu wenig gewürdigt oder analysiert. Das führt dann eben auch zu Missverständnissen in der Bevölkerung.

Ein Beispiel. Wir geben 375 Millionen Euro für die Sonderinitiative „EINEWELT ohne Hunger“ aus; das wird bejubelt – zu Recht. Im September 2019 bittet die FAO, die Weltorganisation für Nahrung und Landwirtschaft, um 2 Millionen US-Dollar, um eine Heuschreckenplage zu bekämpfen. Nur 2 Millionen! Da hat die Bundesregierung nicht reagiert. Die Heuschrecken vermehren sich weiter ungestört. Im November waren es dann schon 6 Millionen, die die FAO brauchte, und im Januar dieses Jahres waren 75 Millionen nötig, um die Heuschreckenplage zu bekämpfen. Und es passierte einfach nichts.

Das heißt, wir produzieren eine Hungerkatastrophe und hätten diese mit 2 Millionen US-Dollar eigentlich verhindern können. Das ist weder effizient noch vertretbar in der Entwicklungszusammenarbeit hier in diesem Hause.

(Beifall bei der FDP)

Die Entwicklungspolitik ist auch viel zu viel auf innenpolitische Wirkung angelegt. So wurde der Haushalt des Entwicklungsministeriums mit dem Credo „Migration verhindern“ – das ist ein innenpolitisches Argument – aufgefüllt. Man erfand den Marshallplan mit Afrika und unzählige weitere Initiativen, die alle gut gemeint sind.

Das jüngste Beispiel unseres Ministers ist eine neue Strategie für den Sahel – mal eben so am Rande. Er will ein Aussteigerprogramm für die Terroristen von Boko Haram auflegen. Ich zitiere aus der „Berliner Morgenpost“ vom 7. Februar 2020:

Ich werde ein Aussteigerprogramm auflegen, um Waffen einzusammeln und ihnen eine echte Alternative zu geben mit Cash for Work, beruflicher Ausbildung und langfristigen Jobs.

Das ist sicherlich gut gemeint, aber es ist geradezu eine Fata Morgana für die Wähler in Deutschland unter der Verkennung der Realitäten von Volkswirtschaft, dynamischer Bevölkerungsentwicklung und dem afrikanischen Kontinent. Es ist bestenfalls eine gut gemeinte Selbstüberforderung.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Volker Münz [AfD])

Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit.

Noch ein Satz. Gute Regierungsführung und Investitionen schreiben die Erfolgsgeschichte von Staaten. Nehmen wir zum Beispiel Thailand: 1980 hatte Thailand ein Pro-Kopf-Einkommen von 700 Dollar. Sie haben es in 40 Jahren verzehnfacht. Also: Investitionen der privaten Wirtschaft und gute Rahmenbedingungen lösen die Probleme.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Helin Evrim Sommer für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7427238
Wahlperiode 19
Sitzung 145
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte 40 Jahre Nord-Süd-Bericht
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