12.02.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 145 / Tagesordnungspunkt 3

Helin Evrim SommerDIE LINKE - Vereinbarte Debatte 40 Jahre Nord-Süd-Bericht

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Wir feiern heute das 40. Jubiläum des Berichts der Nord-Süd-Kommission. Willy Brandt war damals deren Vorsitzender. Und so feiern wir nicht nur den Geburtstag des Berichts, sondern würdigen damit einen Politiker für seinen politischen Scharfsinn und seinen Weitblick, und das über die Parteigrenzen hinweg.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie des Abg. Olaf in der Beek [FDP])

Die von Willy Brandt verfasste Einleitung zum Nord-Süd-Bericht gibt einen authentischen Einblick in das Denken des Friedenspolitikers. Der Bericht ist eine Aufforderung zum politischen Handeln. Er benennt die zentralen Bedingungen und die globalen Zusammenhänge, die für das Überleben der Menschheit notwendig sind. Mehr geht nicht.

Aber was würde Willy Brandt sehen, wenn er heute die Ergebnisse seines Nord-Süd-Berichts betrachten könnte? Fast nichts.

(Marianne Schieder [SPD]: Na ja! Das ist auch eine Demagogie!)

- „Fast nichts“, habe ich gesagt.

Meine Damen und Herren, liebe Bundesregierung, ich will kurz drei Punkte ansprechen.

Erstens. Den Anteil der öffentlichen Entwicklungsgelder sollten wir endlich auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens anheben –

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

das ist übrigens die Vorgabe der Vereinten Nationen –, das haben wir nämlich in fast 50 Jahren immer noch nicht erreicht. Die Bundesregierung frisiert die eigenen Zahlen ganz geschickt: Sie rechnet die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten in die Entwicklungsausgaben mit ein und feiert sich dafür ab, dass sie näher an die 0,7-Prozent-Quote rankommt.

(Markus Frohnmaier [AfD]: Sie zitieren unsere Kleine Anfrage!)

Tatsächlich bedeutet das aber, dass das reiche Deutschland zeitweilig selbst der größte Empfänger von deutschen Entwicklungsgeldern ist. Wie absurd ist das bitte schön?

(Beifall bei der LINKEN – Markus Frohnmaier [AfD]: Laut Ihnen sind wir das ärmste Industrieland!)

Punkt zwei. Wir Linke fordern, dass mindestens 0,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die armen Länder bereitgestellt werden. Dass die unterstützt werden sollten, ist sogar inzwischen der Bundesregierung aufgefallen. Die Armut südlich des Äquators will sie bekämpfen, auch um die Migrationsbewegung zu stoppen. Das wäre eigentlich eine tolle Idee, nur kürzt die Koalition gleichzeitig die Mittel für die ärmsten Länder, die sogenannten LDC.

(Markus Frohnmaier [AfD]: Zwei Drittel von deren Staatsausgaben werden aus deutschen Entwicklungsleistungen getragen!)

Das ist paradox, und das konnte mir auch noch keiner aus der GroKo erklären.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Anteil der Gelder für die LDC in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit liegt jetzt schon unter 10 Prozent. Die Bundesregierung arbeitet stattdessen mit privilegierten Reformpartnern, eine beschönigende Umschreibung für das, was das tatsächlich heißt: Staaten, die sich kooperativ zeigen bei der Migrationsabwehr und dem Grenzmanagement, bekommen mehr Unterstützung. Auf der anderen Seite fallen nicht privilegierte ärmere Partnerländer einfach hinten runter. Das sind aber ausgerechnet diejenigen, die am stärksten unsere Unterstützung brauchen.

Drittens. Wir Linke fordern deutlich mehr Geld für die zivile Konfliktbearbeitung und Konfliktprävention.

(Beifall bei der LINKEN)

Und was macht die Bundesregierung? Sie will die friedliche Entwicklung fördern, wie sie sagt. „ Prima, ganz in unserem Sinne“, denken sich zum Beispiel die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, und merken dann: Ein einziger Eurofighter kostet mehr, als die Organisation für ihren Haushalt pro Jahr zur Verfügung hat. Das ist ein Rohrkrepierer und keine Friedenspolitik, liebe Koalition.

(Beifall bei der LINKEN)

Mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit oder mehr Geld für Verteidigung? Das ist eine einfache Frage, die sich hier stellt. Was jetzt benötigt wird, ist der politische Wille. Die SPD hat es selbst in der Hand und muss sich wieder auf ihre Wurzeln als Friedenspartei besinnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn wie Willy Brandt schon im Nord-Süd-Bericht richtig erkannte: „Entwicklungspolitik von heute ist die Friedenspolitik von morgen.“

In diesem Sinne: Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redner: für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Uwe Kekeritz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7427239
Wahlperiode 19
Sitzung 145
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte 40 Jahre Nord-Süd-Bericht
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