12.02.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 145 / Zusatzpunkt 2

Michael SchrodiSPD - Schutz von Sparern, Förderung von Vermögensaufbau

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP hat ja derzeit gewisse Probleme bei der korrekten Verortung, was bzw. wo die gesellschaftliche Mitte ist. Das passiert ihr auch bei der gesellschaftlichen Verteilung von Einkommen und Vermögen. Da verortet sie auch, wenn man es auf einer X-Achse sieht, die Mitte leider ganz rechts, nämlich bei den Superreichen. Auch hier liegt die FDP falsch.

Sie benennen ein Problem, niedriges Medianvermögen, und haben eine relativ einfache Lösung für alle Probleme, nämlich eine Verbesserung der Aktienkultur. Sie wollen dafür alle vermeintlichen Hemmnisse abbauen und haben ein Sammelsurium an Vorschlägen vorgebracht. Übrigens wollen Sie auch die Altersvorsorge mit dazunehmen und privatisieren. Das ist natürlich Quatsch.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie vergessen aber, eines zu erwähnen: eine weiter zunehmende Einkommens- und auch eine weiterhin sehr hohe Vermögensungleichheit in Deutschland. Wen Sie auch nicht erwähnen, sind die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung, die die Hälfte des Gesamtvermögens besitzen, und die 40 Prozent der Bevölkerung, die praktisch kein Nettovermögen haben.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es! – Dr. Florian Toncar [FDP]: Unser Antrag ist doch die Lösung dafür!)

Diesen Menschen raten Sie, jetzt mal Aktien zu kaufen.

(Ulli Nissen [SPD]: Superidee! – Dr. Florian Toncar [FDP]: Das steht doch gar nicht in unserem Antrag!)

Das ist frei nach Marie-Antoinette: Wenn sie kein Geld haben, sollen sie Aktien kaufen. – Das ist Quatsch an der Stelle.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Weiterhin hohe Steuern mit der SPD zahlen, ist auch nicht die Lösung!)

Wie sieht denn die Politik für die tatsächliche Mitte der Gesellschaft aus? Wie sieht sozialdemokratische Politik aus? Wir machen eine Mindestausbildungsvergütung für Auszubildende. Dieses Geld landet bei denen in der Tasche.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen die Tarifbindung erhöhen, damit ordentliche Löhne gezahlt werden. Den Mindestlohn wollen wir erhöhen.

(Beifall des Abg. Metin Hakverdi [SPD])

Eine Stärkung der gesetzlichen solidarischen Rentenversicherung hilft den Menschen

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr gut! Aber wer ist in der Regierung?)

und mehr Steuergerechtigkeit mit einem Spitzensteuersatz, der höher greift, aber Bezieher mittlerer und unterer Einkommen stärker entlastet. Das ist Politik für die Mitte der Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD – Dr. Florian Toncar [FDP]: Machen Sie es doch! Einfach machen!)

Diese guten Löhne sind dann auch die Basis für Vermögensbildung. Dann können wir auch über Aktienkultur sprechen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Ach so, ja!)

Da bin ich gar nicht weit weg.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Ach so! Jetzt sind Sie gar nicht weit weg! Hört, hört!)

Herr Kollege, einen ganz kleinen Moment. – Ich bitte die Fotografen auf der Tribüne, davon Abstand zu nehmen, die Bänke der Abgeordneten zu fotografieren. Ansonsten muss ich Sie entfernen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Herr Kollege, Sie haben weiter das Wort.

So aber ist es eine Politik für Superreiche, die Sie jedoch als Schutz der Kleinsparer oder als Politik für den kleinen Mann verkaufen wollen. Übrigens, genau so macht es die AfD. Die AfD hat im Ausschuss ja auch als Einzige diesem Antrag zugestimmt. Aber stimmt das? Ist das eine Politik für die Mitte der Gesellschaft? An zwei Punkten möchte ich klarstellen, dass dem nicht so ist.

Sie haben den Solidaritätszuschlag erwähnt. Sie fordern wie schon in Anträgen zuvor – auch die AfD übrigens – die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Wir werden ihn abschaffen, für 90 Prozent.

(Jörn König [AfD]: Er ist ja auch verfassungswidrig!)

Wenn Sie die restlichen 10 Prozent nun auch entlasten wollen: Über welche Einkommen sprechen wir denn da? Ein Alleinstehender muss erst ab einem Jahresbruttolohn von circa 109 000 Euro den Soli weiterhin voll bezahlen, eine Familie erst ab 221 000 Euro.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr wollt das für euch abschaffen!)

Zum Vergleich: Das Medianeinkommen, die exakte Mitte, liegt bei 36 000 Euro. Das ist es, was Sie wollen: die Entlastung von Topverdienern um insgesamt zehn Milliarden Euro, aber nicht die der Mitte. Schauen Sie sich die Zahlen genau an. Das werden wir natürlich nicht mitmachen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Toncar?

Nein, ich führe das jetzt fort.

Genauso ist es übrigens bei der Finanztransaktionsteuer. Da müssen Sie nur das Gutachten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft anschauen. Die Finanztransaktionsteuer trifft vor allem große, professionelle Investoren, nicht die vielzitierten Kleinsparer. Auch hier gilt: Die Kleinsparer vorschieben, aber die Großinvestoren schützen – das ist die Devise von FDP und AfD, und auch das ist falsch.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Damit sind wir bei einem Thema, das Sie ebenfalls immer wieder erwähnen, auch heute wieder, und mit dem Sie Schindluder treiben. Das sind die Niedrigzinsen. Die FDP wirft da mit Nebelkerzen, anstatt die Debatte über die langfristigen, volkswirtschaftlichen Ursachen von Niedrigzinsen zu führen, die jetzt auch von Ökonominnen und Ökonomen geführt wird. Clemens Fuest und Marcel Fratzscher tun das, und sie sagen übereinstimmend: Nicht die EZB ist der Grund dafür, dass es Niedrigzinsen gibt. Seit Jahrzehnten gibt es einen Abwärtstrend auch in den USA, auch in der Schweiz, ohne Euro-Zone, ohne Euro.

(Ulli Nissen [SPD]: Hört! Hört!)

Welche Ursachen werden benannt? Eine hohe private Sparquote, auch aufgrund der bestehenden Ungleichheit und aufgrund der demografischen Entwicklung – man sorgt für das Alter vor –, eine hohe Sparquote bei Unternehmen und auch eine hohe Sparquote des Staates, weil wir in Teilen nicht ausreichend investiert haben.

Nun, liebe FDP, eine kleine Rechnung: Wenn alle sparen, es also ein großes Angebot an Geld gibt, aber keiner da ist, der Kredite aufnimmt, also eine geringe Nachfrage nach Geld vorhanden ist, dann muss ich Ihnen, die Sie immer nach dem Markt schreien, sagen: Der funktioniert da.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Preis – in dem Fall die Zinsen – ist wegen des hohen Angebots und geringer Nachfrage so gering. Das ist der Markt, und das sagt Clemens Fuest beispielsweise und schreibt es Ihnen ins Stammbuch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Die Ökonomen schreiben auch, welche Maßnahmen es dann geben muss. Wir müssen etwas tun, um Ungleichheiten zu verringern. Da gehen wir mit so etwas wie der Vermögensteuer heran, mit einem ordentlichen Spitzensteuersatz und übrigens auch mit einer ordentlichen Erbschaftssteuer für hohe Erbschaften.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem brauchen wir natürlich ein ordentliches Investitionsprogramm zusätzlich zu den hohen Investitionen, die wir schon haben,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Programm der Linken! Sehr schön!)

wie DGB und BDI feststellen, übrigens auch kreditfinanziert; denn eins muss klar sein: Staatsanleihen sind sichere Anlagen auch für Sparer. Das jedoch, was Sie machen, ist volkswirtschaftlich unsinnig.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Unsinnig ist der Sozialismus!)

Es ist nicht durchdacht, und natürlich lehnen wir deshalb Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gute Rede!)

Vielen Dank, Herr Kollege Schrodi. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dr. Toncar, FDP-Fraktion.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7427456
Wahlperiode 19
Sitzung 145
Tagesordnungspunkt Schutz von Sparern, Förderung von Vermögensaufbau
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