Katrin StafflerCDU/CSU - Partnerschaft EU - Vereinigtes Königreich
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist oft so bei wichtigen historischen Ereignissen, dass man sich noch lange danach genau daran erinnert, was man zum jeweiligen Zeitpunkt getan hat. Mir geht es so mit dem 23. Juni 2016, als ich abends im festen Glauben ins Bett gegangen bin, dass ich am nächsten Tag aufwachen werde und dieses Gespenst „Brexit“ Geschichte sein wird, und dann am nächsten Tag aufgewacht bin und leider das Gegenteil der Fall war. Viele von uns erinnern sich sicherlich daran, wie groß die Angst damals gewesen ist, dass mit dem Austritt der Briten die europäische Idee vom Zusammenhalt, von der Stärke durch gemeinsames Handeln verloren geht und auf dem Spiel steht. Deswegen habe ich größten Respekt davor, dass die Europäische Union in den Verhandlungen zum Austrittsabkommen Geschlossenheit gezeigt hat, Einigkeit gezeigt hat. Obwohl der Druck groß war, haben wir uns nicht hetzen lassen, sondern sind zusammengestanden. Das, meine Damen und Herren, ist gute europäische Politik im Sinne der Bürgerinnen und Bürger innerhalb der EU.
Jetzt stehen die durchaus sehr breit gefächerten Verhandlungen über die künftigen Beziehungen an. Wir verhandeln über die künftige Wirtschaftspartnerschaft, über die Zusammenarbeit bei innerer, bei äußerer Sicherheit, in der Verteidigungspolitik, in der Bildung, im Bereich Forschung, im Verkehr. Die Liste könnte man beliebig weiterführen. Ich glaube, ein ganz wesentlicher Bestandteil wird die Wirtschaftspartnerschaft sein. Wir wünschen uns, dass wir auch künftig eine sehr enge Kooperation mit unseren britischen Freunden haben werden. Damit müssen dann aber auch umfangreiche Standards verbunden sein, weil klar ist: Je enger eine Partnerschaft ist, desto strikter werden wir darauf achten, dass faire Wettbewerbsbedingungen eingehalten werden. Es darf an dieser Stelle auch für die britischen Freunde keinen einseitigen Rabatt geben.
Das Gleiche gilt für den Bereich der inneren Sicherheit. Ja, natürlich wünschen wir uns auch da einen umfangreichen Informationsaustausch, eine starke operative Zusammenarbeit, wenn es um die Strafverfolgung geht. Wir wünschen uns eine enge Anbindung an Europol usw. Aber auch das kann es nicht zum Nulltarif geben. Die Voraussetzung dafür ist auch hier eine uneingeschränkte Beachtung der europäischen Standards, zum Beispiel im Bereich des Datenschutzes.
Jetzt komme ich zu einem weiteren Punkt, den wir in unserem Antrag genannt haben. Natürlich möchten wir auch eine Zusammenarbeit mit Großbritannien als hervorragendem Wissenschaftsstandort. Man muss aber sagen: Schon die Entscheidung für den EU-Austritt hatte gewisse negative Auswirkungen auf den Status Großbritanniens als renommierte Forschungsnation. Der Anteil von namhaften Forschern aus Nicht-EU-Staaten, die im Rahmen von einem Horizon-2020-Stipendium ins Vereinigte Königsreich gekommen sind, ist gesunken: 2015 waren es noch 515 Nicht-EU-Forscher, 2018 dann schon 200 weniger. Und bei den Institutionen hat sich die Zahl sogar halbiert.
Jetzt hat der britische Premierminister Boris Johnson zwar versprochen, dass die britische Regierung mögliche Ausfälle kompensieren wird. Aber, ehrlich gesagt, würde ich nicht darauf wetten, dass er sich daran auch noch erinnern kann. Und eine einseitige Kompensation auf britischer Seite nützt uns, ehrlich gesagt, für die weitere Zusammenarbeit ja auch nicht wirklich.
Was wirklich weiterhelfen würde, wäre, wenn Großbritannien weiterhin an den großen Förderprogrammen wie Horizon Europe und Erasmus+ teilnehmen würde. Dazu müssen dann aber – erstens – die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Aufnahme als Drittstaat vorhanden sein. Zweitens muss ein Level Playing Field insbesondere bei den Beihilfen gewahrt werden. Und natürlich brauchen wir auch eine angemessene Beteiligung finanzieller Natur des Vereinigten Königsreichs, damit das gewährleistet sein kann.
Fakt ist: Würden wir alle Verbindungen zwischen der EU und Großbritannien komplett kappen, würde nicht nur Großbritannien verlieren, sondern Gesamteuropa. Und wie man so schön sagt: Nach den Verhandlungen ist vor der Verhandlung. Die Verhandlungen zu den Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU werden sicherlich nicht leichter werden, als es die Austrittsverhandlungen waren. Entscheidend ist aber: Die EU muss weiterhin Geschlossenheit zeigen; wir müssen einig sein. Natürlich ist der Wunsch Großbritanniens legitim, eigene Regelungen und Standards zu setzen. Aber natürlich ist es genauso legitim, dass wir unsere Interessen als Europäische Union auch schützen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Zeit ist knapp. Die Verhandlungsmasse ist, ehrlich gesagt, kaum zu bewältigen. Trotzdem müssen wir Vertrauen in unsere Verhandlungsführer haben. Und wichtig ist, dass wir auch künftig mit einer Stimme sprechen. Und vielleicht kommt es dann irgendwann wieder zu einem Tag, an dem wir sagen können: Wisst ihr eigentlich noch, was wir gemacht haben, als Großbritannien wieder Teil der Europäischen Union geworden ist?
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Damit schließe ich die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7427496 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 146 |
Tagesordnungspunkt | Partnerschaft EU - Vereinigtes Königreich |