13.02.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 146 / Tagesordnungspunkt 8

Konstantin KuhleFDP - Islamismus in Deutschland

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 14. Januar 2020 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass der türkische Staatsangehörige Ahmet K. aus Göttingen, meinem Wahlkreis, nicht als Gefährder in die Türkei abgeschoben werden darf. Der 29-Jährige ist wegen Körperverletzungs- und Betrugsdelikten vorbestraft. Die Behörden hatten sein Telefon abgehört und auf diese Weise herausgefunden, dass er Kontakte in die islamistische Szene hat. Die Behörden stuften ihn als Gefährder ein und nahmen ihn in Abschiebehaft, und das niedersächsische Innenministerium ordnete am 5. April 2019 die Abschiebung als Gefährder nach § 58a des Aufenthaltsgesetzes an, die sogenannte Gefährderabschiebung.

Nach Auffassung des Ministeriums ist Ahmet K. nicht lediglich ein Anhänger der radikal-religiösen Einstellung, sondern er sympathisiert ganz offen mit dem „Islamischen Staat“ und kann sich vorstellen, einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam zu folgen. Er hält auch persönlich den Einsatz von Gewalt für die Durchsetzung seiner islamistischen Auffassung für gerechtfertigt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich entschieden, festzuhalten, dass die Bedrohung für die Sicherheitslage in Deutschland nicht hinreichend dargetan ist, und diese Person hält sich weiter in Göttingen, in meinem Wahlkreis, auf. Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht entschieden, dass er nicht gefährlich ist, sondern es hat entschieden, dass die Gefährlichkeit, die für ein Vorgehen nach § 58a des Aufenthaltsgesetzes erforderlich wäre, nicht dargetan ist.

Dieser Fall zeigt: Es geht vom gewaltbereiten Islamismus in Deutschland eine ganz konkrete Gefahr für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger aus, und wir sind als Politik, als Staat verpflichtet, das Leben und die körperliche Unversehrtheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Deswegen ist es auch richtig, hier über Islamismus miteinander zu sprechen. Aber sobald es konkret wird, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ist bei Ihnen völlig tote Hose. Deswegen will ich in der Kürze der Zeit vier Vorschläge machen, die ganz wichtig sind bei der Bekämpfung von Islamismus und bei der Bekämpfung von gewaltbereitem Extremismus.

Das ist erstens die Erkenntnis – und das ist hier auch schon hinreichend deutlich gemacht worden –, dass die wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen gewaltbereiten Extremismus und gegen gewaltbereiten Islamismus moderate Muslime sind. Weltweit sind die meisten Opfer von Islamismus Muslime. Deswegen brauchen wir für die Bekämpfung von Islamismus die Kooperation mit islamischen Verbänden, brauchen wir ein Aufeinanderzugehen, brauchen wir Prävention. Da ist von Ihnen hier nichts zu lesen, und deswegen ist dieser Antrag völlig an der Sache vorbei und hat überhaupt nichts mit der Lebensrealität von Muslimen in Deutschland zu tun.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Die wissenschaftliche Expertise in den Sicherheitsbehörden muss gestärkt werden; das ist von der Kollegin Mihalic schon gesagt worden.

Drittens. Der Fall Anis Amri hat uns gezeigt, dass im föderalen Abstimmungsprozess unserer Sicherheitsbehörden noch deutlich Nachbesserungsbedarf besteht. Deswegen braucht es eine Föderalismusreform III im Bereich der inneren Sicherheit und eine gesetzliche Grundlage für das GTAZ.

Viertens. Wir brauchen eine einheitliche europäische Gefährderdefinition.

Das alles wären konkrete Dinge, die man tun kann. Aber hier einfach das Wort „Islam“ aufzuschreiben und ein bisschen Islamismus miteinander zu vermengen, bringt uns überhaupt nicht weiter, und deswegen muss dieser Antrag abgelehnt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Konstantin Kuhle. – Nächster Redner: Philipp Amthor für die Fraktion der CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7427509
Wahlperiode 19
Sitzung 146
Tagesordnungspunkt Islamismus in Deutschland
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta