13.02.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 146 / Tagesordnungspunkt 14

Axel MüllerCDU/CSU - Adoptionsrecht

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Es ist schon etwas verwunderlich, Herr Kollege Huber, dass Sie sich hier an der Debatte für Ihre Fraktion beteiligen. Mir sind Sie nicht aufgefallen im Rechtsausschuss, dass Sie sich jemals im Vorfeld zu den heutigen Debattenpunkten irgendwo geäußert hätten,

(Ulli Nissen [SPD]: Das wundert mich nicht!)

geschweige denn daran mitgearbeitet hätten.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Die wollen nicht arbeiten!)

Aber vielleicht zeugt von dieser Haltung auch das, was Sie heute hier zum Besten gegeben haben.

Wir debattieren letztendlich, wie die Kollegin Steffen schon gesagt hat, die Umsetzung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März des vergangenen Jahres zur Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien.

Es liegen zwei Gesetzentwürfe vor – ein Gesetzentwurf der Bundesregierung und ein Gesetzentwurf der Grünen –, ein Antrag der Fraktion der FDP und ein Entschließungsantrag der Fraktion der Linken. Die Vorlagen befassen sich zum einen mit einer Ausdehnung der Adoptionsmöglichkeiten für nichteheliche Paare, zum anderen mit der Neuregelung des Abstammungsrechts für gleichgeschlechtliche Paare.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf hält sich an den Auftrag, den das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber erteilt hat, und geht nicht darüber hinaus. Der Gesetzentwurf der Grünen und die Anträge gehen weit darüber hinaus.

Wie sieht denn unser Auftrag aus bzw. was beinhaltet er? Ich möchte noch einmal kurz den Fall beleuchten, um den es ging: Die Mutter eines Kindes war verwitwet und lebte mit einem neuen Lebenspartner zusammen, den sie aber nicht heiraten wollte, weil sie nämlich die Witwenrente nicht verlieren wollte. Sie war mit ihrem neuen Partner übereingekommen, dass aufgrund der langjährigen Beziehung, die sie mit ihm hatte, dieser das Kind aus der früheren Ehe doch adoptieren möge.

Die bisherige Regelung im Adoptionsrecht war so, dass dies nur zulässig war, wenn sie den nichtehelichen Partner geheiratet hätte oder wenn dieser das Kind adoptiert hätte und zugleich die Elternstellung der leiblichen Mutter aufgekündigt worden wäre.

Das Bundesverfassungsgericht kam dann zu dem Ergebnis, dass dieser Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien gegen den aus Artikel 3 des Grundgesetzes folgenden Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Das ist ja auch nachvollziehbar. Die entscheidende Perspektive, aus der heraus das Bundesverfassungsgericht das beurteilt hat, ist allerdings nicht die der Eltern, sondern die des Kindes, und diese Betrachtung nimmt der vorgelegte Gesetzentwurf auf. Es geht also nicht um die Selbstverwirklichung der Paare oder um gesellschaftspolitische Reformen. Für das Bundesverfassungsgericht und auch für uns steht einzig und allein das Wohl des Kindes im Zentrum der rechtlichen Beurteilung, meine Damen und Herren.

Für das Stiefkind darf es bei der Adoption keinen Unterschied machen, ob die Mutter mit dem neuen Partner verheiratet ist oder nicht. Das ist der Leitgedanke der Entscheidung, und der hat im Gesetzentwurf seinen Niederschlag gefunden. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich vorstellt, dass das Kind mit weiteren gemeinsamen Geschwisterkindern des nichtehelichen Paares zusammenlebt. Dann entsteht ein Unterschied im Unterhaltsrecht und im Erbrecht, der nicht zu rechtfertigen ist: Das Kind verliert nämlich seine Unterhaltsansprüche und seine erbrechtlichen Ansprüche gegenüber dem bisherigen Elternteil und kann allenfalls welche gegenüber dem neuen Vater/der neuen Mutter, dem nichtehelichen Partner, gewinnen. Es ist gewissermaßen rechtlich in einer solchen Familienkonstellation das fünfte Rad am Wagen.

Das wird dem Kindeswohl aber nicht gerecht, insbesondere auch deshalb, weil das benachteiligte Kind zur Verbesserung einer nachteiligen Position selbst nichts beitragen kann. Nach der bisherigen Gesetzesvorgabe konnten das ja nur der Vater bzw. die Mutter, der leibliche Vater, die leibliche Mutter oder der nichteheliche Partner, der neue Partner, tun: indem sie sich verheirateten.

Das ändert nun der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung, ohne das für uns nach wie vor bedeutende Rechtsinstitut der Ehe dadurch zu verwässern. Er berücksichtigt das Kindeswohl insbesondere an einem Punkt: Die Verfestigung der Lebensgemeinschaft dieses nichtehelichen Paares muss mindestens vier Jahre angedauert haben, weil nur das die Erwartung begründet, dass die Beziehung auf Dauer Bestand hat – ein Umstand, der für den nach dem Bundesverfassungsgericht wichtigen Faktor der Ehe insbesondere gilt, und dem soll hier entsprechend nachgeeifert werden.

Im Unterhaltsrecht genügen – das ist richtig – für eine verfestigte Lebensgemeinschaft bereits zwei Jahre, wenn es darum geht, dass ein neuer Partner mit einem Ex-Mann oder einer Ex-Frau zusammenlebt; das kann dann die Unterhaltsansprüche gegenüber dem Ex-Partner vereiteln bzw. beschränken. Und das bringt nun die Opposition auf den Plan, auch bei der Neufassung des Gesetzes zur Stiefkindadoption eine zweijährige Dauer des Zusammenlebens des nichtehelichen Paares für ausreichend zu erachten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit vier Jahren, entspricht aber der durch das Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Linie, dem adoptierten Kind möglichst viel Stabilität zu geben.

Die Opposition hat die Entscheidung jedoch zusätzlich als Aufforderung verstanden, auch gesellschaftspolitische Veränderungen vorzunehmen. Wesentliches Element des Antrags der FDP ist die Fremdadoption durch nichteheliche Paare; wenn das Kind bislang also keine natürliche Bindung zu den Eltern hat. Dazu hat sich das Bundesverfassungsgericht aber gerade nicht geäußert. Der Gesetzentwurf der Grünen bzw. der Entschließungsantrag der Linken wollen über das Adoptionsrecht hinaus noch das Abstammungsrecht in lesbischen Lebensgemeinschaften regeln.

Der FDP-Antrag könnte im Grunde genommen ganz leicht erledigt werden: Wenn sich das nichteheliche Paar verheiraten würde, dann könnten sie das Adoptionsrecht ausüben.

(Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Nein!)

Zu guter Letzt zum Gesetzentwurf der Grünen bzw. zum Entschließungsantrag der Linken. Was die Abstammungsfragen anbelangt, haben wir vor, in absehbarer Zeit einen eigenen Gesetzesvorschlag zur Neufassung des Abstammungsrechts vorzulegen. Es gibt durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für uns keinen entsprechenden Handlungsauftrag, wie Sie ihn für sich ausgelegt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht die Kollegin Katrin Helling-Plahr für die Fraktion der FDP.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7427612
Wahlperiode 19
Sitzung 146
Tagesordnungspunkt Adoptionsrecht
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