13.02.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 146 / Tagesordnungspunkt 15

Frank SchwabeSPD - Regelung und Prüfung von Lieferketten

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Wir in diesem Hohen Hause tragen Verantwortung für die Menschen, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. Aber wir tragen in der Tat auch Verantwortung – das ist gerade deutlich geworden – für die Menschen in den Ländern, in denen es eine schwache Staatlichkeit gibt und deutsche Unternehmen unternehmerisch tätig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Um es noch mal zu sagen: Es geht um die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Es geht darum, wie lange Menschen, die für deutsche Unternehmen oder entsprechende Zulieferer tätig sind, in den Fabriken arbeiten müssen. Es geht darum, wie es mit der Gesundheitsversorgung aussieht. Es geht darum, ob dort Kinderarbeit stattfindet. Es geht darum, ob zum Beispiel durch den Bergbau Umweltschäden verursacht werden. Für das alles tragen wir Verantwortung. Wir müssen dafür sorgen, dass sich deutsche Unternehmen an entsprechende Regeln halten – natürlich gerne freiwillig. So ist es im Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ angelegt.

Aber Freiwilligkeit gilt dann für alle Unternehmen, damit alle Unternehmen die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben. Es kann doch nicht sein, dass es ein paar Unternehmen aus Deutschland gibt, die sich daran halten, und andere sagen: Nein, wir machen uns einen schlanken Fuß. – Deswegen sage ich für die Sozialdemokratie, dass wir dem Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ skeptisch gegenüberstehen. Leider hat die Überprüfung in der ersten Runde ergeben, dass die Zahlen erschreckend niedrig sind und ein schwaches Bild abgeben, was die Verantwortung deutscher Unternehmen angeht.

(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Weil es nicht richtig überprüft wurde!)

Genau deswegen brauchen wir eine gesetzliche Regelung, eine gesetzliche Verpflichtung, ein Level Playing Field für alle deutschen Unternehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unsere Aufgabe hier im Deutschen Bundestag, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Im Übrigen arbeitet das BMAS mit Minister Heil und Minister Müller an einem Gesetzentwurf. Es wäre schön, wenn vielleicht mal aus der Union ein bisschen Unterstützung für den eigenen Minister käme.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere an den Koalitionsvertrag. Einfach mal lesen, was da drinsteht. Da steht nämlich drin: Wenn es in der zweiten Runde – die soll beendet sein im Juni dieses Jahres – eine Überprüfung gibt und deutlich wird, dass weniger als 50 Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen, dann gibt es eine gesetzliche Regelung. – Darauf bestehen die Sozialdemokratische Partei und die sozialdemokratische Fraktion ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei der SPD)

Ich wäre ein bisschen vorsichtig, Herr Rouenhoff, wenn Sie Angriffe auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für Arbeit und Soziales starten, wissend, welche Papiere Sie eigentlich geliefert bekommen. Es ist nämlich so, dass für Sie Herr Kampeter, der ja mal in der Bundesregierung Verantwortung getragen hat, Ihre Papiere und Ihre Position eins zu eins formuliert – das ist nämlich die Realität –

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU])

und dann am Ende das Wirtschaftsministerium diese Positionen entsprechend übernimmt.

Sie haben gerade formuliert – ich habe es mir aufgeschrieben –: Man ändert die Regeln nicht während des Verfahrens. – Sie wollen sie aber ändern, weil Sie in der ersten Überprüfungsrunde des NAP gemerkt haben, dass die Nummer nicht funktioniert. Deswegen kommen Sie jetzt und sagen: Wir wollen tricksen und täuschen, wir wollen alles nach hinten verschieben, und wir wollen die Regeln im Verfahren ändern. – Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, sehr geehrter Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU])

Viele Menschen da draußen, glaube ich, warten darauf, dass wir hier im Deutschen Bundestag Entscheidungen treffen, im Übrigen auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Es könnte ja sein, dass Sie auf das ein Stück weit hören. Dieses hat nämlich bei der Vollversammlung am 22. und 23. November des letzten Jahres auch eine gesetzliche Regelung eingefordert.

Es gibt zahlreiche Unternehmen, die sich für eine gesetzliche Regelung einsetzen. Und ich weiß gar nicht, wie Sie, Herr Frohnmaier, auf die Idee kommen, Daimler zu zitieren, weil Daimler genau eines der Unternehmen ist, das sich für eine gesetzliche Regelung einsetzt.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern: Einfach mal vorher informieren; dann ist man auf der richtigen Seite.

Ansonsten zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidenten eine gemeinsame Position zahlreicher Unternehmen aus Deutschland:

Eine gesetzliche Regelung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten würde zu Rechtssicherheit und gleichen Wettbewerbsbedingungen („level playing field“) beitragen. Sie würde sicherstellen, dass für alle

– für alle! -

der gleiche Standard gilt und kein Unternehmen sich ohne Konsequenzen seiner Verantwortung entziehen oder Gewinne auf Kosten von Mensch und Natur machen darf. Das erwarten auch die Beschäftigten, die Kunden, die Investoren und die Öffentlichkeit von uns.

Unterschrieben unter anderem von KiK, Hapag-Lloyd, Nestlé, Ritter Sport, Rewe, Tchibo und vielen anderen.

Es wäre schön, wenn bei den Kolleginnen und Kollegen der Bundestagsfraktion von CDU und CSU diese Einsicht entsprechend Eingang finden würde:

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir brauchen eine vernünftige Regelung für die deutschen Unternehmen. Sie werden doch sicher auch entsprechende Gespräche führen. Die deutschen Unternehmer sind verunsichert. Sie wissen oftmals gar nicht: Wie machen wir das eigentlich? Welche Standards sollen wir denn anwenden? – Deswegen ist es wichtig, den Unternehmen Orientierung zu geben und am Ende klarzumachen: Wir verlangen die gleichen Kriterien von allen deutschen Unternehmen, die im Ausland tätig sind.

Wie Sie wissen: Der Kiosk ist natürlich nicht gemeint.

(Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Das ist aber das, was im Antrag der Grünen steht!)

Sondern es geht um Unternehmen, die einen wirklich maßgeblichen Einfluss im Ausland haben.

(Abg. Markus Frohnmaier [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Schwabe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen?

Nein. – Wir tragen Verantwortung für die deutschen Unternehmen. Wir tragen aber auch Verantwortung für die betroffenen Menschen in den Ländern, über die wir reden. Wir reden – das muss man sich klarmachen – über den Begriff „menschenrechtliche Sorgfaltspflichten“; darum geht es.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht mehr und nicht weniger!)

Wir wollen, dass sich alle deutschen Unternehmen daran halten. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass wir noch in dieser Legislaturperiode ein solches Lieferkettengesetz verabschieden sollten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU])

Vielen Dank. – Nächster Redner für die Fraktion der FDP ist der Kollege Dr. Christoph Hoffmann.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7427790
Wahlperiode 19
Sitzung 146
Tagesordnungspunkt Regelung und Prüfung von Lieferketten
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta