Katrin BuddeSPD - Abzug von US-Soldaten aus Deutschland
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gehöre weder zu denen, die den verordneten Antiamerikanismus der DDR absorbiert haben, noch gehöre ich zu denen, die sich von Anti-Russland-Strategien vereinnahmen lassen.
(Frank Müller-Rosentritt [FDP]: Das ist gut!)
Ich gehöre zu jenen, die weder alles richtig finden, was in Amerika gemacht wird, noch alles richtig finden, was in Russland gemacht wird. Im richtigen Leben ist es eben nie so einfach; da gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern es sind die Grautöne, die das Leben bestimmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wohl wahr!)
Ja, die Äußerungen des US-Botschafters sind ein Affront in Bezug auf die gute Zusammenarbeit der NATO-Staaten. Ich frage mich nur, ob es wirklich Sinn macht, sich auf diesen populistischen Weg des Miteinanders zu begeben, und beantworte es deutlich mit Nein. Denn die NATO wurde als „Wertegemeinschaft freier demokratischer Staaten“, die sich zu Frieden, Demokratie, Freiheit und der Herrschaft des Rechts bekennen, gegründet.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das war sie nie wirklich! Interessengemeinschaft, keine Wertegemeinschaft!)
Das ist sie, und Gott sei Dank gibt es sie seit 70 Jahren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Westbindung und die Mitgliedschaft in der NATO sind seit Jahrzehnten Grundpfeiler der Sicherheit und des Friedens, und dies auch in Deutschland. Dies in der aktuellen Weltlage aufzukündigen, wäre eine politische Geisterfahrt und absolut unverantwortlich.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckhard Gnodtke [CDU/CSU])
Die NATO ist zuallererst ein Sicherheitsbündnis. Und ja, dazu gehört es auch, dass ausländische Soldatinnen und Soldaten in Deutschland stationiert sind. Diese Präsenz dient nicht nur dem Schutz deutscher und europäischer Sicherheitsinteressen, sondern auch der Bereitstellung einer Drehscheibe für weltweite Krisengebiete, und zwar nicht nur für Einsätze der militärischen Art, sondern auch, wenn es zum Beispiel um die Versorgung von verwundeten Soldatinnen und Soldaten geht.
Deutschland und Europa sind mit Nordamerika eng verbunden. Die Vereinigten Staaten und Kanada sind zentrale Verbündete, und sie sind auch Freunde der Europäischen Union und Deutschlands. Daran sollte sich auch nichts ändern, wenn es verrückte amerikanische Präsidenten gibt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deutschland war 45 Jahre getrennt, hatte auch unterschiedliche Verbündete, wobei die Verbündeten des westlichen Blocks dies freiwillig waren. Im Ostblock waren es nicht wirklich freiwillig Verbündete. Das sieht man auch daran, dass das östliche Bündnis nach 1990 ganz schnell zusammengebrochen ist. Auch ein wiederholtes Verlangen der Linksfraktion nach Abzug der Soldatinnen und Soldaten und die Wünsche nach Schließung einzelner Stützpunkte werden da nichts nützen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Aller Stützpunkte!)
Gleichwohl heißt das aber nicht, dass wir jede Entscheidung der USA oder jedes Handeln oder jeden Tweet des Präsidenten der USA gutheißen – im Gegenteil! Aber würde dieses Verhalten bzw. Handeln von ihm besser werden, wenn die USA sich noch weiter von Europa und Deutschland entfernten? Mit Sicherheit nicht.
Ihr Antrag, meine Damen und Herren der Linksfraktion, liest sich für mich persönlich wie ein Anschlag an der Wandtafel meiner Schulzeit des Funktionärs für Agitation und Propaganda; er könnte da eins zu eins gehangen haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Die logische Schlussfolgerung ist: Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Der zweite Antrag, den wir heute mitbehandeln, hätte gleich neben dem ersten an der Wandtafel hängen können. Er befasst sich mit der logistischen Großübung Defender 2020. Nüchtern beschrieben dient diese Übung dem Test der Belastbarkeit der Logistik. Ziel ist es, eine schnelle Verlegbarkeit größerer Truppenteile über den Atlantik und durch Europa zu üben, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Verfahren im Krisenfall funktionieren, und so die Einsatzbereitschaft innerhalb der NATO zu erhöhen. Deutschland dient dabei, auch rein geografisch, als Dreh- und Angelpunkt, als rückwärtiges Einsatzquartier. Sie von der Linken tun in Ihrem Antrag aber so, als würde es sich um die Vorbereitung eines Angriffskrieges gegen Russland handeln. Das ist wirklich absurd.
Sie stellen das auch noch in den zeitlichen Zusammenhang – das ist wirklich mehr als nur bösartig – mit der Befreiung Berlins vor 75 Jahren. Das ist unglaublich! Es handelt sich nicht um ein Manöver der deutschen Wehrmacht, sondern um eine Übung der USA zusammen mit 18 NATO-Partnern. Das sollten Sie dabei immer berücksichtigen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Sowohl Amerika als auch Frankreich gehören zu den westlichen Alliierten und waren genauso am Sieg über den Faschismus beteiligt.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stellt niemand infrage!)
Es ist absurd, diese Übung, dieses Manöver in diesen Zusammenhang zu stellen.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lesen Sie Ihren eigenen Antrag! Ihre Wortwahl umfasst Formulierungen wie „Kampftruppen für Kampfübungen“, „Verbringung des Kriegsgeräts“ und „Militäraufmarsch“. Geht’s noch?
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Absurd! – Bijan Djir-Sarai [FDP]: Sehr gute Rede!)
Haben Sie die gleichen Formulierungen für russische und weißrussische Manöver wie das Sapad 2017 verwendet? Oder war das eine „Friedensübung“? Das hätte vor 35 Jahren auf dem Anschlag an der Wandtafel gestanden.
(Zurufe von der LINKEN)
Erstaunlich, dass Sie nicht die öffentlich zugänglichen Daten und Fakten infrage stellen. Das können Sie auch nicht, weil sie richtig sind – anders als bei Sapad 2017. Es gibt höchste Transparenz. Warum erwähnen Sie nicht die Einladung der russischen Beobachter zu Defender 2020? Auch das ist übrigens anders als bei Sapad 2017.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Ja, der Blick auf Russland hat sich seit der Annexion der Krim verändert, und die Sicht der Länder, die direkt an Russland grenzen, auf ihre eigene Sicherheitslage hat sich auch verändert. Und ja, es geht darum, zu testen, ob eine Verteidigung der Außengrenzen der EU in Richtung Russland logistisch leistbar ist, und das ist auch gut so. Beabsichtigt ist eine Übung logistischer Möglichkeiten, aber keine Eskalation gegen Russland. Das Manöver ist angemeldet, Russland weiß Bescheid, dass es stattfindet, und ist eingeladen, kann Beobachter schicken. Das ist anders als bei Sapad 2017.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Es fehlt eigentlich nur noch der Begriff „Kriegstreiberei“.
Ich bin sehr dafür, dass wir mit Russland zu einem besseren Miteinander kommen – und tue alles dafür, was in meinen Möglichkeiten steht –
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sieht nicht so aus!)
und zu gegenseitigen Verabredungen. Mich stören die Sanktionen gegen Russland auch.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Wirklich?)
Ich halte eine wirtschaftliche Zusammenarbeit für absolut notwendig, zumal andere Länder diese Sanktionen ganz offen kreativ umgehen. Ich halte es aber für ebenso anmaßend vonseiten der USA, uns das Gasprojekt zu untersagen. Ich bin aber genauso davon überzeugt, dass Defender 2020 im Kreml als genau das gesehen wird – auch wenn Russia Today das anders berichten wird –, was es ist: eine Übung.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sie kennen sich ja gut aus im Kreml!)
Wissen Sie, Präsident Putin ist wirklich kein Präsident der Wattebällchen. Eine Journalistin hat es für mich in einem Kommentar auf den Punkt gebracht:
In einer idealen Welt regeln Menschen ihre Konflikte ohne Gewalt. In einer idealen Welt sind Soldaten und Armeen überflüssig.
Ich würde mir eine solche Welt wünschen; aber wir leben nicht in dieser idealen Welt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Das Wort hat der Kollege Djir-Sarai für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7427810 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 146 |
Tagesordnungspunkt | Abzug von US-Soldaten aus Deutschland |