14.02.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 147 / Tagesordnungspunkt 23

Marcel KlingeFDP - Ökologische Digitalisierung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war jüngst bei einem mittelständischen Fensterbauer im Schwarzwald zu Gast, und als wir beim Rundgang ins Gespräch kamen, sagte mir die Chefin, eine taffe Familienunternehmerin: Herr Klinge, wenn meine fünf Mädels im Büro morgens Outlook hochfahren und E-Mails abrufen, bricht bei mir die Leitung zusammen.

Das ist kein Einzelfall. Wir alle kämpfen doch täglich mit Funklöchern und Netzabbrüchen. Deswegen ist es zwar vollkommen in Ordnung, wenn wir uns heute in dieser Debatte über die ökologischen Herausforderungen der Digitalisierung unterhalten, es ist aber genauso wichtig, dass wir uns über die miserable Netzinfrastruktur in Deutschland unterhalten; denn die muss auf Vordermann gebracht werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wo stehen wir denn da im internationalen Vergleich? 3 bis 4 Prozent beträgt der Glasfaseranteil in Deutschland; der OECD-Durchschnitt liegt bei 30 Prozent. Die Spitzengruppe, Japan und Südkorea, hat einen Glasfaseranteil von 80 Prozent. Bei der LTE-Netzabdeckung sind wir abgeschlagen, noch hinter Aserbaidschan, auf Platz 70. Die Inbetriebnahme eines Mobilfunkmastes dauert in Deutschland 18 Monate und länger.

Ich finde, schon diese Zahlen zeigen das Ausmaß an Rückstand, den wir technologisch haben. Und dieser Rückstand hat auch politisch einen Namen, nämlich: Große Koalition.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesvorsitzende der SPD – fürs Kurzzeitgedächtnis: Saskia Esken – ist der Meinung, dass ein Digitalministerium eine Schnapsidee ist. Die Bundesforschungsministerin ist der Meinung, dass wir schnelles Internet nicht an jeder Milchkanne, sondern offensichtlich nur an bestimmten Orten in Deutschland brauchen. Und der Bundeswirtschaftsminister beklagt sich öffentlichkeitswirksam darüber, dass er mit seinen Kollegen im Ausland unterwegs nicht vernünftig telefonieren kann, weil ständig das Telefonat abbricht.

Es ist genau jener Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der jüngst bei der Versteigerung der 5G‑Lizenzen schon wieder den gleichen Fehler gemacht hat, nämlich zulasten der Netzabdeckung möglichst viel aus den Mobilfunkbetreibern herauszupressen. Das ist die falsche Politik.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen brauchen Sie sich auch nicht zu wundern, meine Damen und Herren, dass mehr als die Hälfte der Deutschen und 90 Prozent der Führungskräfte, wie jüngst das „Handelsblatt“ mitteilte, Ihnen keine digitalpolitische Kompetenz zutraut.

Unser Ziel, das Ziel der Freien Demokraten ist es, dass wir unsere digitalen Netze endlich auf internationales Spitzenniveau bringen. Wir wissen: Das ist ein finanzieller, ein organisatorischer Kraftakt. – Friedrich Merz sprach kürzlich im „Focus“ von „digitaler Nachrüstung“. Ich finde, das ist zu klein gedacht. Wir brauchen wahrlich ein digitales Wirtschaftswunder, um wieder international wettbewerbsfähig zu sein, einen Kraftakt der ganzen Gesellschaft, um bei den Netzen wieder eine Topposition in der Welt einzunehmen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Martin Hebner [AfD])

Den ersten Schritt, den Sie, liebe Kollegen von der Koalition, politisch dazu unternehmen können, ist die Einrichtung eines schlagkräftigen Digitalisierungsministeriums, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Am besten schicken Sie da Ihren besten Mann hin und nicht gerade Ihren schlechtesten Mann, der gerade für das Thema zuständig ist.

Eins muss uns bewusst sein: Die Zeit läuft. Die Digitalisierungswelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommt ja nicht erst auf uns zu, sondern hat uns mittlerweile voll erwischt. Für mich stellt sich jetzt die Frage, ob wir als Deutsche vorne erfolgreich mitsurfen oder ob wir hinterherschwimmen wollen.

Wir brauchen digitale Netze auf Topniveau. Mit denen können wir uns dann auch um das Thema „Umweltschutz und Digitalisierung“ kümmern. Wir als Freie Demokraten sind bei Weitem nicht so pessimistisch wie die Grünen in ihrem Antrag und auch in ihren Ausführungen. Wir glauben, in diesem Thema steckt enormes Potenzial – Kollege Mohrs hat den Logistikbereich genannt, es gibt auch viele andere Bereiche. Allein mit der Digitalisierung zur Reduzierung des Parksuchverkehrs – Sie kennen das: man fährt eine Viertelstunde um den Block und findet keinen Parkplatz – könnten wir Unmengen an CO

(Beifall bei der FDP)

All das, meine Damen und Herren, funktioniert aber nur, wenn die Große Koalition ihre digitalpolitischen Hausaufgaben macht. SAP hat jetzt angekündigt, bis 2025 klimaneutral zu sein. Ich finde das wirklich super. Unser Anspruch hier in Berlin sollte aber sein, dass nicht nur die Großen wie SAP, sondern auch der kleine, mittelständische Fensterbauer im Schwarzwald von den Chancen der Digitalisierung profitieren und am Ende auch das Klima und die Umwelt schützen kann.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Rednerin: die Kollegin Jessica Tatti, Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7427911
Wahlperiode 19
Sitzung 147
Tagesordnungspunkt Ökologische Digitalisierung
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