04.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 148 / Zusatzpunkt 1

Alice WeidelAfD - Regierungserklärung zur Bekämpfung des Coronavirus

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Lage ist ernst. Weltweit hat das Coronavirus 76 Länder erfasst und über 3 200 Tote gefordert. 93 000 Infizierte sind aktuell registriert. In Deutschland ist die Zahl der bestätigten Infizierten mittlerweile auf 258 gestiegen.

Wie viele Menschen wirklich das Virus in sich tragen und weiterverbreiten, weiß niemand genau. Der Leiter der Virologie der Charité warnt: Bis zu 70 Prozent der deutschen Bevölkerung könnten sich anstecken. Trotzdem gibt es bis heute keine durchstrukturierte, mit klaren Verantwortlichkeiten unterlegte Coronatestinfrastruktur. Wer aus einem Risikogebiet kommt und sich testen lassen will, wird oft von Pontius zu Pilatus geschickt – keiner fühlt sich zuständig. Dieses Chaos und dieses Kompetenzwirrwarr ist kein Verhängnis aus heiterem Himmel; es ist die Folge eines konkreten politischen Versagens, und das ist ein fahrlässiges Spiel mit dem Leben und mit der Gesundheit unserer Bürger.

(Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Nach allem, was wir wissen, gehen von dem Virus eine höhere Ansteckungsgefahr und ein größeres Mortalitätsrisiko aus als von der gewöhnlichen Grippe. Eine Erkenntnis, die Sie, Herr Minister Spahn, noch am 24. Januar geleugnet haben. Die Infektion verlaufe bei Corona milder, haben Sie gesagt. Das war nicht Ihre einzige Fehleinschätzung – leider. Am 27. Januar haben Sie behauptet: Wir sind gut vorbereitet. – Sie tun es noch heute.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Muss es Ihnen schlecht gehen!)

Vier Wochen später, am 26. Februar, haben Sie zugegeben: Wir befinden uns am Beginn einer Coronaepidemie. Passiert ist in diesen entscheidenden Wochen nichts.

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Das stimmt nicht! – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Sie sind der Meinung, man müsse Zeit gewinnen für notwendige Präventionsmaßnahmen. Diese hätten Sie in den vergangenen Wochen längst ergreifen müssen. Anstatt sich eine eigene Kompetenz zu erarbeiten, verstecken Sie sich hinter Facheinschätzungen, nach denen es Wasser und Seife zur Bewältigung der Krise auch täten.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott!)

Erst jetzt, in diesen Tagen, gibt es einen Krisenstab, der plant, Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung mit Schutzausrüstung vorzubereiten. Vor Wochen hätte man das tun müssen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Müssen Sie aus allem politisches Kapital schlagen?)

Nun rächt sich auch, dass in Ihrer Regierungszeit die letzte Antibiotikaproduktionsstätte in Deutschland schließen musste. Die Versorgungslage mit entsprechenden Medikamenten verschlechtert sich zusehends.

(Beifall bei der AfD)

Die Unruhe in der Bevölkerung wäre zweifellos weitaus geringer, wenn diese Regierung einen kompetenteren und ernsthafteren Eindruck machte und wenn die Bürger das Vertrauen haben könnten, dass ihre Regierung sich um ihre Kernaufgaben kümmert, und zwar den Schutz der Bürger und die Krisenprävention, die sie wochenlang sträflich vernachlässigt hat.

(Beifall bei der AfD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich heute mal wieder disqualifiziert!)

Die Zeit drängt. Dabei sind die Folgen des Umsetzungs- und Kommunikationsversagens schon nicht mehr einzuholen. Statt rhetorischer Beruhigungspillen sind jetzt konkrete Sofortmaßnahmen nötig. Wir müssen die vorhandenen Behandlungskapazitäten laufend erfassen und zügig erweitern, um für einen schlagartigen Anstieg der Erkrankungsfälle gewappnet zu sein. Wie viele Intensivbetten können kurzfristig bereitgestellt werden, wie viele Isolierstationen sind vorhanden?

(Karin Maag [CDU/CSU]: Wir wissen das, Frau Weidel! Nur Sie nicht!)

Wie viele werden benötigt? Das muss koordiniert werden. Wir brauchen flächendeckende und verpflichtende Tests für Risikopersonen sowie Menschen, die an Grippe oder schweren Erkältungen erkrankt sind.

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Es gibt keine Screeningtests!)

Nötig ist eine getrennte Testinfrastruktur, statt Arztpraxen und Krankenhäuser mit Untersuchung und Versorgung alleinzulassen. Von Hausärzten und Primärversorgungspraxen zu erwarten, dass sie ohne den erforderlichen Schutz Hilfe leisten, grenzt an fahrlässige Körperverletzung.

(Beifall bei der AfD)

Es müssen dringend fehlende Schutzausrüstungen für Ärzte und medizinisches Personal bereitgestellt werden, sonst wiederholen sich Pannen wie letzten Sonntag in der Charité, als eine ganze Notaufnahmeschicht selbst in Quarantäne musste, nachdem ein Verdachtsfall hochpositiv getestet worden war, und das, nachdem der Patient nach Hause geschickt wurde. Nötig sind auch Temperaturkontrollen an den Flughäfen; das wird in China gemacht.

(Sabine Dittmar [SPD]: So ein Schmarrn!)

Die freiwillig auszufüllenden Fragebögen, auf die die Bundesregierung setzt, sind leider wenig effektiv.

Wir benötigen systematische Einreisekontrollen an den Grenzen, die die Bundesregierung leider bis heute ablehnt. Österreich kann Züge stoppen, Italien kann Migrantenschiffe unter Quarantäne stellen; aber Deutschland lässt die Grenzen unkontrolliert.

(Beifall bei der AfD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)

– Dass Sie das witzig finden, wissen wir. – Die ungelöste Migrationskrise verschärft sich aktuell dramatisch. Im Nahen und Mittleren Osten wütet das Virus besonders heftig. Und ausgerechnet jetzt setzt die Türkei Zehntausende Migranten von dort nach Europa in Marsch.

(Florian Post [SPD]: Sollen wir die Grenzen schließen?

Trotzdem klammert sich die Bundesregierung an das Dogma der offenen Grenzen. Diese Starrsinnigkeit verschlimmert die Infektionsgefahr und kann Leben kosten.

(Beifall bei der AfD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen froh sein, dass man Sie über die Schweizer Grenze gelassen hat!)

Die üblichen Lobbyisten – Herr Hofreiter, Sie schreien wieder – rufen schon danach, alle kontrolliert aufzunehmen. Das ist nicht nur weltfremd, das ist haarsträubend verantwortungslos.

(Beifall bei der AfD – Kersten Steinke [DIE LINKE]: Menschlich ist das!)

Für besonders gefährdete Bevölkerungsteile, ältere Menschen, Personen mit Mehrfacherkrankungen, müssen konkrete Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Auch sie müssen spüren, dass sie ihren Anteil beitragen können und auch müssen. Wegen der eklatanten Versäumnisse, leider bereits angesteckte Personen rechtzeitig zu identifizieren, kann es zu einer schlagartigen Erhöhung der Zahl der Krankheitsfälle kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Thema geht mir persönlich sehr nahe.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht man ja!)

Wir haben es mit einer echten Krise zu tun. Diese lässt sich nicht mit weltfremden Kanzlerin-Podcasts und Beschwichtigungssprüchen à la Maß und Mitte oder „Wir sind gut vorbereitet“ wegschwätzen. Wo bleibt die Strategie? Ich sehe überhaupt keine!

Wachen Sie auf!

(Beifall bei der AfD)

Seien Sie bitte professionell! Befassen Sie sich mit den wahren Problemen, und handeln Sie, wie es dem Interesse dieses Landes und seiner Bürger entspricht! Dafür sind Sie gewählt, und wir stehen bereit, Sie dabei zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Bärbel Bas, SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7431150
Wahlperiode 19
Sitzung 148
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zur Bekämpfung des Coronavirus
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