Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage in Griechenland und an der griechisch-türkischen Grenze ist entsetzlich. Ich denke, darüber sollte hier im Haus auch Einigkeit herrschen. Die Versorgung der Geflüchteten, ihre Unterbringung, die Prüfung der Anträge und die ewige Dauer der Verfahren, das alles ist nicht akzeptabel. Was uns besonders schmerzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass die Solidarität in Europa verloren gegangen ist und dass sich einzelne Mitgliedstaaten der gemeinsamen Verantwortung entziehen.
(Zurufe von der AfD)
Deshalb muss es unser gemeinsames Bemühen und unser aller Anstrengung sein, Griechenland zu helfen, die Menschen aus der Notlage zu befreien, ihnen Schutz und Sicherheit zu geben und die Solidarität in Europa wiederherzustellen.
(Beifall bei der SPD)
Das bedeutet für uns hier in Deutschland natürlich, dass wir Schutzbedürftige, insbesondere Kinder und Frauen, aufnehmen und ihnen Schutz und Sicherheit geben müssen. Das bedeutet für uns – wir drücken uns überhaupt nicht vor Verantwortung, und wir verschanzen uns auch nicht hinter irgendwas –, dass wir das im Rahmen einer europäischen Lösung tun müssen; anders geht es nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Benjamin Strasser [FDP])
Diese europäische Lösung heißt nicht, dass alle 27 Mitgliedstaaten mitmachen müssen und dass wir warten müssen, bis auch der letzte zustimmt. Vielmehr wollen wir voranschreiten mit denjenigen, die dazu bereit sind, und das werden wir auch hinbekommen.
(Beifall bei der SPD)
Natürlich wollen wir in Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb freuen wir uns auch so – das sage ich für die SPD-Bundestagsfraktion –, dass Boris Pistorius die Initiative ergriffen hat,
(Beifall bei der SPD)
dass Berlin, Thüringen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, dass viele Städte und Kommunen sich angeschlossen und gesagt haben: Wir sind bereit, aufzunehmen. – Ich frage mal in Richtung der Grünen: Was ist eigentlich mit Baden-Württemberg? Da haben wir noch gar nichts gehört. Das wäre mal interessant.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Frau Kollegin Högl, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Amtsberg?
Nein, im Moment nicht.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Stichwort europäische – –
(Zuruf der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Ja, dann los. Bitte sehr.
Sie erlauben die Frage jetzt doch? – Das ist ja interessant. Ich habe das so verstanden, Frau Amtsberg, dass Sie anschließend eine Kurzintervention machen wollen, die ich auch zulassen würde.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, ich will eine Zwischenfrage stellen!)
Stellen Sie Ihre Frage.
Wenn die Kollegin Högl die Zwischenfrage zulässt, Frau Kollegin Amtsberg, bin ich nicht befugt, meinerseits zu erklären, dass Sie jetzt keine Zwischenfrage stellen dürfen.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat sie zugelassen, Herr Präsident!)
Liebe Frau Amtsberg, stellen Sie Ihre Frage.
Aha.
Vielen Dank für das Zulassen der Frage. – Frau Högl, Sie haben mich ja direkt angesprochen und gefragt, was wir eigentlich tun. Auch Bezug nehmend auf die Ausführungen Ihres Kollegen Boris Pistorius, möchte ich einmal fragen, ob Sie tatsächlich teilen, was er gesagt hat, und ob Ihnen bekannt ist, dass Baden-Württemberg in der Vergangenheit 1 000 Jesiden aufgenommen hat,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)
dass die Koalition in Schleswig-Holstein – entspannen Sie sich; ich bringe noch mehr Beispiele, an denen Sie sich abarbeiten können – ein Programm für 500 besonders Schutzbedürftige aus Nordafrika durchgeführt hat, dass Daniel Günther heute noch mal deutlich gemacht hat, dass er auch bereit ist, Geflüchtete von den griechischen Inseln aufzunehmen,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
dass Thüringen und Berlin in der Vergangenheit syrische Geflüchtete aufgenommen haben,
(Zurufe von der AfD)
dass sich Berlin erneut dafür ausgesprochen hat, Geflüchtete aus Lesbos aufzunehmen – die Liste ist leider länger, deshalb dauert es einen Moment; es tut mir leid –, dass Brandenburg, ebenfalls von den Grünen mitregiert, Programme beschlossen hat, dass Hamburg angekündigt hat, aufzunehmen, dass Bremen angeboten hat, aufzunehmen – Sachsen auch; es ist noch nicht klar, in welcher Form; aber es wurde im Koalitionsvertrag festgehalten –, und dass 180 Kommunen, regiert von Grünen, von SPD, von FDP und von der CDU, dasselbe fordern, was wir hier gefordert haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nehmen Sie das zur Kenntnis? Und finden Sie nicht auch, dass es erstens unschön ist, dass man das hier richtigstellen muss, und zweitens die Verantwortung für die Aufnahme von Geflüchteten aus anderen europäischen Ländern eigentlich in der Verantwortung der Bundesregierung liegt, also auch in Ihrer?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Was war jetzt die Frage, Frau Kollegin Amtsberg?
Zur Kenntnis nehmen und sich dessen bewusst sein.
Ja, zur Kenntnis genommen. Ehrlich gesagt, Frau Amtsberg, das ist uns allen bekannt.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Anscheinend nicht!)
Alle Länder, alle Kommunen haben eine gewaltige Anstrengung unternommen, um viele Geflüchtete aufzunehmen. An dieser Stelle danken wir allen, die sich da vor und nach 2015 engagiert haben; das ist bekannt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE])
Jetzt geht es aber darum, ob wir in dieser besonderen Notlage in Griechenland darüber hinaus aufnehmen. Dazu habe ich, erstens, aus Baden-Württemberg nichts gehört;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
ich habe auch aus Hessen nichts gehört. Zweitens habe ich heute einen Artikel gelesen, nach dem Ihr Ministerpräsident Kretschmann eine Verschärfung des deutschen Asylrechts und eine härtere Gangart in der Flüchtlingspolitik fordert. Ich glaube, Sie haben eine ganze Menge zu klären.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP)
Mein nächstes Stichwort wäre ohnehin die gemeinsame Verantwortung in der Koalition und in der Bundesregierung gewesen. Ich sage Ihnen für die SPD-Bundestagsfraktion: Wir unterstützen Bundesinnenminister Seehofer ganz ausdrücklich bei seinen Bemühungen, jetzt eine Koalition der Vernunft in Europa zustande zu bringen,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
jetzt zu einer Einigung zu kommen. Wir erwarten natürlich, dass er mit konkreten Vorschlägen und konkreten Maßnahmen zurückkommt, wie wir gemeinsam die Geflüchteten aus der schwierigen Lage befreien und hier aufnehmen können.
(Beifall bei der SPD)
So eine europäische Lösung ist überhaupt nicht in absoluter Ferne. Einzelne Mitgliedstaaten haben sich schon bereit erklärt. Frankreich, Portugal, Finnland haben schon ihre Bereitschaft erklärt. Das ist eine gute Basis, um in Europa weiter daran zu arbeiten. Deswegen stimmen wir heute dem Antrag der Grünen explizit nicht zu. Da steht zwar viel Richtiges drin, in der jetzigen Situation hilft es aber überhaupt nicht weiter, diesen Antrag zu beschließen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will als Letztes sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, bei diesem ernsten Thema, bei dem es um das Leid und die Not von Menschen geht, hier im Deutschen Bundestag taktische Spielchen zu betreiben und uns namentlich abstimmen zu lassen, das lehnen wir ab.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP)
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erhält das Wort der Kollege Josef Oster, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7431571 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 148 |
Tagesordnungspunkt | Aufnahmebereitschaft von Städten und Kommunen |