Annette Widmann-Mauz - Vereinbarte Debatte - Rechtsterrorismus und Hass
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Nichts auf dieser Welt könnte schlimmer sein als das Fehlen dieses Glücks.“ Diese Worte, gestern Abend gesungen bei der zentralen Trauerfeier in Hanau, beschreiben so eindrücklich, was auch ich an Emotionen bei den Familien und bei den Freunden der Opfer am Tag nach dem Attentat spüren konnte. Ich habe mich dabei geschämt, geschämt dafür, dass in unserem Land eine solche Tat möglich ist. Und ich schäme mich heute für das, was ich aus den Reihen der AfD einmal mehr gehört habe.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir können die Ermordeten nicht zurück ins Leben holen, so wie es der Wunsch in diesem Lied „Bitte gebt mir mein Leben zurück“ ist. Aber wir können eines versprechen: Wir werden konsequenter und härter kämpfen – gegen Hass, gegen Rassismus und für mehr Zusammenhalt in unserer vielfältigen Gesellschaft. Dazu müssen wir das Übel in unserer Gesellschaft endlich erkennen, es klar als Rassismus bezeichnen und schließlich konsequent bekämpfen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum Erkennen gehört auch, dass wir wahrnehmen. Viele Menschen in unserem Land haben Angst. Und viele Menschen sind wütend oder sogar schon resigniert, wenn ihnen wegen ihres Namens oder ihres Aussehens das Deutschsein abgesprochen wird. Das ist eine Schande!
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen in unserem Land alle ohne Angst verschieden sein können. Menschen mit familiärer Einwanderungsgeschichte – es sind 25 Prozent unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger – fordern von uns als Politik zu Recht, dass wir ihre Stimme hören, ihre Sorgen genauso ernst nehmen und sie genauso schützen wie alle anderen. Daran, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir keinen Zweifel lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Bundesregierung hat am Montag beim Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin intensiv darüber mit den Migrantenorganisationen beraten. Es ist wichtig und gut, dass wir zu dem Ergebnis gekommen sind, einen Kabinettsausschuss zur Bekämpfung des Rechtsextremismus einzusetzen. Wenn wir in Kabinettsausschüssen vom Brexit über die Digitalisierung bis zum meteorologischen Klima auf höchster Ebene beraten, dann gehört auch das gesellschaftliche Klima auf diese Ebene; denn auch das muss besser geschützt werden, mit unserem vollen Einsatz und mit konkreten Maßnahmen in verschiedenen Bereichen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vier wesentliche Aspekte gehören für mich dazu.
Erstens. Wir sind alle verantwortlich. Jede und jeder von uns muss den Mund aufmachen, wenn Menschen wegen ihrer Herkunft, ihres Aussehens, ihrer Religion oder ihres Geschlechts abgewertet oder angefeindet werden.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit den Worten fängt es an. Mit dem Schweigen nimmt es seinen Lauf. Wir brauchen eine Kultur des klaren Widerspruchs – in der Schule, am Stammtisch, auf dem Fußball- und am Arbeitsplatz, bei Twitter –, und dafür müssen wir hier in diesem Raum Vorbild sein!
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Deshalb geht es zweitens auch um den Kampf gegen Muslimfeindlichkeit. Da brauchen wir wie beim Antisemitismus fachliche Expertise, die uns mit konkreten Vorschlägen berät. Ich bin froh, dass Horst Seehofer und ich uns hier einig sind, dass eine solche Expertenkommission Muslimfeindlichkeit notwendig ist.
Drittens. Wir müssen die Menschen für die Werte begeistern, die uns als freiheitliche Gesellschaft einen. Durch Prävention und politische Bildung. Sie müssen wir nachhaltig und auf hohem Niveau verankern. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Viertens und elementar wichtig ist: Wir müssen endlich aufhören, unsere Gesellschaft in „Wir Deutsche“ und „Ihr Eingewanderte“ zu trennen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])
ständig nach der Herkunft oder dem Migrationshintergrund zu fragen. Diese Zuschreibung bildet schon längst nicht mehr die Realität in unserer Gesellschaft ab. Sie entspricht auch nicht dem Selbstverständnis vieler Menschen. Ihre Heimat ist Deutschland. Deutschland ist vielfältig, aber wir sind eine Einheit. Es gibt nur ein Wir.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Voraussichtlich letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Dr. Katja Leikert, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7431618 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte - Rechtsterrorismus und Hass |