05.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 149 / Tagesordnungspunkt 10

Johannes SchrapsSPD - Arbeitsprogramm 2020 der Europäischen Kommission

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Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jedes Jahr legt die Europäische Kommission ihr Arbeitsprogramm vor. Es ist die europäische Antwort auf alte und neue Herausforderungen, jedes Jahr wieder.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in Zeiten der Hysterie – gerade beim zweiten Redner in der heutigen Debatte haben wir uns davon leider wieder überzeugen lassen müssen –, in denen ein Virus mancherorts zu Schulschließungen, zur Absage zahlreicher Groß- und Kleinveranstaltungen, in einigen Ländern sogar zum Stillstand des öffentlichen Miteinanders führt, in Zeiten, in denen Menschen in sogenannten sozialen Netzwerken tagtäglich von anderen Menschen mit Hetze überzogen werden, wo man sich jeden Tag auf jemand anderen stürzt, dessen Meinung oder dessen Gesicht einem nicht passt, in Zeiten, in denen es normal zu sein scheint, dass Parteibüros und manchmal auch private Häuser und Wohnungen ganz gezielt mit übelsten Schmierereien bemalt werden, in denen Autos von Menschen angezündet werden, in Zeiten, in denen auf Politiker und ihre Büros geschossen wird, in Zeiten, in denen Menschen, die sich politisch oder in anderen Bereichen für unsere Allgemeinheit engagieren, immer häufiger angegriffen, angefeindet und in einigen Fällen einfach erschossen werden – meist wird hier der Kasseler Regierungspräsident Lübcke genannt; aber leider gibt es auch weitere, weniger bekannte Fälle, wie den meines früheren Landrates Rüdiger Butte im Landkreis Hameln-Pyrmont, der mir persönlich in Sachen Aufrichtigkeit und Menschennähe immer ein Vorbild sein wird, auch wenn ihm genau diese Menschlichkeit und Nahbarkeit, die wir bei Politikern doch sehen wollen, zum Verhängnis geworden ist –,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU und des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

in Zeiten, in denen Menschen mit Autos in Karnevalsumzüge oder andere Menschenansammlungen fahren, in Zeiten, in denen rassistische Menschen andere Menschen in Shishabars erschießen, weil ihnen ihr Aussehen irgendwie suspekt ist, in Zeiten, in denen Menschen ganz bewusst zu religiösen Einrichtungen fahren, um Massaker anzurichten, und dann, wenn sie glücklicherweise von schweren Holztüren aufgehalten werden, kurzerhand andere Menschen wegen ihrer ebenfalls vermuteten Andersartigkeit erschießen, in Zeiten, in denen Menschen in Flüchtlingslagern in der EU in unwürdigen Zuständen hausen müssen, weil wir leider immer noch kein funktionierendes europäisches Asylsystem haben, und andere Flüchtende an den europäischen Außengrenzen von Staatsführern als politisches Faustpfand missbraucht werden, während sie selbst in den Krieg ziehen und damit Instabilität und Inhumanität in der Region weiter anheizen, in Zeiten, in denen sich manchmal Menschen von anderen Menschen, die an vielen Stellen maßgeblich zu Hysterie, zu Hass und zu menschenverachtendem Umgang mit- bzw. häufig gegeneinander beitragen, in Ämter wählen lassen – an dieser Stelle wünsche ich dem gestern in Thüringen gewählten neuen Ministerpräsidenten für seine keineswegs leichte Aufgabe viel Erfolg –,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Enrico Komning [AfD]: Nein, Herr Schraps! – Weiterer Zuruf von der AfD: Kurt Schumacher rotiert im Grabe!)

in solchen Zeiten brauchen wir bei vielen dieser Themen eine klare Haltung. Dennoch müssen wir erkennen, dass wir in der medialen Öffentlichkeit von einer Skandalisierung zur nächsten laufen. Da erscheint das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission, über das wir heute diskutieren, bei aller schnelllebigen Hysterie unserer Tage absolut zu Recht als wohltuende Normalität, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Das Arbeitsprogramm der Kommission ist ein Zeichen dafür, dass die Europäische Union funktioniert, trotz Brexit und unabhängig davon, wie unterschiedlich die einzelnen EU-Kommissare gestrickt sein mögen. Es widmet sich vielen wichtigen globalen Herausforderungen. Axel Schäfer hat vor mir – Angelika Glöckner wird das gleich sicherlich auch machen – viele wichtige inhaltliche Aspekte und sozialdemokratische Forderungen angesprochen, die sich in diesem Arbeitsprogramm wiederfinden.

Aus unserer Sicht können wir von Deutschland aus sehr viel Gutes zur Ausgestaltung dieser Themen beitragen. Deswegen sei mir heute dieser moralische Appell gestattet: Lassen Sie uns hier im Haus dieses Arbeitsprogramm gemeinsam mit Leben füllen; denn nicht zum Hetzen oder Brandstiften sind wir in dieses Haus gewählt worden, sondern um uns sachlich mit Themen auseinanderzusetzen, um den demokratischen Kompromiss zu suchen, mit angemessenem Respekt voreinander, nicht hysterisch, sondern ruhig und besonnen.

Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])

Das Wort hat der Abgeordnete Stephan Protschka für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7431647
Wahlperiode 19
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Arbeitsprogramm 2020 der Europäischen Kommission
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