Norbert MüllerDIE LINKE - Finanzierung der Ganztagsbetreuung für Kinder
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke tritt ein für ein bedarfsgerechtes, qualitativ hochwertiges und beitragsfreies Ganztagsangebot. Ja, dafür brauchen wir den individuellen Rechtsanspruch, und zwar unabhängig vom Erwerbsstatus der Eltern.
(Beifall bei der LINKEN – Martin Reichardt [AfD]: Wie geht das mit den Reichen?)
Darin sind wir uns, jedenfalls wenn wir den Koalitionsvertrag zur Grundlage nehmen, mit den Koalitionsfraktionen einig. Deswegen begrüßen wir auch das Ansinnen aus dem Koalitionsvertrag, einen Rechtsanspruch – hier heißt es nicht „individuell“; aber vielleicht meinen wir ja das Gleiche – auf Ganztagsbetreuung zu schaffen.
Mit dem Kitaausbau haben wir den richtigen Weg beschritten, wenn auch in vielen Fragen noch unzureichend. Aber natürlich – die Frage haben auch Sie, Frau Giffey, aufgeworfen – ist die Frage: Was passiert denn, wenn ein Kind sechs Jahre alt wird oder sieben Jahre alt wird, eingeschult wird und von heute auf morgen die Nachmittagsbetreuung nicht mehr gewährleistet ist?
(Martin Reichardt [AfD]: Wenn es reich ist, was passiert dann?)
Natürlich ist das ein Problem für die Eltern. Deswegen ist es richtig, qualitativ gute Nachmittagsangebote zu schaffen. Wir können diesen Eltern überhaupt nicht erklären, warum von heute auf morgen eine Betreuung nicht mehr gewährleistet wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen ist auch der Rechtsanspruch für ein gutes Ganztagsbetreuungsangebot überfällig.
Im Koalitionsvertrag haben Sie formuliert, dass Sie sicherstellen wollen, „dass insbesondere der laufenden Kostenbelastung der Kommunen Rechnung getragen wird“. Ich glaube, da kommen wir zu des Pudels Kern, zum großen Problem: Wer soll das eigentlich am Ende bezahlen?
Ich möchte mich meinem Vorredner, Herrn Seestern-Pauly von der FDP, anschließen. Ich habe zum Kitaausbau bereits was gesagt. Kitaausbau, das war an sich eine gute Sache. Aber wir dürfen die Fehler aus dem Kitaausbau nicht wiederholen; wir können es nicht wieder so machen, dass die Länder und Kommunen den Löwenanteil zahlen und der Bund sich am Ende „rauszahlt“. Wir können es nicht wieder so machen, dass es bundesweit keinerlei Qualitätsansprüche und keine Qualitätsstandards für den Ausbau gibt und dass nicht vorher rechtzeitig für Fachkräfte gesorgt wird.
Da stellen sich natürlich viele Fragen an Ihren Gesetzentwurf. Sie wollen mit dem Gesetzentwurf für die Jahre 2020/21 ein Sondervermögen von 2 Milliarden Euro einbringen, nur für Neubauten und Investitionen. Der Bundesrat sagt in seiner Stellungnahme, die Länder brauchen ungefähr 7,5 Milliarden Euro; er bezieht sich auf die Zahlen des Deutschen Jugendinstituts für die Investitionskosten der nächsten Jahre. Das heißt, 5,5 Milliarden Euro fehlen hier, die im Sondervermögen nicht vorhanden sind. Die zahlen dann am Ende eben doch die Länder und Kommunen – obgleich doch in Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass das nicht passieren soll. 5,5 Milliarden Euro oder, um es mit Ihren Worten zu sagen, 5 500 Millionen Euro.
Sie haben keine Idee, wie der Rechtsanspruch praktisch aussehen soll; es gibt bis heute keinen Vorschlag. Wir wissen noch nicht mal, wann er kommen soll. Und Sie haben keine Idee zur Fachkräftesicherung. Sie haben sogar das bisschen Fachkräfteoffensive, was auf dem Weg war, wieder einschlafen lassen. Das heißt, wir haben weniger als vor einem Jahr, obwohl die Herausforderungen gewachsen sind und bereits weit über 100 000 Erzieherinnen und Erzieher im Kitabereich fehlen. Die fehlen am Ende natürlich auch im Hortbereich.
Das Deutsche Jugendinstitut schätzt, dass ab 2025, wenn der Rechtsanspruch gelten soll, durch die Kommunen und die Länder im jährlichen Betrieb am Ende 4,5 Milliarden Euro aufgebracht werden müssen. Dafür sorgt der Bund mit keinem einzigen Euro. Ich glaube, das geht so nicht. Wenn Sie diesen Weg weitergehen und die Kosten am Ende vor allen Dingen bei den Ländern und Kommunen und bei den Eltern – über die Elternbeiträge – hängen bleiben, dann fahren Sie den Rechtsanspruch an die Wand. Das dürfen wir nicht tun, weil wir bei vielen Eltern die Hoffnung geweckt haben, dass es jetzt endlich eine Lösung für die Nachmittagsbetreuung gibt. Deswegen können wir nicht so leichtfertig damit umgehen und mit diesem sehr schmalen Sondervermögen ohne große Hintergründe den Rechtsanspruch endgültig an die Wand fahren. Wir brauchen einen deutlich größeren Schritt, und wir brauchen eine auskömmliche Finanzierung, damit das ganze Projekt im Bundesrat am Ende nicht scheitert.
(Beifall bei der LINKEN)
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Dörner, Bündnis 90/Grüne.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7432052 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Finanzierung der Ganztagsbetreuung für Kinder |