05.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 149 / Tagesordnungspunkt 16

Sabine DittmarSPD - Medizinprodukterecht

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz ist so trocken und technisch, wie es klingt. Es ist aber ein wichtiges Gesetz; denn Medizinprodukte sind ein fester Bestandteil unseres täglichen Lebens. Das können die Brille, das Pflaster, ein Verband, ein Gelenkersatz oder eine Herzklappe sein. Sie kommen beim Fiebermessen, bei der Blutuntersuchung oder beim Zahnarzt zum Einsatz, und dabei geht es immer um die gute und verlässliche Versorgung von Patientinnen und Patienten. Deshalb ist es wichtig, geeignete gesetzliche Rahmenbedingungen dafür zu haben, dass gute und in ihrer Qualität gesicherte Medizinprodukte zur Anwendung kommen und verfügbar sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nur wenige Monate nach dem Skandal um die schadhaften Brustimplantate hat die Europäische Kommission im September 2012 den Entwurf für eine EU-Medizinprodukte-Verordnung vorgelegt. Fast fünf Jahre dauerte dann das Ringen auf europäischer Ebene auch um die Antwort auf die Frage, wie Hochrisikomedizinprodukte für Patientinnen und Patienten sicherer gemacht werden können.

Ich will ehrlich sein: Zufrieden bin ich mit der europäischen Antwort nicht. Für mich macht es keinen Unterschied, ob ein Patient eine Tablette einnimmt oder ein Stent-Implantat erhält. In beiden Fällen sind die Anforderungen, die an den medizinischen Nutzen, an die Qualität und an die Sicherheit zu stellen sind, gleich hoch. Es wäre aus meiner Sicht richtig gewesen, in der EU-Medizinprodukte-Verordnung für den Marktzugang von Hochrisikomedizinprodukten ein amtliches Zulassungsverfahren vorzusehen, wie wir es auch im Arzneimittelbereich kennen. Dass es dazu nicht gekommen ist, finde ich persönlich sehr schade.

(Beifall bei der SPD)

Unabhängig davon begrüße ich, dass es mit den EU-Verordnungen über Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika erstmals einen einheitlichen und verbindlichen Rechtsrahmen für den Marktzugang und die Marktüberwachung in Europa gibt.

Wir alle haben die Diskussion anlässlich der sogenannten Implant Files noch gut in Erinnerung. Kritisiert wurde hier unter anderem der Mangel an klinischen Prüfungen von Implantaten. Die EU-Medizinprodukte-Verordnung stellt jetzt explizit klar, dass jedes implantierbare Produkt in Europa durch den Hersteller klinisch geprüft werden muss. Vergleichsdaten von gleichwertigen Produkten reichen nicht aus.

Eine zusätzliche unabhängige klinische Begutachtung durch ein europäisches Expertengremium ist möglich. Es ist immer eine Konformitätsbewertungsstelle – ein sehr schwieriges Wort für eine Fränkin – zu beteiligen, die staatlich benannt und überwacht wird. Der Hersteller ist darüber hinaus zur klinischen Nachbeobachtung verpflichtet.

Damit haben wir jetzt Instrumente, die zu einer besseren Qualität und Sicherheit von Hochrisikomedizinprodukten beitragen können. Und wir werden sehr genau beobachten, ob sich diese Instrumente in der Praxis mit Blick auf die Patientensicherheit bewähren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Wort zu den Benannten Stellen. Ja, bisher gibt es in Europa noch zu wenige. Ich bin dem Bundesgesundheitsminister deshalb wirklich sehr dankbar, dass er sich mit dieser Frage frühzeitig an die Europäische Kommission gewandt hat. Die nun vereinbarte Verlängerung der Übergangsfrist für die Zertifizierung von Medizinprodukten der Klasse I wird zu einer Entlastung der bisher Benannten Stellen beitragen und so hoffentlich Versorgungsengpässe vermeiden.

Kritisiert wurde in der Vergangenheit auch die mangelnde Transparenz bei Vorkommnissen im Medizinproduktebereich. Wenn ein Problem bekannt wird, muss sichergestellt sein, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten schnell informiert und fehlerhafte Produkte nicht weiterverwendet und vertrieben werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auf der Grundlage der EU-Medizinprodukte-Verordnung können künftig alle Medizinprodukte anhand einer eindeutigen Produktidentifizierungsnummer zurückverfolgt werden. Alle vorhandenen Daten werden im Deutschen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem und später auch in der europäischen Datenbank EUDAMED zusammengeführt und öffentlich zugänglich gemacht. Zusammen mit dem Implantateregister, das wir im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht haben, werden wir künftig hier ein weitaus höheres Transparenzniveau haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin auch sehr froh, dass mit den Ländern eine Verständigung über die Zuständigkeit bei der Vigilanz und Überwachung von Medizinprodukten gelungen ist. Zukünftig kann das BfArM bei Gefahr im Verzug oder dann, wenn der Hersteller seinen Sitz im Ausland hat, unmittelbar selbst Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherheit von Patientinnen und Patienten anordnen. Damit werden die Befugnisse der Länderbehörden sinnvoll ergänzt.

Der Gesetzentwurf enthält auch weitreichende Verordnungsermächtigungen für das Bundesgesundheitsministerium, unter anderem für nähere Regelungen zur nationalen Sonderzulassung von Medizinprodukten. Ich möchte hier noch einmal deutlich machen, dass aus meiner Sicht das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten, die das EU-Konformitätsbewertungsverfahren noch nicht durchlaufen haben, im Interesse der Patientensicherheit grundsätzlich die Ausnahme bleiben und ausschließlich befristet ermöglicht werden sollten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Auch das Verfahren für Meldungen von mutmaßlich schweren Vorkommnissen mit Medizinprodukten wird in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Um sicherzustellen, dass rechtzeitig und korrekt gemeldet wird, wäre es aus meiner Sicht richtig, den Verstoß gegen entsprechende Meldepflichten künftig zu sanktionieren.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, beide EU-Verordnungen sind Zeichen eines wichtigen Reformprozesses in Europa. Die Verordnungsgeber verbinden damit das Versprechen eines hohen europäischen Sicherheitsniveaus für Medizinprodukte. Erst wenn die Verordnungen nach Ablauf aller Übergangsfristen volle Wirkung entfaltet haben, werden wir sehen, ob dieses Versprechen gehalten werden kann.

Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass die SPD-Fraktion sich beispielsweise beim Umgang mit Explantaten oder hinsichtlich eines Fehlermeldesystems im nationalen Recht weiter gehende Regelungen zugunsten der Patientensicherheit und der Patientenrechte gewünscht hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen hier zusagen: Wir werden das weiter im Auge behalten.

(Beifall der Abg. Bärbel Bas [SPD])

Fachfremd unterstützen wir mit dem Gesetzentwurf die Aufsicht im Bereich der Hilfsmittelversorgung; Kollege Monstadt hat es schon dargestellt. Wir führen ein Schiedsverfahren für die Hilfsmittelverträge ein. Wir wollen damit die flächendeckende, wohnortnahe und qualitative Hilfsmittelversorgung sicherstellen und vor allem Versorgungslücken mangels entsprechender Verträge vermeiden.

Insgesamt ist es ein gelungenes Gesetz. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dittmar. – Die nächste Rednerin ist für die FDP-Fraktion die Kollegin Katrin Helling-Plahr.

(Beifall bei der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7432072
Wahlperiode 19
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Medizinprodukterecht
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