Sascha RaabeSPD - Rohstoffpolitik
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In Afrika gibt es viele Länder mit vielen Rohstoffen. Eigentlich könnte man denken: Das ist ja ein Segen für diese Länder, weil sie sich dann gut entwickeln können, Wertschöpfung und Wohlstand schaffen müssten. Aber leider ist in vielen Ländern Afrikas der Rohstoffreichtum eher Fluch als Segen.
Woran liegt das? Das liegt daran, dass es viele Bergbauunternehmen gibt, auch viele ausländische, die über das Kapital verfügen, dort Rohstoffe abzubauen. Das allein wäre noch nicht so schlimm; denn wenn diese Unternehmen dort Steuern und Lizenzgebühren zahlen würden und auf die Einhaltung der Menschenrechte und des Arbeitsrechts achten würden, dann hätten alle etwas davon – auch wenn wir langfristig natürlich wollen, dass das einheimische Firmen machen und die Weiterverarbeitung dort erfolgt; das wäre also eine gute Sache.
Leider gibt es aber viele schwarze Schafe unter den ausländischen Unternehmen, die zulassen, dass dort ausbeuterische Kinderarbeit und Zwangsarbeit herrscht. Es gibt in einem Land wie der Demokratischen Republik Kongo vor Ort Bürgerkriegsparteien, sogenannte Warlords, die Kinder als Sklaven in Minen schuften lassen und dann mit den Erlösen einen Krieg finanzieren, in dem sie Kinder als Soldaten missbrauchen.
Heute gehen wir einen historischen Schritt, weil wir den schwarzen Schafen, die auch aus Europa oder Deutschland heraus auf diese Weise Profit machen, Einhalt gebieten. Das ist eine gute Stunde für unser Parlament, aber auch eine gute Stunde für die Menschen in Afrika und besonders im Kongo, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
In meinem Wahlkreis in Hanau gibt es mit Umicore und Heraeus zwei große Edelmetall verarbeitende Unternehmen. Als Entwicklungspolitiker, der schon seit 2002 hier im Bundestag ist, habe ich mit diesen Unternehmen über viele Jahre Gespräche geführt und gesagt: Mensch, ich möchte eigentlich, dass es eine gesetzlich verbindliche Regelung gibt, dass alle Unternehmen menschenrechtliche Standards und Arbeitnehmerrechte einhalten müssen.
Am Anfang, vor sieben oder acht Jahren – Herr Wirtschaftsminister, das ist jetzt auch für Sie interessant; denn man denkt oft, Wirtschaft und Entwicklung stehen immer gegeneinander –, haben die noch gesagt: Jetzt kommt der romantische Entwicklungspolitiker mit seinen idealistischen Vorstellungen. Nein, wir wollen auf keinen Fall etwas Gesetzliches. Das ist nur Bürokratie. – Es klingt ja auch bei einigen Kollegen aus der Union im Wirtschaftsausschuss immer noch an, dass jede Regelung immer nur negativ für die Wirtschaft wäre.
Dann haben diese Unternehmen mir jedes Jahr vorgelegt, welche Standards sie freiwillig erfüllen. Das wurde immer mehr. Dann kam der Dodd-Frank Act in den USA; 2010 hat Präsident Obama dieses Gesetz erlassen. Es sollte der Finanzmarktregulierung dienen. Die Amerikaner haben beschlossen, dass Unternehmen, die an US-Börsen gelistet sind und aus der Demokratischen Republik Kongo Mineralien beziehen, auf die Einhaltung von Menschenrechten achten müssen, und dass deren Erlöse nicht mehr der Konfliktfinanzierung dienen.
Wir haben uns immer weiter angenähert. Dann habe ich irgendwann mal zu der Fachvereinigung Edelmetalle, mit der ich eigentlich immer sehr konstruktiv im Austausch war, gesagt: Ich will doch nur, dass das, was ihr freiwillig macht, für alle verpflichtend gilt, damit gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Das muss doch in eurem Interesse sein. – Dann hat es bei denen Klick gemacht. Sie haben gesagt: „Ja, stimmt“, und ich habe sie an meiner Seite gehabt.
Wir hatten 2014, 2015 ein Trilog-Verfahren im Europäischen Parlament; denn auch das Europäische Parlament wollte diese verbindlichen gesetzlichen Regelungen. Der Rat wollte die Freiwilligkeit. Dann haben wir es als SPD-Fraktion damals geschafft, Herr Altmaier, trotz aller Stimmen aus Ihrem Haus, die bei der Freiwilligkeit bleiben wollten, den damaligen Wirtschaftsminister Gabriel davon zu überzeugen, dass er sich in Brüssel für verbindliche gesetzliche Regeln einsetzt.
(Beifall bei der SPD)
Deutschlands Stimme im Rat hat dann 2016 wirklich den Ausschlag dafür gegeben, dass wir 2017 das erste Mal – das erste Mal! – in der EU eine Verordnung geschaffen haben, mit der wir für einen Teilbereich der Wirtschaft in einem besonders problematischen Gebiet eine verbindliche Regelung im Lieferkettenbereich erreicht haben, nämlich bei der Förderung von diesen Mineralien aus Hochrisiko- und Konfliktregionen. Das ist ein großer Schritt, weil er die Tür für anderes öffnen kann.
Ich möchte mich ausdrücklich bei den Kollegen Ulrich Freese und Bernd Westphal, die das unterstützt haben, bedanken. Wir haben mit dem Durchführungsgesetz wirklich etwas hinbekommen. Wir hätten gerne noch ein bisschen mehr geschafft, aber die EU-Verordnung ist gut und das Durchführungsgesetz ist es auch. Wir wollen spätestens bei der Revision 2023 erreichen, dass das auch auf Kobalt ausgeweitet wird, dass wir das auf die gesamte Lieferkette – also über den sogenannten Upstream-Bereich hinaus auf den Downstream-Bereich und damit auf die Hersteller – ausweiten, damit nicht irgendwelche vorgefertigten Produkte aus China eingeführt werden können. Wir wollen also Schlupflöcher stopfen und Freigrenzen beschränken. Es ist aber gut, dass wir jetzt einen ersten Schritt machen.
Da unterscheiden wir uns auch von meinem Vorredner von der Union, der gesagt hat, dass er gerade nicht will, dass das als Blaupause für andere Bereiche gilt. Doch, Herr Loos, doch, Herr Wirtschaftsminister Altmaier,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wir wollen ein Lieferkettengesetz; denn es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich Unternehmen an Menschenrechte halten, und zwar überall, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das muss bei der Produktion aller Güter gelten; das muss für die Näherin in Bangladesch gelten genauso wie für denjenigen, der in Kolumbien Kohle abbaut, oder für Menschen, die in Minen in Afrika schuften. Für alle Produkte, für alle Rohstoffe, für alles, was in die EU geliefert wird, müssen die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten erfüllt sein. Wir müssen das, Herr Minister Altmaier, auch endlich in den Handelsverträgen so verankern, dass es sanktionsbewehrt ist, wenn sich Partnerländer nicht daran halten.
(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Es darf nicht so sein wie jetzt, dass zwar eine Banane nur dann in die EU geliefert werden kann, wenn sie die richtige Länge und Breite hat, es aber nicht interessiert, unter welchen Bedingungen so eine Banane gepflückt wird, ob die Arbeiter Pestiziden ausgesetzt sind oder Kinder an der Arbeit beteiligt sind. Es muss uns doch darum gehen, dass hier in Europa und in Deutschland nur Produkte auf den Markt kommen, bei deren Produktion die Menschen anständig bezahlt werden und die nicht durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt werden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deswegen sagen wir Ihnen: Im Koalitionsvertrag, Herr Wirtschaftsminister Altmaier, steht, dass wir, wenn die Unternehmen nicht freiwillig eine bestimmte Quote erfüllen und ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen, ein Gesetz auf den Weg bringen werden. Im ersten Rücklauf war das, was die Unternehmen präsentiert haben, ein Desaster.
Und wir wollen den anständigen Unternehmer schützen. Es muss doch auch in Ihrem Interesse sein, den anständigen Unternehmer zu schützen. Wenn man den anständigen Unternehmer schützen will, dann muss man ihn vor den schwarzen Schafen schützen; denn die haben einen Wettbewerbsvorteil zulasten derjenigen, die die Standards halten. Deswegen sage ich: Dieses Gesetz ist ein erster guter Schritt. Wir brauchen jetzt ein Lieferkettengesetz für alle Bereiche. Dafür lassen Sie uns hier im Haus gemeinsam streiten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redner: für die FDP-Fraktion der Kollege Olaf in der Beek.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7432401 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 149 |
Tagesordnungspunkt | Rohstoffpolitik |