05.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 149 / Zusatzpunkt 8

Thomas SeitzAfD - Reform des Strafrechts

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Antrag ist typisch für eine FDP, die sich gerne in der Rolle des Erneuerers sonnt, aber vor allem heiße Luft produziert. Und hoffentlich haben Sie sich gründlich überlegt, was Sie tun werden, falls Ihr Antrag unsere Zustimmung findet.

Sie wollen die Bundesregierung auffordern, die Strafnormen des StGB wie des Nebenstrafrechts auf eine Modernisierung zu prüfen, mit dem hehren Ziel, die Justiz zu entlasten.

Liebe Kollegen von der FDP, in Thüringen hätten Sie ganz selbstständig alle Strafnormen des Nebenstrafrechts überprüfen können.

(Dr. Jürgen Martens [FDP]: Seid wann ist das Land dafür zuständig?)

Dazu hätte allerdings gehört, dass die Vertreter Ihrer Partei die übertragene Regierungsverantwortung auch annehmen, anstatt sang- und klanglos abzudanken.

(Beifall bei der AfD)

Zurück zum Antrag. Wie es sich für einen Schaufensterantrag gehört, werden zahlreiche Problemfelder angeführt, ohne selbst klar Position zu beziehen. Dafür sollen andere liefern: die Regierung und eine Expertengruppe. Werte Kollegen, das ist so mittelmäßig und ideenlos. Reicht es denn bei Ihnen nicht einmal mehr für Populismus?

(Beifall bei der AfD)

Stattdessen maßen Sie sich an, sich hier zum Verteidiger der Freiheitsrechte der Bürger aufzuspielen, ausgerechnet in der Woche, in der auch Ihre Vertreter in Thüringen dazu beigetragen haben, einen Stalin-Verehrer aus der Mauermörder-Nachfolgepartei zum Ministerpräsidenten zu küren.

(Lachen bei der LINKEN – Dr. Jürgen Martens [FDP]: Das ist schlicht unwahr! Das sind Fake News! Unsere sind sitzen geblieben!)

Die Verweigerung der Wahrnehmung der Abgeordnetenrechte durch Ihre Vertreter hat genau das bewirkt.

(Dr. Jürgen Martens [FDP]: Es tut wirklich weh!)

– Es gibt auch das Unterlassen. Stellen Sie eine Zwischenfrage, wenn Sie möchten.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die FDP gewandt: Er hat doch keinen Anspruch an die Wahrheit! Er erzählt immer Fake News!)

Wenn Sie wiederholt das Nebenstrafrecht ansprechen, dann zeigen Sie uns nur, dass Sie von der Praxis keine Ahnung haben. Eine Streichung des gesamten Nebenstrafrechts mit Ausnahme des BtMG würde eine Staatsanwaltschaft mit 30 bis 35 Vollzeitstellen in der Größenordnung von etwa 3 bis 4 Amtsanwälten entlasten. Wenn wir aber die Strafbarkeit des Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie die Strafbestimmungen des Aufenthalts- und Ausländerrechts beibehalten – dafür steht die AfD uneingeschränkt; denn illegal bleibt illegal –, reduziert sich die Entlastung vielleicht auf einen Amtsanwalt. Wenn es absehbar keinen Kahlschlag, sondern nur eine stellenweise Bereinigung gibt, dann ist ein Entlastungseffekt überhaupt nicht mehr messbar.

Historische überholte Tatbestände ohne tatsächlichen Anwendungsbereich kann man gerne streichen. Die juristischen Fachverlage freut es. Nur geht dann die Entlastung der Justiz gegen null. Also wieder einmal viel Lärm um nichts.

(Beifall bei der AfD)

Deutlich wird in Ihrem Antrag, dass Sie kein Herz für Bagatelldelikte haben, also sozialschädliche Verhaltensweisen wie Ladendiebstahl oder Schwarzfahren gerne straflos hätten. Angesichts Ihrer rasanten Annäherung an das linke Spektrum ist das zumindest konsequent.

(Lachen des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU])

Bei Ihrem Marsch nach links hätten Sie aber bemerken können, dass wir das Thema Schwarzfahren und dazu passend das Thema Ersatzfreiheitsstrafe in dieser Legislatur bereits ausgiebig behandelt haben. Dazu ist einfach alles gesagt. Dazu braucht man keine neuen Experten zu hören.

Der rechtstreue Bürger hat auch bei der FDP wieder einmal das Nachsehen: der brave und anständige Bürger oder dann im Grunde genommen der dumme Bürger, derjenige, der vor dem Fahrtantritt ein Ticket löst, auch wenn sein Budget knapp ist, oder der sich in seinen Ausgaben beschränkt, wenn am Ende des Einkommens noch zu viel vom Monat übrig bleibt. Genauso wenig wie man Altersarmut mit einer Erhöhung des Flaschenpfands beseitigt, kann man ein zu geringes Lohnniveau und zu hohe Steuern und Abgaben dadurch korrigieren, dass der Diebstahl geringwertiger Sachen straflos bleibt. Wer sich asozial verhält – Straftatbestände beschreiben nun einmal asoziales Verhalten –, ändert sein Verhalten nicht dadurch, dass man ihn verhätschelt. Nicht Straffreiheit, sondern eine konsequente Sanktionierung braucht es. Diese Sanktionierung findet in unserer Justiz statt und äußert sich in Verfahrenseinstellungen wegen geringer Schuld. Der Ersttäter eines Ladendiebstahls braucht im Regelfall keine Verurteilung, wenn er allein durch die Aufdeckung der Tat und die Einleitung des Ermittlungsverfahrens hinreichend beeindruckt ist. Bei schwereren oder wiederholten Taten dagegen ist die konsequente Anwendung des Strafrechts unerlässlich.

Wir sind gespannt, ob Sie Ihren Antrag noch nachbessern werden. Sollten wir dann aber zustimmen, kann auch die Bundeskanzlerin das nicht mehr rückgängig machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dr. Johannes Fechner.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7432444
Wahlperiode 19
Sitzung 149
Tagesordnungspunkt Reform des Strafrechts
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